105.

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Bald haben wir es geschafft, Mädels.

Harry

Ich holte tief Luft, als ich mich hinter die Tür stellte und wartete. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis Dorner die Tür wieder öffnen würde. Aber diesmal beruhigte ich mich. Ich hatte schon eine Menge gefährliche Situationen überwunden, diese hier war nichts Neues für mich.

Ich musste mich wieder in die Rolle des amerikanischen Soldaten hineinfinden. Ohne würde ich Anne und mich hier niemals herausholen können.

Ich schloss für drei Sekunden die Augen, als ich hörte, wie Dorner den Schlüssel zurück in das Schloss schob und drehte. Meinen Revolver hielt ich fest in meiner Hand. Ich hatte noch zwei Schüsse.

Die Tür öffnete sich langsam und kam mir immer näher. Ich hörte genau Dorners vorsichtige Schritte, als er das Zimmer betrat.

Er sagte etwas, aber das Einzige, das ich verstand, war „Annemarie". Und er klang gereizt. Doch das war gut so. Denn ich war es auch.

Mittlerweile war Dorner schon so weit im Zimmer, dass ich seinen Rücken sehen konnte. Er war kleiner als ich, das konnte ein Vorteil sein.

Anne betrat hinter ihm das Zimmer und sah sich ängstlich um. Ich wartete auf den richtigen Zeitpunkt.

Wieder sprach Dorner etwas, dann Anne.

Und als er sich gerade in meine Richtung drehen wollte, machte ich einen Schritt nach vorne, schnappte mir Anne und trat die Tür zu. Er erblickte mich, als ich Anne bereits meinen Arm um den Hals geschlungen und die Waffe zu Dorner hielt.

Er sagte etwas auf Deutsch, was wie Fluchen klang. Worauf ich raunte: „Was ist? Haben Sie Ihre Muttersprache verlernt?"

Dorner wurde leichenblass, als er auf die schwer atmende Anne in meinen Armen sah und dann zurück zu mir. Allerdings setzte er schnell wieder eine ernste Miene auf. „Wer bist du? Einer von Pattons Männern?"

„Ganz Recht", antwortete ich und versuchte möglichst ruhig zu bleiben. Man durfte uns im Flur unter keinen Umständen hören. „Und wenn Sie Pattons kennen, wissen Sie auch, was ich jetzt tun sollte, um ihn stolz zu machen."

Er schluckte beinahe unmerklich, behielt aber seine aufrechten Schultern. „Jeder würde es hören, würdest du mich hier und jetzt erschießen. Und dann wärst du der Nächste."

„Ich bin ein aufopferungsvoller Mann", erwiderte ich. „Und mein Leben für das eines verratenen Vaterlandes klingt wie ein Märchen, wenn ich genau darüber nachdenke."

„Warum hältst du dann meine Tochter fest, wenn du doch mich töten willst?"

„Weil ich bereit bin zu verhandeln."

Seine Augen wurden zu Schlitzen. „Inwiefern?"

Nun hielt ich den Revolver an Annes Schläfe, sie jedoch blieb ruhig, wie ich es erwartet hatte. Mittlerweile wusste sie, ich würde ihr niemals wieder etwas antun. „Das Leben ihrer Tochter für Ihres." Als Dorner sofort protestieren wollte, fügte ich noch hinzu: „Oder Sie zeigen uns beiden, wie wir hier rauskommen."

Ihr?", wiederholte er skeptisch. „Du und meine Tochter?"

„Ich würde nicht zögern sie zu erschießen, allerdings spreche auch nichts dagegen, sie mitzunehmen. Sie haben die Wahl."

Ein paar Augenblicke starrte Dorner mich wortlos an. Seine blauen Augen glichen denen von Anne. Es war erschreckend, wie ähnlich und gleichzeitig verschieden sie doch waren.

„Du hast ja keine Ahnung, wer gerade vor dir steht", sagte Dorner scharf. „Ich könnte rufen und sofort würden dich hunderte an deutschen Männern umlegen."

My Own LiberatorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt