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Für die, die es nicht mitbekommen haben: Ich hatte Probleme mit meinem Laptop, deswegen konnte ich leider Gottes nicht schreiben, aber heute habe ich mir ENDLICH einen neuen zugelegt und jetzt macht das Schreiben vieeeel mehr Spaß als vorher, weil sich die Tasten einfach anfühlen, als würde ich mit Wolken schreiben und absolut NICHTS hängt und alles funktioniert und kacke, ey, heute kommt noch ein Kapitel!!!!!

Annemarie Dorner

Ich betrachtete mich im Spiegel und betete. Oh Gott, lass es ein guter Abend werden. Lass uns Spaß haben, lass alles so werden wie es einmal war. Und wage es dich, ihn mich anlügen zu lassen, wenn er sagt, dass er denkt, das Kleid seiner Mutter würde mir stehen.

Johanna hatte mir ein Kleid mit den Worten „hätte ich die Figur dazu, würde ich es noch tragen" herausgelegt. Es hatte den perfekten Weißton, lag eng um meine Hüften und hielt trotz kurzer Ärmel meine Schultern komplett frei. Ich hatte die Befürchtung, keines ihrer Kleider würde meinen Geschmack treffen, aber es stellte sich heraus, dass Johanna einen außerordentlich guten Geschmack für Mode hatte. Sie meinte, es sei ihr geheimes Hobby.

„Es ist viel zu freizügig", sagte ich unwohl und zupfte an den Ärmeln herum, die einfach nicht auf meine Schultern wollten. Dazu waren sie nun einmal nicht gemacht. „Findest du etwa nicht?"

„Keineswegs", meinte Johanna und lächelte mich durch den großen Spiegel in ihrem Schlafzimmer an. Sie saß auf dem Bett und legte den Rest ihrer Kleider, die ich anprobierte, zusammen. „Du siehst toll aus. Er wird es lieben."

Ich seufzte und ließ schließlich zu, dass meine Schultern nicht von Stoff bedeckt wurden. Es fiel mir schwer an diesem Abend zufrieden mit meinem Aussehen zu sein. Meine Haare lagen zwar so schön und offen wie schon seit einer Woche nicht mehr, mein Make-Up kaschierte meine Augenringe, doch trotzdem war da immer noch ein Gedanke in meinem Kopf: Das war nicht gut genug für Harry.

„Meinst du wirklich?", musste ich noch einmal nachfragen, al sich mich zu Johanna umdrehte. „Ich glaube, ich verliere jeden Moment die Nerven."

„Aber warum nur?" Sie erhob sich, stellte sich vor mich, lächelte mich an und strich mir mütterlich eine Haarsträhne hinter das Ohr. „Du hast gelesen, was er in dem Brief über die geschrieben hat. Er ist gerade wahrscheinlich noch aufgeregter als du."

Da Harrys Mutter und ich eine ganze Stunde alleine zusammen verbracht haben, hatten wir auch viel Zeit, um uns mal ausgiebig zu unterhalten. Ich erzählte ihr, dass ich ihren Brief vor zwei Wochen in Deutschland empfangen habe und unter welchen Umständen er durch die Welt geschickt wurde.

Als ich ihr den vielmals beschrifteten Umschlag zeigte, stiegen ihr heimlich Tränen in die Augen. Sie konnte nicht fassen, wie viel Glück wir hatten, dass so viele Menschen geholfen haben, diesen Brief an „Anne, ihr Sohns Wunder" zu schicken. Die Wahrscheinlichkeit, sagte Johanna, dass mich dieser Umschlag wirklich erreichen würde, war für sie so gering, dass sie ihn schon am nächsten Tag, nachdem sie ihn abschickte, vergaß. Sie hatte niemals damit gerechnet, dass ich irgendwann vor ihrer Haustür stehen könnte.

Und sie erzählte mir, dass sie Harrys Brief zerrissen und zerknüllt in der Sofaspalte fand.

„Das war zu einer Zeit, in der ich dachte, er würde sich aufgeben", sagte sie traurig. „Ich hatte jeden Morgen aufs Neue Angst, ihn erschossen in unserem Wohnzimmer aufzufinden. Mir blieb nichts Anderes übrig, außer diesen Brief loszuschicken."

Tatsächlich hatte sie diese Angst viele, viele Jahre. Sie meinte, er hätte sich in dem letzten dreiviertel Jahr gebessert, aber sie wusste, dass er nicht mehr viel über das sprach, was ihn belastete. Das tat er mal, aber zu dieser Zeit nicht mehr. Er sei nie ein Mann gewesen, der viel von seinen Gefühlen preisgab, aber dieses Verhalten hatte sich verschlimmert, seitdem er aus dem Krieg zurückgekehrt war. Die Wandlung, die er dadurch durchmachte, sei für Johanna ein großer Schock gewesen.

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