Kapitel 8 ✔

12.4K 726 65
                                    

Ich gähnte herzhaft, steckte den Haustürschlüssel ins Schloss und zuckte kräftig zusammen, als sich diese ganz von alleine nach innen öffnete. Ich starrte meiner Mutter entgegen. „Bist du des Wahnsinns? Himmel Herrgott, ich habe fast einen Herzinfarkt erlitten", warf ich ihr direkt lautstark vor und legte meine rechte Hand flach auf die Stelle, an der ich mein Herz zumindest wie verrückt zu schlagen vermutete. Sie lachte nur kurz und zuckte mit einer Schulter. „Wie war der Unterricht? Gibt es neue Schüler?", entgegnete sie, ohne groß weiter auf meine vorherige Aussage einzugehen. Vielen Dank auch. Bei näherem Betrachten fiel mir auf, dass sie eindeutig versuchte ihre Nervosität zu verbergen. Ihre Finger krampften sich links und rechts in ihre Hüfte und ihre Augen hatten dieses neugierige Leuchten, das ich so absolut nicht ausstehen konnte. Das bedeutete für mich nichts als Ärger. Ich hob eine Augenbraue und betrachtete sie weiterhin kritisch. „Was ist mit dir los?", wollte ich dann wissen, mittlerweile davon überzeugt, dass sie mir etwas verheimlichte. Dies war der Moment, in dem sie anfing zu grinsen und deutete dabei mit dem Zeigefinger die Treppe hoch, an deren Ende sich unteranderem auch mein Zimmer befand.

„Dort wartet ein Junge in deinem Zimmer" Ich konnte mir nicht helfen, die Kinnlade klappte ganz von alleine nach unten. Ein Junge? In meinem Zimmer? „Bist du sicher?", fragte ich ungläubig. Das war der erste Junge, der es in mein Zimmer geschafft hatte, wenn man mal von Black absah. „Nein, Aylin, ich könnte mir diesen Leckerbissen natürlich auch nur eingebildet haben, als er sich mir vorhin vorgestellt hat" Ich warf ihr einen schockierten Blick zu, der sie zum Schweigen bringen sollte. Wie konnte sie als Mutter so etwas sagen, ohne sich komplett dämlich vorzukommen? „Dann werde ich mal hochgehen und nachschauen, was der Unbekannte will", meinte ich kopfschüttelnd und warf ihr einen letzten Seitenblick zu. Meine Mutter hatte noch immer die Hände in die Hüfte gestemmt und sah selbst so eifrig aus, dass es mich nicht gewundert hätte, wenn sie mich den Weg nach oben noch zusätzlich angefeuert hätte. Doch sie blieb still und ich war dieser Tatsache sehr dankbar. „Du musst mir später unbedingt alles erzählen!", rief sie nun doch noch hoch, gerade als ich die letzte Stufe erreicht hatte. Ich drehte mich leise fluchend um, um sie endlich zum Schweigen zu bringen, doch sie verschwand eilig in der Küche, nachdem sie mir zwei Daumen hoch gezeigt hatte. Ich glaube, ich wusste endlich den Grund, weshalb ich partout keinen Freund wollte.

Mit klopfendem Herzen stand ich vor der Türe, eine Hand bereits an der Klinke. Ich vermutete nicht, dass es Black war, der würde einfach so zwischendurch auftauchen. Aber wer bot sich denn sonst an? Ich kannte ja keine einzige Person in der Schule, schon gar niemanden männliches. Entschlossen betrat ich den Raum, so selbstsicher, wie es mir überhaupt möglich war- Und erstarrte.

„Hayes?" Es war das zweite Mal an diesem Tag, dass mein Mund aufstand. Was zur Hölle tat er hier? Der Neue hatte es sich auf meinem Bett sitzend bequem gemacht, die Ellenbogen so hinter sich abgestützt, dass er halb lag. Es schien ihm keineswegs unangenehm zu sein, in einem völlig fremden Haus eines völlig fremden Mädchens völlig unangekündigt zu erscheinen. Er hob lediglich eine Augenbraue und grinste leicht. Wieder fiel mir auf, wie sehr sich dieser Mensch seiner Schönheit bewusst sein musste.

„Willst du mir verraten, was du hier zu suchen hast?", fragte ich ihn und fuchtelte vor Aufregung wild mit den Händen rum. Hayes setzte sich auf und stand letztendlich gefährlich nah vor mir. „Was hältst du hiervon: Ich wollte wissen, wie es dir geht?" Ich lachte trocken auf und verdrehte die Augen. Die Situation hier fing an mich zu nerven, immerhin wollte ich eigentlich einfach nur in mein Bett. „Du willst mir also weismachen, dass die Tatsache, dass du am ersten Schultag nach Unterrichtsschluss bei einem Mädchen deiner neuen Stufe auftauchst, ganz normal ist? Willst du mich verarschen?", hakte ich nach, wobei mir nicht das amüsierte Lächeln entging, das zwischenzeitlich das Gesicht meines Gegenübers zierte. Mir kam das erste Mal der Gedanke, dass er vielleicht wirklich einfach nur überaus arrogant war und seinen Spaß haben wollte. Er ließ mit einer Antwort lange auf sich warten, doch ich hatte Zeit und mich vorsichtshalber zwischen ihn und die Türe gestellt. Im Notfall war ich bereit.

„Okay, hör zu: Black hat mich beauftragt ein Auge auf dich zu werfen. Aber wie ich heute in der Schule feststellen durfte, ist es nicht gerade leicht an dich ranzukommen. Deswegen habe ich beschlossen, dass ich dir einfach die Wahrheit sage, macht die Sache sowieso nicht mehr schlimmer", antwortete Hayes mir und sah mir direkt in die Augen, sodass ich die Ernsthaftigkeit darin erkennen konnte. Das hier war nun kein Spaß mehr und er kannte Black. Wie auch immer das möglich war. „Woher kennst du Black? Und wieso passt er nicht einfach auf mich auf? Er ist ja nicht umsonst mein Schutzengel", meinte ich nach einer kurzen Pause, die ich gebraucht hatte, um meine Gedanken zu sortieren. „Er hat Schwierigkeiten herauszufinden, was gerade genau passiert und noch andere Probleme, die er nicht unterschätzen sollte. Deswegen bin ich als sein Bruder zur Stelle, um dafür zu sorgen, dass alles rechtens verläuft" Ich nickte. Das machte Sinn, bis auf die Sache mit dem Beschützen. Das erschien mir absolut seltsam und ich konnte keine Antwort finden, weshalb so etwas nötig war.

„Hayes, wozu brauche ich Schutz? Wieso bin ich auf einmal nicht mehr in Sicherheit?", wollte ich wissen, unsicher, ob ich es grundsätzlich überhaupt wissen wollen sollte. Er blinzelte nervös und rieb seine Hände aneinander, wie im Versuch sie im Winter warmzuhalten. „Im Ernst Aylin, ich kann es dir nicht sagen. Das geht weit über mein Verständnis von alledem hinaus. Du musst mit Black darüber reden, das soll er dir erklären" Und ich war okay mit seiner Antwort, die mir absolut ehrlich vorkam.

Ich musste mit Black reden, einmal richtig reden, ohne irgendwelche Störungen. Es gab so viel, viel zu viel, das ich nicht verstand, nicht einmal mit meinem bisherigen Denken erfassen konnte. „Ich werde dann gehen, bis Morgen", verabschiedete sich Hayes und ich nickte abwesend. Nachdem ich die Haustüre hinter ihm geschlossen hatte, fiel mir auf, dass ich eigentlich trotzdem noch ein paar Fragen gehabt hatte, die er mir durchaus beantworten hätte können. 

Hayes war also Blacks Bruder, so viel war klar. Und er passte auf mich auf, weil Black nicht konnte. Aber hier hörten meine Informationen schon auf. Ich wusste weder, weshalb Black nicht selbst kommen konnte, noch wusste ich, weshalb ich überhaupt jemanden als Beschützer brauchte. Gedankenverloren betrat ich die Küche, um mit meinen Eltern zu Mittag zu essen, sodass mir erst nach einigen Schritten in Richtung Küchentisch auffiel, das mich beide neugierig anstarrten. Ich blieb stehen und erwiderte ihre Blicke, was in einem Zwei-zu-Eins-Blickduell wirklich nicht einfach war. „Was ist denn jetzt schon wieder?", murrte ich dann, setzte mich und lud mir ordentlich von der Pasta auf meinen Teller. „Was ist denn jetzt mit diesem Jungen? Deine Mutter meinte, er sei sehr gutaussehend?", wollte mein Vater wissen, worauf ich ihm, während ich die Pfeffermühle benutzte, einen bösen Blick zu warf. „Er hatte nur ein paar Fragen bezüglich der Schule. Was den Unterricht und ein paar Lehrer angeht und so, ihr wisst schon...", log ich vor mich hin und versuchte die beiden möglichst wenig anzusehen. „Schatz, was denkst du, findet unsere werte Tochter wohl endlich ihren ersten Freund?" Erneut warf ich meinem Vater einen vernichtenden Blick zu, der sich selbst nicht mehr zu fangen schien. Sein Grinsen war breit und er hatte während seines letzten Satzes seine Hand auf die meiner Mutter gelegt, damit sie ihn ansah. Jetzt tauschten sie bedeutsame Blicke. Gott, manchmal hasste ich sie. "Vielleicht sollten wir unsere Tochter dann endlich aufklären?", erwiderte meine Mutter. Ich stöhnte gequält auf. „Es freut mich ja, dass ich euch amüsiere. Macht ruhig weiter, ich werde es schon irgendwie aushalten", funkte ich dazwischen und stoppte somit ihre dämlichen Gedankengänge. Sie lachten bloß und begannen dann sich über die Versicherung des Autos zu sprechen. Mir war das recht, alles besser als die vergangenen fünf Minuten. 


Hoppla! Dieses Bild entspricht nicht unseren inhaltlichen Richtlinien. Um mit dem Veröffentlichen fortfahren zu können, entferne es bitte oder lade ein anderes Bild hoch.
Black -mein SchutzengelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt