74.

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Harry

Der Zog packte alles zusammen, um den Marsch fortzusetzen. Keith hatte kein Wort mehr mit mir gesprochen, genauso wie Joseph und Liam. Liam war der Einzige, bei dem ich mir sicher war, er tat es nicht aus Boshaftigkeit, sondern weil er beschäftigt war.

„Brauchst du noch etwas, bevor wir losgehen?", fragte ich Annel, die sich gerade meine Jacke überzog.

Sie schüttelte nur mit dem Kopf. Auch sie sprach nicht mit mir.

„Okay."

Ich sah mich in der Truppe nach Anne um, konnte sie aber nicht ausfindig machen.

Und dann hörte ich auch schon Pete fluchen, der hinter mir stand. „Was zur verfickten ... Hölle?"

Ich folgte seinem starrem Blick und direkt wurde es still im kompletten Platoon.

Eine Gruppe an deutschen Soldaten war zu erkennen, weit hinten im Feld. Es waren nicht viele, vielleicht zwanzig.

Alle griffen nach ihren Waffen, ich ebenso. Ich stellte mich vor Annel.

„Niemand schießt!", lautete Sergeant Josephs Befehl, der konzentriert beobachtete, wie die Nazis näher kamen. Auch ihm fiel auf, dass deren Vordermann einen langen Ast mit einem weißen T-Shirt daran gebunden in die Luft hielt.

„Was soll das?", sagte Pattons, dessen Augen zusammengekniffen waren. „Sie denken, nur weil sie eine weiße Fahne in die Luft halten, dass wir sie nicht töten?"

„Sie ergeben sich", stellte nun auch Sergeant Harris verwundert fest. „Warum?"

„Sie wissen, dass sie keine Chance hätten", sagte Joseph.

„Wenn sie nah genug sind, werden wir schießen", sagte Pattons herrisch.

Der ganze Trupp wurde nervös. Alle, bis auf die, aus unserem alten Platoon. Ich hörte Männer flüstern, dich sich fragten, warum wir die Nazis denn erschießen sollten. Das sei nicht nötig, wenn sie sich doch ergaben.

Ich hörte nicht hin. Für solch ein schwachsinniges Gerede hatte ich keine Zeit.

„Wir werden schießen, wenn ich das Befehle", erwiderte jedoch Joseph auf Pattons Befehl. „Nicht früher und nicht später."

„Was?", knurrte Pattons und stellte sich weiter vor mich zu Joseph. „Sie sind ..."

„Halten Sie einmal die Klappe, Sergeant Pattons", unterbrach Joseph ihn ruhig und steckte seine Waffe weg, als die Deutschen immer näher kamen. „Wir werden uns anhören, was sie zu sagen haben."

Pattons' Kopf wurde rot vor Wut. „Sie verdammter Idiot. Wir werden ..."

Eine andere Stimme bekam meine Aufmerksamkeit. Keith gesellte sich neben mich und sah geradeaus. „Was wird gleich passieren?", fragte er mich. Er klang nachdenklich und es war deutlich, dass er versucht war, seine Nervosität zu verstecken. Alleine für den Versuch bekam er einen Funken Respekt meinerseits.

Ich sah nach Annel, die eingeschüchtert hinter meinem Rücken hervor sah. „Wir werden herausfinden, ob sie kooperieren oder nicht."

„Und wenn sie es tun?"

„Dann nehmen wir sie gefangen."

„Und wenn nicht?"

„Werden wir sie erschießen."

Keith schluckte schwer. Erst jetzt fiel mir auf, dass er den Revolver, den ich ihm vorhin erst gab, fest in seiner Hand hielt. Er hörte also auf meine Worte.

My Own LiberatorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt