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Mir fiel etwas entscheidenes ein, als ich meinen Plan im Kopf durchging. Ich steckte meine Hand in meine Lederjacke und durchwühlte alle Taschen. Als ich es endlich in den Händen hielt, meine Hand aber immer noch verborgen in der Tasche, drehte ich mich zur Tür um, auch wenn es etwas widerwillig geschah. Ich wollte mit Cas meinen Entschluss und meinen Plan teilen, aber er war nicht mehr im Zimmer. Er war weg.

Ich hatte gar nicht sein Flügelflattern gehört. War ich so vertieft gewesen?

Ich entschloss mich dazu, erst einmal runter zugehen und setzte mich in Bewegung. Bobby hatte sich, kaum, dass es ihm etwas besser zu gingen schien, natürlich nur rein körperlich, mal wieder über seine Unterlagen gebeugt, doch als er mich hörte, sah er auf.
"Dean, es tut-"
"...Nicht Bobby", unterbrach ich ihn und hob die Hand. Ich wollte das Gespräch so schnell wie möglich auf das wesentliche bringen. Sam.
"Ich allein bin dafür verantwortlich und deswegen bin ich derjenige, der sich bei dir entschuldigen muss. Also... es tut mir leid."
"Junge...", hörte ich ihn sagen. Der gehauchte Ton seiner Stimme war mir vollkommen fremd und neu. Hatte ich doch bis jetzt nur seine bassartige und herrische Stimme kennengelernt. Den Brummbären schlecht hin.
"Es ist alles gut. Ich muss aber mit dir reden. Es gibt da etwas... Sam hatte es mir gegeben, als er fortging, um an der Universität anzufangen... hier.", ich kramte wieder in meiner Tasche, während ich erzählte und reichte ihm schließlich meinen Fund.
Ein zerknittertes, fast schon zerknülltes Stück Papier, das ich seit Monaten mit mir herumtrug, ohne es jemals geöffnet zu haben... bis jetzt. Ich sah zu, wie er es langsam auseinanderfaltete.
"Das... das ist schwarze Magie! Du willst doch nicht?..."
"Doch Bobby. Ich will Sam zurückholen. Er gehört nicht dahin, wo auch immer er ist. Vielleicht muss er gerade Höllenqualen erleiden." Allein die Vorstellung ließ mir eine zentimeterdicke Gänsehaut wachsen.
"Alles hat seinen Preis und der ist niemals klein. Vor allem bei schwarzer Magie. Ich warne dich, lass deine Finger davon!", Bobby's Stimme erhob sich wieder und das tiefe brummen vibrierte unheilvoll im Raum nach. Ich sah ihn mit einem ernsten Blick an.
"Er ist mein Bruder... Er ist alles, was ich noch Familie nennen kann. Wenn er weg ist,... dann... dann habe ich versagt...", brachte ich raus. Meine Hände zu Fäuste geballt, den Kopf gesenkt und die Tränen stahlen sich ihren Weg über mein Gesicht. Dann sah ich ihn an.
"...Ich sollte doch auf ihn aufpassen! Ich sollte ihn beschützen, für ihn da sein! Dafür sorgen, dass er glücklich ist!", schrie ich wieder und die salzige Flüssigkeit nahm mir jede Sicht. Meine Stimme war ein einziges holpern zwischen laut und leise, wurde durch schluchzern unterbrochen und überschlug sich, wenn ich zu laut wurde.

Die Wahrheit tat so weh. Alles in mir tat weh. Die Leere, die vor wenigen Minuten noch da war, war jetzt nur noch Schmerz.
Bestürzt fasste sich Bobby an den Kopf und massierte eine Stelle am Hinterkopf, so, als bekäme er vom Rattern seiner Gedankenströme Kopfschmerzen.
"Ich kann das nicht verantworten, Junge. Das ist einfach nicht deine Liga, verstehst du?"
"Wann war jemals etwas 'unsere Liga'? Bitte versteh es, solange ich Sam dadurch wiederbekomme... ist mir einfach jedes Mittel recht."
"Sind dir denn die Ausmaße deines Handelns überhaupt nicht bewusst? Bist du wirklich bereit, an der Stelle deines Bruders zu sterben?"
"Ich bin bereit alles zu tun was nötig ist", gab ich ernst von mir und sah Bobby stur in seine Augen. Doch mehr als ein Nicken bekam ich von ihm nicht.
"Gut, dann lass uns deinen Vater anrufen."

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(Dick --> Bobby, Dean
Kursiv --> John)

"John, beruhige dich erst einmal."
"Wie kann ich das? Erklär mir wie? Mein Sohn ist Tod!", hörte ich meinen Vater brüllen und sah, wie sich Bobby das Telefon vom Ohr weg hielt.
"Ich geb' dir erst einmal Dean", erwiderte Bobby ruhig. Er reichte mir den Hörer.
"Dad?", fragte ich leise.
"Wo warst du?... Wieso warst du nicht bei deinem Bruder? Wie konnte er sterben?... Was hab ich dir beigebracht?" Er schien sich am Anfang zurückzuhalten, doch mit jeder Frage wurde er lauter und schlussendlich schrie er auch mich an. In meinen Augen sammelte sich erneut das Wasser und ich versuchte verzweifelt meine Gefühle wegsperren. Zeig keine Schwäche.
"Dad... ich-"
"Nenn mich nicht Dad", redete er mir mit zorniger Stimme dazwischen. Die Worte waren nur ein kühles Zischen und hinterließen in meinem geschundenen Herzen ein Loch so groß wie mein Herz selbst.
"Sir. Ich konnte nicht bei ihm sein. Ich wurde selber verfolgt und musste kämpfen.", versuchte ich ruhig zu erklären doch meine Stimme zitterte und der Versuch war eben nur das. Ein Versuch.
"Bring mir meinen Sohn zurück... Bring mir verdammt nochmal meinen Sohn zurück!", betonte er wieder, schrie mir entgegen und mit jedem Wort von ihm wurden meine Schultern schwerer. Wieder begann ich diese Tonnen schweren Gewichte zu spüren.
Bobby, der neben mir stand, hatte in der Hoffnung, mir damit Trost zu spenden, seine Hand auf meine Schulter gelegt.
Ich wischte mir mit dem freien Handrücken die nassen Spuren weg und atmete innerlich tief durch.
"Ja Sir."
Ohne noch etwas zu sagen, legte er auf und das Tuten hallte in meinem leeren Kopf wieder. Ich gab Bobby sein Telefon zurück und setzte mich. Langsam atmete ich noch ein paar Mal tief ein und anschließend wieder aus, um mich zu beruhigen.

Ich wusste, das er recht hatte. Ich hätte bei Sammy sein müssen, aber ich war es nun einmal nicht gewesen und jetzt musste ich tun, was nötig war, um ihn zurückzubekommen...

Ich musste, wie Sam jetzt sagen würde, mich mit den Konsequenzen auseinander setzen.

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POV Castiel - Im Himmel

Nachdem ich durch etliche Kontrollen musste, stand ich endlich vor der richtigen Tür. Zögerlich klopfte ich an und wurde dann energischer.
"Herein", kam es von drinnen und ich öffnete die Tür.
"Castiel, sieh mal einer an. Was willst du denn hier?", fragte sie mit Neugier in der Stimme und einem mordlustigem grinsen auf den Lippen.
"Naomi... Ich möchte dir ein Geschäft vorschlagen, welches du sicherlich nicht so einfach ablehnen kannst..." Sie zog eine Augenbraue hoch und zeigte mit ihrer Hand auf den Stuhl, der ihr gegenüber stand.
"Setz dich doch." Das tat ich dann schließlich ohne lange zu zögern. Denn ich musste einen kühlen Kopf bewahren.
"Dann erzähl mal... Wie geht es Dean eigentlich?" Ihr Grinsen wurde breiter und in mir stieg Wut hoch. Sie wusste schon längst, wie es Dean im Moment ging.
"Das spielt keine Rolle. Es geht allerdings um ihn. Ich will dir etwas geben. Etwas, wofür ich nur eins verlange. Lass Dean in Ruhe. Weder du noch ein anderer, egal ob Engel, Dämon, Monster oder Mensch... Egal um welches Wesen es sich handelt. Such kein Schlupfloch und ich gebe dir dafür... Ich gebe dir dafür meine Gnade", beendete ich mein Anliegen und legte bestimmerische Härte in meiner letzten Aussage. Alles war still. Die Sekunden wurden zu Minuten und diese fühlten sich an wie Stunden. Naomi erhob sich, ihre Hände von sich gestreckt mit den Handflächen auf den Tisch.
"Du kommst her um mir deine Gnade zu geben?", fragte Naomi sauer. Sie glaubte mir nicht.
"Ja." Ihr Blick wurde weicher.
"Wieso sollte ich dir das glauben, Castiel? Nach allem... was geschehen ist?", der Klang ihrer Stimme troff nur so vor butterweicher Ironie.
"Ich werde sie mir selbst herausschneiden. Ich bitte dich nur, mich dann zu heilen. Ich bin keine Gefahr mehr für dich, wenn ich meine Kräfte nicht habe. Ich wäre ein Gefallener." Naomi schien langsam zu begreifen, dass das mein absoluter ernst war, denn ihre Augen weiteten sich von der Erkenntnis. Als Antwort nickte sie stumm und setzte sich langsam wieder in den monströsen schwarzen Ledersessel.
"Ich bin einverstanden. Ich werde Dean nicht anfassen und werde deine Schnittwunde danach heilen."
"Gut... dann hab ich noch eine Sache. Du musst nicht darauf eingehen, denn es gehört nicht mehr zum Deal... aber... Wenn du Anna begegnest,... bitte sag ihr, das ich mit der Wahl einverstanden war und das sie sich keine Sorgen um mich machen soll." Sie verdrehte ihre Augen und lehnte sich zurück.
"Wie rührend, ich werd's mir überlegen.", kam es kühl von ihr und ich wusste sofort, dass sie es nicht tun würde...

Es tut mir leid, Anna...
Du warst für mich da, als ich dich brauchte... jetzt müsste ich für dich da sein, aber es geht nicht.
Dean, er... er hat etwas noch viel wertvolleres als meine Gnade... Deswegen muss ich das tun... Selbstsüchtig handeln. Bitte vergib mir...

Ich schnitt mir mit dem gereichten Messer von Naomi einmal glatt durch die Kehle und sie hielt die Ampulle unter den Schnitt. Meine Gnade sammelte sich an der Schnittstelle und floss schließlich nach draußen, um in das kleine Fläschchen zu gleiten. Dann ging alles ganz schnell. Naomi hatte gerade noch Zeit mich zu heilen und schon fiel ich.

Befürchtet hatte ich das schon vorher, schließlich war es bei Anna nicht anders gewesen. Trotzdem hatte ich wahrscheinlich die milde Hoffnung gehabt, dass es mich nicht treffen würde.
Mein Rücken stand in Flammen, leider wortwörtlich. Ich spürte, wie mir die letzten Reste meiner Existenz als Engel ausgebrannt wurden. Der Geruch meines eigenen verbrannten Fleisches stieg mir in die Nase und ich war wie betäubt von den unerträglichen Schmerzen.

Ich fiel. Nur für ihn. Ich wusste nicht, das es so schmerzhaft war zu Fallen, aber irgendwie hätte ich mir das denken können.
Es war die größte Sünde für einen Engel seine Gnade zu verlieren und ich hatte sie ihr freiwillig überlassen.
Um ihn zu schützen. Um uns zu schützen.
Ich werde wissen, ob es das Wert war, wenn ich endlich aufprallen würde...

Ich schloss meine Augen, als ich den Boden unter mir immer näher kommen sah. Bereitete mich vor und erwartete die ungeheure Wucht des Aufpralls...
Doch... da kam nichts. Ich fiel aber auch nicht mehr.

Was soll das? Was hat das zu bedeuten?

Angel Don't CryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt