36.

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Es geht wieder täglich weiter! :) 

Harry

Letzte Nacht schlief ich sehr schlecht.

Meine Gedanken waren unkontrollierbar, schweiften im Minutentakt zu Annemaries blauen Augen und wie sie mich damit ansah, als ich gezwungen war, sie zu halten, als würde ich ihr wehtun wollen. In meinem Kopf startete ein Konflikt nach dem anderen. Ob es nicht zu gefährlich sei, ihr so nahe zu kommen, ob es sich rentierte und ob ich sie und mich dadurch in Gefahr bringen würde.

Und ja, es würde mich und vor allem sie in Gefahr bringen. Ich war egoistisch, sie so zu halten und zu riskieren, dass man ihr deswegen wehtun würde, aber ich war nun mal egoistisch. Jahrelang war ich in diesem Krieg. Sie rentierte sich so sehr.

„Eigentlich ein hübsches Mädchen", sagte Sergeant Pattons am nächsten Morgen, während wir der Truppe zusahen, wie sie ihre Zelte und Tasche zusammenpackten, damit wir weiterlaufen konnten.

Er erlaubte mir schon seit längerem Hilfe zu verweigern und den Zug zu bewachen, damit alles glattlief.

Aus dem Augenwinkel erkannte ich deutlich, dass sein Blick auf Annemarie lag, die in diesem Moment die Hände von einem Kumpanen verbunden bekam. „Sie ist groß und schlank", sprach er weiter, leckte sich daraufhin über die Lippen. „Ihre Brüste sind etwas zu klein für meinen Geschmack, aber ich bin mir sicher, man kann gut damit arbeiten. Findest du nicht?"

Ich erwiderte nichts. Es widersprach mir, so über Annemarie zu reden.

Pattons Kopf drehte sich zu mir. „Hörst du mir nicht zu? Ich habe dich etwas gefragt."

Schließlich war ich gezwungen, etwas zu antworten. „Sie ist nicht mein Geschmack."

„Nicht dein Geschmack, hm?" Er blickte wieder zu ihr. „Walt hat mir erzählt, dass er es kaum abwarten kann, sie endlich zu ficken."

Ich ließ mir keine Emotion anmerken, beobachtete nur weiter den Trupp und wie sich die Männer langsam sammelten.

„Aber ich bin mir noch nicht sicher, ob ich es ihm erlaube."

Nun wurde ich aufmerksam und sah Pattons an. „Wieso sollten Sie es ihm verbieten?"

„Nun, Harry." Pattons schnallte sich seinen Pistole um den Rücken und erklärte beiläufig: „Welches Mädchen lässt du zuerst sterben? Das, was du schon gefickt hast oder das, das du noch ficken willst?" Er sah mich an, als würde er meine Reaktion abschätzen wollen.

Aber mein Ausdruck blieb leer. Ich würde nicht behaupten, dass mich seine Aussage kränkte, nicht im Geringsten. Wenn er unterstützte, dass Walt Annemarie in Ruhe lassen würde, dann müsste ich mir nicht mehr Liams abwertende Blicke antun, die er mir zuwirft, wenn ich zusehe wie Walt sie anfasst, ohne etwas dagegen zu tun.

„Was sagst du?", fragt der Sergeant nach. „Ist das die richtige Entscheidung?"

Ich sah von ihm zu Annemarie, die gerade unsanft in Richtung der anderen Männer geschubst wurde. „Ich denke, Sie werden wissen, was Sie tun, Sergeant."

„Gute Antwort." Er griff gerade nach seiner Thompson, als seine Stirn sich streng krauste, derweil er etwas beobachtete. „Was tut dieser Idiot denn schon wieder da?"

Verdutzt blickte ich ihm hinterher, als er mit schweren Schritten auf Louis zustampfte, der sich gerade den viel zu großen Rucksack auf den Rücken hievte.

Mit einem Ruck schnappte sich Sergeant Pattons Louis am Kragen in seinem Nacken und zog ihn kräftig zu sich, sodass dieser aufkeuchte und gar nicht verstand, was passierte. „Was soll das werden, du verblödeter Vollidiot?", keifte Pattons ihn an und riss Louis den Rucksack hinunter.

Louis schaute wie ein wehrloses Hündchen zu ihm auf und versuchte nicht einmal seine Angst zu verstecken.

„Packst du so deine Tasche?", schimpfte Pattons weiter und zeigte auf den Rucksack, aus dem Louis Zelt noch wirr heraushing, sodass er ihn gar nicht sauber schließen konnte. „Was ist das? Willst du im Freien schlafen? Willst du das, Soldat?"

Schnell schüttelte Louis mit dem Kopf, man sah ihn schlucken. Alle schauten dabei zu wie Pattons ihn zu Kleinholz verarbeitete.

„Dann mach die Scheiße richtig!" Pattons gab Louis' Rucksack einen heftigen Tritt und alles flog heraus, samt Louis Unterwäsche.

So schnell Louis konnte, kniete er sich hin und sammelte alles hektisch auf. Es würde mich nicht wundern, würden jeden Moment seine Tränen fließen. Natürlich ging Pattons verhältnismäßig zu streng mit ihm um, aber der junge Soldat musste eben lernen, dass all dies kein Spaß mehr ist.

Pattons sah mit verzogenem Gesicht dabei zu, wie Louis hilflos auf dem Boden rumkroch und zum zweiten Mal seine Tasche packte. „Du bist kein richtiger Soldat", spuckte er dem kleinen Mann zu. „Du bist ein Niemand in diesem Platoon. Ein unwichtiger Bücherwurm und mehr nicht." Der Sergeant verengte seine Augen, als Louis mutig versuchte sich nichts anmerken zu lassen.

Aber ich wusste genau, wie weh ihm solche Worte taten.

„Wie konnte man dich in diesen Krieg schicken?", machte Pattons bösartig weiter und alle hörten zu. Auch Annemarie wurde aufmerksam, ich sah es genau. „Du machst nichts richtig, weißt nicht, wie man eine Waffe bedient und bist schwach. Schwach wie eine Ameise."

Louis zitterte, es war nicht zu übersehen. Und was auch nicht zu übersehen war, waren die erste Träne, die nun über seine Wange rinn.

Ich verzog den Mund. Ich hatte für ihn gehofft, er würde es durchstehen.

Denn jetzt hatte Pattons etwas zum Lachen. „Sieh dich an", feixte er laut und so übertrieben, dass er sich sogar den Bauch hielt. „Du weinst wie ein beschissenes Mädchen, du Jammerlappen."

Der halbe Trupp lachte mit Pattons.

Und schließlich wand sich der Sergeant endlich ab, trat ein letztes Mal Louis Rucksack aus seinen Händen, wodurch wieder die Hälfte herausflog. Er kam auf mich und sagte noch: „Der Krieg verschluckt immer zuerst die Schwachen. Sieh dich vor."

Pattons ging an mir vorbei, sprach mir ein Schnelles „Sieh zu, dass die Scheiße hier schneller erledigt wird" zu und machte sich dann in die Richtung der anderen Männer.

Ich seufzte schwer. Louis zuzusehen, wie er Tag für Tag von diesen viel größeren und viel stärkeren Männern gehänselt und an den Pranger gestellt wird, kann einen wirklich dazu bringen, ihn zu bemitleiden. Er ist ein netter Junge, leider bringt ihm das nichts.

Aber schließlich ging ich auf ihn zu und kniete mich zu ihm.

Er ging meinem Blick aus dem Weg und versuchte sich unbemerkt die Tränen von den Wangen zu wischen. „Ich heule nicht", krächzte er.

Ich griff mir seinen Rucksack und stopfte fest genug sein Zelt und seine Kleidung hinein. „Gewöhn dir das besser ab. Den Atem anhalten, das hilft meistens." Ich schloss ordentlich die Tasche und stellte mich gerade hin.

Louis tat es mir gleich und sah beschämt zu Boden. Sein Gesicht war noch ganz rot. Er wirkte wie ein kleiner Junge, wenn er so geknickt dastand. Und dieser kleine Junge gehörte nicht hier hin. Er gehörte nach Hause in seine Buchhandlung zu Kunden, denen er den ganzen Tag Geschichten über Bücher erzählen konnte. Ich hätte es ihm in diesem Augenblick so sagen sollen, aber ich tat es nicht.

Ich drückte ihm den Rucksack in die Hand. „Das nächste Mal einfach präziser arbeiten, dann passiert so etwas nicht nochmal. Okay?"

Traurig nickte er und schniefte. „Okay ..."

Ein leider sehr kurzes Kapitel, aber morgen geht es direkt wieder weiter und dann werden die Kapitel wieder länger :) Schön, wieder zurück zu sein. Ich hoffe, ich wurde noch nicht vergessen


My Own LiberatorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt