26.

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        Annemarie

Mir wurde unbehaglich, weil der Junge mich weiterhin so seltsam ansah. Er sah nicht aus, als wolle er mich mit seinem Starren unwohl fühlen lassen, aber trotzdem begann ich meine Hände ineinander zu verkrampfen. „Ich, ähm, ich bin Annemarie", stellte ich mich vor.

„Annemarie", wiederholte der Junge in Gedanken versunken, hielt den Augenkontakt mit mir. „Eine ... Deutsche?"

„Ja, eine Deutsche", bestätigte Harry mit fester Stimme. „Wieso? Gibt's ein Problem?"

Schnell schüttelte der junge Mann den Kopf und man merkte ihm an, dass er Respekt vor Harry hatte. „Nein, nein. Ich bin einfach nur überrascht, nichts weiter."

Harry stellte sich zu mir, sah kurz zu mir herab und dann fragte Niall: „Also was ist? Noch weiter hier rumstehen oder willst du uns endlich zeigen, wo unser Trupp hingelaufen ist?"

Kurz verweilte der Junge noch mit seinen Augen auf mir, dann fing er sich und nickte hastig. „Äh, klar!" Er sah sich um, kratzte sich am Kopf, dann zeigte er in die Richtung tiefer ins Dorf. „Ich habe sie reden gehört, dass sie diese Nacht hier in der Stadt übernachten werden. Wahrscheinlich sind sie nicht weit." 

Wir beginnen alle in die vorgegebene Richtung zu laufen und ich bemerkte, dass ich mich unheimlich gerne waschen würde. Meine Haare sind kraus und mein Kleid schmutzig und zerrissen. Wir sehen alle ziemlich abgeledert aus, aber ich kenne das nicht. Ich habe mich sonst immer täglich waschen können. Meine Haut begann bereits zu jucken.

„Ich bin übrigens Niall", begann der Blonde ein Gespräch mit dem Jungen, während die beiden vor Harry und mir liefen. Er drehte sich um und deutete auf Harry. „Und das ist Harry. Mit dem ist im Moment nicht zu spaßen, er ist übermüdet und verletzt. Eine buchstäblich tödliche Mischung."

Harry lachte auf. „Ich zeig dir gleich wie übermüdet und verletzt ich bin, du Penner."

„Ich bin Louis", stellte sich der Junge vor. Die kleine Pfanne und die danebenhängende Metallflasche klapperten ständig aneinander, aber niemand schien sich dafür zu interessieren. „Und ich bin noch nicht wirklich lange hier ... Ich bin vor zwei Wochen erst stationiert worden."

„Das dachte ich mir schon", meinte Niall. „Du kommst mir nicht vor wie jemand, der sich hier auskennt."

„Tue ich auch nicht." Louis ließ die Schultern erschöpft hängen. „Ich hatte erst dieses Jahr meine Ausbildung als Buchverkäufer angefangen ... Und jetzt ist sie vorbei. Ich hab nicht einmal mit dieser komischen Waffe geschossen, ich weiß nicht mal, wie sie richtig funktioniert." 

„Eine Leseratte, hätte ich mir eigentlich auch denken können." Niall legte lachend seine Hand kumpelhaft auf Louis Schulter. „Mach dir nichts draus. Wir hatten alle ein besseres Leben in Amerika, wichtig ist nur, dass wir wieder dort hinkommen, richtig?"

Mit dem Versuch zu lächeln, nickte Louis, doch seine traurige Miene blieb.

Er war schüchtern, aber das war nicht der Grund, weswegen ich anfing, mich mit ihm zu identifizieren. Louis wurde, genauso wie ich, ungewollt in diesen Krieg geschupst und hatte vorher ein Leben abseits dieses Terrors. Während ich täglich an meinem Klavier saß und mit Annel sang, verkaufte er Bücher in Amerika.

Manchmal vergaß man, dass es auch hätte anders sein können. Doch man fand schnell zurück in die Realität und diese spielte sich genau hier ab.

Es vergingen keine weiteren zwanzig Minuten, bis wir lachende Männer hören konnten, gemischt mit lauter Musik. Anscheinend gab es etwas zu feiern, allerdings konnte ich mir nicht ausmalen, was und ob es überhaupt einen Grund dafür gab. 

My Own LiberatorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt