69.

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Annemarie

Wir fielen übereinander her wie zwei Menschen, die keine Geduld mehr kannten. Oder wie Liebende, die sich jahrelang vermissten. Vielleicht auch wie frischverknallte Jugendliche.

Ich setzte mich auf Harrys Schoß, als er sich gegen den großen Heuhaufen links von uns lehnte. Wir küssten uns so leidenschaftlich, dass ich das Gefühl hatte, unsere Körper wurden heißer als die Kerzen, die hier brannten.

Ich vergrub meine Hände in Harrys Haaren, während er meinen Hals küsste. Seine Hände berührten meinen kompletten Körper. Meinen Rücken, meine Taille, meinen Hintern, meine Beine.

In unseren Küssen und Berührungen steckten so viele Worte, dass ich total vergaß, wer wir eigentlich waren. Und was uns alles wiederfahren könnte, würde uns gerade jemand sehen.

Aber was sollten wir nur tun? Wir schienen so machtlos.

Harry zog mir den braunen Pullover über den Kopf und ließ ihn achtlos zu Boden fallen. Nun trug ich nur noch ein weißes Unterhemd. Er drehte uns um, sodass ich unter ihm lag und dann küsste er mich weiter.

Nur in meinen Träumen hatte ich solche Dinge mit einem Mann getrieben. Vielleicht hätte ich noch vor ein paar Monaten Harry angeschrien, er solle mich nicht so anfassen und hätte schreckliche Angst gehabt, aber so war es nicht.

Ich war im Krieg. Harry war mein Frieden.

„Diese Hose", murrte Harry, als er mein Dekolleté küsste. Seine Hand umfasste meinen Po. „Genau deswegen mag ich sie."

Ich musste kichern. Nie hatte jemand so mit mir gesprochen wie Harry es tat. Ich liebte es.

Dann fuhr er mit seiner Hand von meinem Schenkel hinauf zu meinem, unter mein Hemd, meinen Rücken entlang, über meine Haut. Seine Finger waren kalt, aber das störte mich nicht. Er sollte mich einfach anfassen.

Er legte seine andere Hand um meinen Nacken. Seine Lippen waren so weich, sie schmeckten nach Schnaps und Traubensanft. Alles an ihm, wirkte betörend auf mich und Gedanken, die ich nie dachte, ich könnte sie denken, durchfluteten meinen Körper.

Wir waren so verrückt nacheinander, dass er sich die Jacke von den Schultern zog und seinen Körper fest an meinen presste.

Gott, es war abnormal wie sehr ich auf Harry stand. Auf alles an ihm. Die Art, mit der er mich küsste, wie er mich ansah, wie er mit mir sprach und wie er mir zeigte, dass er da war, wenn wir alleine waren.

Harry öffnete meine Hose und zog das Unterhemd heraus. Er wollte es mir gerade über den Bauchnabel ziehen, als er plötzlich inne hielt.

Ich blinzelte mit schwerem Atem. „Was hast du?"

Dann reagierte er schnell. Er zog mein Shirt wieder nach unten, zog seinen Revolver aus der Jacke, die auf dem Boden lag und drehte sich zur Tür.

Harry hielt mich dicht hinter sich, als auch ich die Schritte hörte, die uns näher kamen.

Mein Puls wurde noch schneller, auch wenn das kaum möglich schien. Ich war mir sicher ... jemand würde uns erwischen.

Die Tür öffnete sich und Harry lud nach. Seine Schultern bewegten sich schnell auf und ab, dadurch, dass er so angespannt war.

Ich kniff die Augen vor Furcht zu und wartete ab. Sollte Harry denjenigen erschießen, der hier auftauchte, wollte ich es nicht mit ansehen.

Aber dann sagte Harry: „Gott, Liam, bist du vollkommen wahnsinnig?"

Ich öffnete wieder die Augen und tatsächlich. Liam stand in der Tür und betrachtete uns mit großen Augen. Harry ließ die Waffe sinken und seine Anspannung verflog.

„Ich, ähm, das tut mir leid", sagte Liam überfordert. Er schien sofort zu merken, dass er zum falschen Zeitpunkt aufkreuzte. „Es ist ..."

„Ist etwas passiert?", fragte Harry ungeduldig. Seine Waffe legte er ab.

„Nein", antwortete Liam und sah überall hin, nur nicht zu uns. „Ich wollte nach euch sehen, da ihr schon so lange fort seid. Aber, äh, scheinbar geht es euch noch gut."

Harry brummte auf. „Ich sagte dir, es wäre nicht nötig nach uns zu sehen."

Deswegen nahm Liam wieder die Tür in die Hand und machte sich daran, sie zu schließen. „Du hast Recht, ich wollte nur auf Nummer sicher gehen." Er hatte die Tür schon fast vor sich geschlossen, als er noch durch den Spalt flüsterte: „Euch noch viel Spaß, ich war gar nicht hier."

Harry aber wartete noch ab, bis man Liams Schritte gar nicht mehr von hier hören konnte.

Und dann sagte ich: „Es hätte schlimmer kommen können."

Der schönste Mann der Welt, drehte sich zu mir um und ließ sich seufzend neben mich fallen. „Wenn ich ihm nicht schon vorher zwanzig Mal erklärt hätte, dass er nicht nach uns sehen müsste. Ich hätte es mir denken können."

Ich lächelte und legte mich auf die Seite. Ihn von hier anzusehen, war eine Schmach. „Es war trotzdem ein tolles erstes Date."

Auch Harry lehnte sich etwas zur Seite und legte seine Hand auf meine Taille, mit der er mich enger zu sich zog. „Wenn wir so weiter machen, werden die nächsten Wochen immer schwerer. Trottelige Soldaten, lange Tage, kurze Nächte, Pattons und weniger du."

Als er mich meine Hüfte fester anfasst, zucke ich zischend auf. Ich hatte den stechenden Schmerz in meiner Schusswunde zwar schon die ganze Zeit gespürt, konnte ihn aber ausblenden. Nun war er da.

Harrys Blick fiel darauf und er schob das Unterhemd ein Stück nach oben, meine Hose vorsichtig nach unten.

Ich musste den Atem anhalten, weil es so schmerzte.

„Wir müssen gehen", sagte er leise. „Du blutest."

Aber ich wollte nicht gehen. Ich wollte hier mit ihm bleiben. Noch die ganze Nacht, noch die nächsten Wochen und all die Jahre danach.

„Ich will nicht zurück", hauchte ich deswegen traurig.

Harry legte liebevoll seine Hand um mein Gesicht und küsste mich sanft auf die Lippen. „Ich will auch nicht gehen, aber wir müssen. Liam muss sich das sofort anschauen."

Deswegen gingen wir.

Nur ein kurzes Kapitel, aber ich muss jetzt die Sicht wechseln :D

My Own LiberatorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt