Annemarie
Im ersten Moment, verstand ich noch nicht, was all dies bedeutete, was mein Vater in diesem Brief verfasste. Seine Worte erschienen mir im ersten Moment fremd. Aber nur im ersten Moment.
Deswegen saß ich viele Stunden und Minuten trostlos im Lager und dachte an meinen Vater. Ich erinnerte mich an die Art, mit der er uns erzog. Er war streng, aber noch immer mein Vater, der mich liebte. Oft erzählt er Annel und mir Geschichten, wie er als Jugendlicher die halbe Welt bereiste und dass er alles gegeben hätte, um uns ein normales Leben zu ermöglichen.
Heute dachte ich, dass all dies Lügen gewesen sein mussten.
Denn mein Vater ... Wäre er nicht Papa, würde ich ihn als eine abscheuliche Kreatur bezeichnen.
„Dein Vater hat tatsächlich Behindert gekillt, weil er sie von Grund auf scheiße fand", sagte Walt noch über ihn. „Ist das nicht absolut zum Totlachen? Nicht, dass er das tat, aber dass du dachtest, dein Vater wäre einer der Guten."
Walt meinte, sie hätten den Brief und noch viele weitere Sachen bei uns Zuhause gefunden. Sie hatten sein Büro durchsucht, als sie unser Haus stürmten. Er hatte mir Bilder gezeigt, auf denen Vater vor einem großen Steinhaus stand, das umzäunt war. Mit ihm waren mehrere Männer mit Uniformen.
Er lächelte in die Kamera. Es war der Tag seines Dienstbeginns.
In dem Haus hinter ihm wurden Menschen geschändet und qualvoll getötet.
Ich erinnerte mich noch genau an den Tag, an dem mein Vater uns erklärte, er müsse ab sofort nach Polen. Er hatte dort einen neuen Job. Viele Monate müsse er fortgehen.
Ich fragte mich, ob meine Mutter davon wusste. Und ob sie dafür oder dagegen war. Hatte sie gleiche Ansichten wie mein Vater?
Viele in der Truppe schliefen bereits Es war dunkel, nur noch hier und da brannte ein Feuer. Lichter in Zelten waren zu sehen, man hörte die Männer leise miteinander sprechen.
Nur ich saß vor einem nur noch glühenden Feuer und sah in den schwarzen Himmel über mir. Ob meine Mutter nun eine von denen Sternen war? Oder Papa? Ich wartete auf eine Sternschnuppe, die mir dies beweisen sollte, aber nichts kam.
Stattdessen hörte ich, wie jemand auf mich zugelaufen kam. Die Schritte waren ruhig, es konnte nicht Harry sein. Ich erkannte seinen Gang auf Anhieb.
„Lust auf Gesellschaft?", fragte dieser jemand. Louis.
Ich legte mich in die Wiese auf den Rücken. „Ich war jetzt lang genug alleine."
Louis legte sich neben mich. „Ich habe gehört, was Sergeant Pattons von dir verlangt."
„Lass uns nicht über den Krieg sprechen."
„Ich denke an nichts anderes mehr."
„Ich auch nicht."
Wir seufzten beide schwer.
„Ich habe Kevin letzte Nacht masturbieren gehört", sagte Louis, als wäre es das Grauen.
„Um Himmels Willen, warum sagst du mir das?"
„Weil es auf mir lastet und mit niemandem, außer dir, darüber reden möchte."
„Ach du Schande."
„Er hat ziemlich befremdliche Dinge dabei gesagt", sprach er angewidert weiter.
„Was denn zum Beispiel?" Warum fragte ich ihn so etwas? Scheinbar war Ablenkung mir sehr wichtig.
„Er hat ständig gesagt, dass "Roxy" so schöne Haare hat. Und als er gekommen ist, meinte ich, ein leises Bellen vernommen zu haben."
„Du weißt auch noch, wann er gekommen ist?"
„Er hat es selbst gesagt. Oh ja, ich komme, Roxy."
„Louis, ich werde Kevin nie wieder in die Augen sehen können."
„Ich gehe ihm schon den ganzen Tag aus dem Weg."
Wir lachten. Nicht laut und nicht lange, aber wir taten es.
Dann folgte die Ruhe, die eintrat, nachdem man sich amüsierte und man Begriff, wo man eigentlich war. Und das Lachen nicht angebracht war.
„Du solltest schlafen gehen", äußerte Louis sich leise. Er drehte seinen Kopf zu mir. „Du siehst nicht gut aus."
„Selbst wenn ich es wollen würde, könnte ich es nicht." Auch ich drehte mein Gesicht zu ihm. Wir waren uns nahe. „Ich finde, du solltest schlafen gehen."
Louis lächelte. Er hatte ein schönes Lächeln. Solch eines, das dich sofort aufbaut. Und eines, das niemals gefälscht oder von irgendwem nachgemacht werden könnte. Es war einzig und alleine Louis' Lächeln. „Ich bin Söldner, du die Gefangene. Ich befehle dir, schlafen zu gehen."
„Ich wette, ich bin stärker als du."
„Oh, das wette ich auch."
Ich schmunzelte ebenfalls. „Ich bin froh, dass du hier bei uns bist."
Seine Augen waren so rein und so ehrlich, dass ich fast Angst bekam, er würde meine ebenfalls so schön finden.
„Lass uns gemeinsam gehen", schlug Louis vor und unterbrach den Augenkontakt. Er richtete sich auf. „Dann lässt keiner den anderen alleine und steht als Volldepp da."
Ich stimmte zu und wir gingen zusammen zu unseren Zelten. Seines war ein bisschen weiter von meinem und Annels, aber er begleitete mich zu meinem.
„Das mit Kevin bleibt unser Geheimnis, ja?", fragte er mich noch.
„Versprochen. Gute Nacht."
„Schlaf schön, Anne."
UUUUltra kurzes Kapitel, aber ich muss euch halt erst 'ne Frage stellen, bevor es morgen weiter geht! Es wird im nächsten Kapitel romäntisch, deswegen will ich unbedingt wissen, ob ich es aus Harrys oder Annes Sicht schreiben soll? Kann mich nicht entscheiden! :D
DU LIEST GERADE
My Own Liberator
Fanfiction"Wir hätten es fast überstanden. Fast wärst du Mein gewesen, fast hätten wir unser Leben geteilt, fast hätte ich dich festhalten können. Und nun bricht dieses 'Fast' für immer mein Herz." Die Geschichte eines amerikanischen Soldaten, der wäh...