81.

7.9K 861 163
                                    

        Harry

Ich war schon seit Stunden wach, noch bevor Anne aufwachte. Sie lag neben mir, ihre dünnen Arme hatte sie um meinen Oberkörper geschlungen, ihr Gesicht war in meiner Brust vergraben. Ganz sanft spürte ich ihren warmen Atem auf meiner Haut. Ich strich ihr mit meinen Fingerspitzen über den blanken Rücken und schaute es aus dem Fenster, das viele Risse hatte.

Die Sonne ging gerade auf und ich wusste, wir müssten uns demnächst auf den Weg zurück ins Lager machen. Liam hielt zwar die Stellung, aber darauf anlegen, wollte ich es nicht. Egal, wie gerne ich den ganzen langen Tag mit ihr hier gelegen hätte. Wir waren ein hohes Risiko eingegangen, indem wir in diesem Hotel übernachteten. Ein scheiße hohes Risiko.

Irgendwann seufzte Anne und ich sah zu ihr hinab. Verirrte Strähnen fielen ihr ins Gesicht, sie war solch eine hübsche Frau, auch wenn sie gerade erst aufwachte.

Ich wollte immer neben ihr aufwachen, genauso.

„Ein Wunder", flüsterte ich ihr zu. „Du bist wach."

Sie blinzelte noch total verschlafen und ich küsste sie, noch bevor sie etwas sagen konnte. Ich hatte sie die halbe Nacht immer wieder heimlich an so manchen Körperstellen geküsst, während sie schlief. Ich konnte es nicht unterlassen.

Anne schmunzelte, ihre Augen waren noch geschlossen. „Ich glaube, ich träume noch."

Ihre Worte schmeichelten mir und ich küsste ihre Stirn. „Absolut nicht. Aber wir müssen uns wieder auf den Weg machen."

„Ich will nicht", murmelte sie und presste sich wieder fest an mich. „Liam meinte, wir müssten erst gegen Mittag zurückkommen."

Auch wenn es mir schwer fiel, sagte ich: „Nein, das geht nicht. Umso früher umso besser, die ersten werden schon jetzt wach sein."

Anne seufzte schwer und sah zu mir hinauf. „Ich kann dich also nicht überreden?"

„Keine Chance."

Daraufhin ließ sie mich los, schlug die Decke von ihrem Körper und setzte sich auf die Bettkante. Sie trug noch immer keine Kleidung, weswegen ich nicht anders konnte, als auf ihren Hinter zu sehen, während sie aufstand und zum Fenster lief, als wüsste sie nicht, dass sich jeder Mann bei diesem Anblick nicht beherrschen könnte.

Ihr blondes Haar fiel ihr über den Rücken, ihre helle Haut war makellos.

„Du bist ein Biest", sagte ich und meine Mundwinkel hoben sich. Schon damals wusste sie, wie sie mit ihrem Körper spielen konnte, um mich schwach zu machen. Ich stand auf und stellte mich hinter sie, derweil sie aus dem Fenster blickte.

Meine Hände ließ ich über ihre nackten Seiten, ihren Bauch, fast bis nach unten zu ihrer Mitte wandern. Sie zu berühren war eines der angenehmsten Sachen, die ich in all den Jahren im Krieg erlebte.

Sie legte ihren Kopf schief, als ich ihre Halsbeuge küsste. „Trotzdem werden wir gehen müssen."

Anne lehnte sich gegen mich und schloss die Augen. Sie genoss die Berührungen genauso wie ich es tat. „Ich bin so froh, dass ihr uns mitgenommen habt."

Bei dieser Aussage, hielt ich inne. Anne sollte so etwas nicht sagen. Sie sollte nicht froh sein, all diese schrecklichen Dinge erleben zu müssen, nur um mich zu kennen. Aber ich erwiderte nichts darauf. Wenn ich sagen würde, ich wäre ebenfalls roh darüber, ihr ihre Mutter genommen, Annel vergewaltigt lassen zu haben, Anne hunderte von toten Männern gesehen zu haben, dann wäre das eine Lüge. Ich liebte sie, aber ich hätte ihr gerne so vieles erspart.

Mit einem Mal vernahm ich mir allzu bekannte Geräusche. Motoren brummten, Männer schrien und Fußschritte waren deutlich zu hören.

Ich hielt den Atem an, als ich die mächtige lange Kette an deutschen Soldaten sah, die gerade ihre Marsch durch die Stadt machten. Vorne ran fuhren die Offiziere in den Autos. Die Söldner hatten keine Waffen auf den Schultern, deswegen nahm ich an, sie trommelten nur ihre Leute zusammen.

My Own LiberatorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt