Kapitel 7 ✔

12.9K 712 72
                                    

Es wurmte mich auch am nächsten Morgen noch, dass keiner meiner wichtigsten Fragen beantwortet wurde. Wie sollte ich all das geheim halten, wenn ich selbst keine Ahnung hatte, was gerade in meinem Leben vor sich ging? Wenn Black gestern doch ein paar Minuten früher gekommen wäre, müsste ich jetzt eventuell nicht so auf glühenden Kohlen sitzen. Ich hatte Angst, dass irgendjemand eine Veränderung bemerken würde, dass Liz eine Veränderung bemerken würde.

„Aylin, sag mal, könntest du wenigstens so tun, als würdest du mir zuhören?", riss diese mich vorwurfsvoll aus meinen Gedanken und ich drehte mich ihr wieder zu. Ich hatte nicht einmal bemerkt, dass ich mich von ihr weggedreht hatte. „Entschuldige, ich bin noch etwas erschöpft. Wer ist neu?", wollte ich dann wissen und schenkte ihr ein aufmerksames Lächeln. Es tat mir leid, dass ich sie ignoriert, und es zusätzlich noch nicht einmal bemerkt, hatte. Liz hingegen wirkte jetzt wieder zufrieden und rückte sich mit einem geheimnisvollen Lächeln auf dem Sitz des Busses zurecht. Wir waren bereits eine halbe Stunde auf dem Weg zur Schule und würden auch noch eine Viertelstunde brauchen, was mich heute allerdings kein bisschen störte. „Ein Junge, er ist heiß", antwortete sie und grinste über beide Wangen, sodass ihre Sommersprossen bei der Bewegung hüpften. Ich schüttelte darauf bloß den Kopf. Was interessierte mich ein heißer Junge? Ich hatte momentan weiß Gott wichtigere Sorgen. „Woher weißt du das?", fragte ich neugierig und beobachtete, wie Liz daraufhin hektisch auf ihr Handy eintippte. Sie hielt mir einen Artikel der Schulwebsite unter die Nase, in dem sich alle neuen Schüler mit Hilfe eines Steckbriefs im Voraus schon vorstellten. Ich musste mir eingestehen, der Neue hatte wirklich ein extrem gutes Aussehen.

„Wenn du weiterhin so um dich stierst, wirst du ganz bestimmt gegen etwas laufen", meinte ich genervt und bugsierte meine beste Freundin an einer Säule vorbei, die sie garantiert übersehen hätte. Seit wir aus dem Bus ausgestiegen waren, hatte sie sich permanent nach dem Jungen umgeschaut. Das verstand ich bei vielen Mädchen nicht. Wozu? „Wozu habe ich dich denn, wenn du mir als Desinteressierte nicht beim Spannern hilfst?", entgegnete sie und kicherte kurz. Gerade als sie sich endlich auf den Weg vor ihr besinnen wollte, betrat er den Gang. „Oh mein Gott!" Liz hatte recht, er hatte das Aussehen eines Gotts. Zumindest würde ich mir so einen Gott vorstellen. Die blonden, kurzen Haare fielen in sanften Locken und rahmten sein Gesicht mit solch einer Weichheit ein, dass seine kantigen Wangenknochen zusammen mit den leuchtenden Augen besonders intensiv hervorstachen. Er war selbstsicher, das war allein schon an seinem aufrechten Gang und den großen Schritten zu sehen, aber auch das leichte Lächeln auf den vollen Lippen zeugte davon, dass er sich seiner Schönheit ganz gewiss bewusst war. „Fang mich bitte auf, falls ich gleich in Ohnmacht falle", murmelte Liz mit großen, runden Augen, den Blick auf den Neuen geheftet. Ich schüttelte nur den Kopf. „Ich denke, du hättest es nötig mit dem Kopf mal dezent auf den Boden zu knallen" Für diese Antwort erntete ich mir einen grimmigen Blick.

Auf dem Weg zum Geschichtsunterricht plapperte Liz noch immer über ihn. Ob sie wohl jemals aufhören würde damit? „Oh, und hast du dir mal seinen Körperbau angeschaut?" Liz hatte sich mir zu gewandt und ich hob lediglich desinteressiert eine Augenbraue. Vielleicht würde sie mich ja in Ruhe lassen, wenn ich einfach still blieb. „Aylin?", hakte sie nach und ich atmete hörbar genervt aus. „Jesus Christus Liz, ich bin nicht blind. Könntest du für eine Sekunde mal aufhören darüber zu reden, wie engelsgleich sein Körper ist?" Es war mir einfach rausgerutscht, dieser Vergleich mit einem Engel und aus irgendeinem Grund bereitete es mir Unbehagen. Ich sah mich um und bemerkte, dass Hayes ein paar Meter hinter uns schlenderte, bereits ein paar Groupies mit sich schleppend. Und trotzdem erwiderte er meinen Blick. Ganz kurz schien es mir, als wären seine Pupillen schwarz. So wie die Augen aus meinen Träumen. Doch in der Sekunde darauf, waren sie wieder braun und ich musste schwer schlucken. Es war langsam zu viel. Dieses ganze Engelszeug machte mich fertig und ich schaffte es partout nicht mehr mich auf etwas anderes zu konzentrieren.

„Du verhältst dich seltsam", meinte Liz neben mir, nachdem wir auf unseren Stammplätzen im Klassenraum platzgenommen hatten. Sie war erstmals an diesem Morgen ernst und betrachtete mich nachdenklich. Ihre Augenbrauen hatte sie hochgezogen und ihre blauen Augen waren unergründlich. Es gelang mir nicht im Geringsten zu erkennen, was sie wohl gerade dachte. „Tut mir leid", entschuldigte ich mich nun schon zum zweiten Mal an diesem Tag, „ich kann nur momentan nicht an irgendwelche Jungs denken. Du kennst mich doch, das Thema hat mich nie sonderlich interessiert" Sie nickte und es war kurz still zwischen uns. „Du hast recht, ich habe es auch mal wieder übertrieben. Ich werde versuchen darauf zu achten", antwortete sie und lächelte mich an. Ich erwiderte es. Das war es, was ich an ihr so schätzte. Sie war nie wirklich böse und konnte sich selbst Fehler eingestehen. Ich brauchte nicht mehr Freunde als sie. Meiner Meinung nach konnte es niemand besseren als sie geben, niemanden, der auch nur ansatzweise an sie rankommen könnte.

Wie sich später herausstellte, hieß der Neue Hayes und sah nicht nur gut aus, sondern war auch sehr nett. Wir hatten uns kurz unterhalten,aber es blieb größtenteils beim Smalltalk. Während wir am Ende des Unterrichts durch die Gänge in Richtung Ausgang liefen, fiel mein Blick erneut auf ihn und ich musste grinsen. Ein paar Zehntklässlerinnen hatten sich an Hayes Fersen geheftet und versuchten mit wortwörtlich allem was sie hatten seine Aufmerksamkeit zu erlangen. Er hingegen unterhielt sich seelenruhig mit einem der Jungs aus unserer Klasse und schenkte dem weiter keine Beachtung. Liz verdrehte nur die Augen und quetschte sich an den kichernden Mädchen vorbei.„Ich finde ihn ja auch toll, aber das ist nun wirklich übertrieben",kommentierte sie das Geschehen mit angewidertem Blick und ich lachte, zuckte mit den Schultern und folgte ihr. Nur noch eine Dreiviertelstunde in einem stickigen und überfüllten Bus und ich konnte mich endlich zu Hause ins Bett kuscheln, vergessen, was mich so sehr beschäftigte. 


Hoppla! Dieses Bild entspricht nicht unseren inhaltlichen Richtlinien. Um mit dem Veröffentlichen fortfahren zu können, entferne es bitte oder lade ein anderes Bild hoch.
Black -mein SchutzengelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt