136.

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Harry

Anne lag noch schlafend in meinem Arm, als ich blitzschnell aufschreckte. Es war stockdunkel, ich vernahm Geräusche, die mir nicht suspekt waren.

„Harry?", murmelte Anne schlaftrunken und hob ihren Kopf, da stand ich schon kerzengerade im Raum und hatte das Licht auf dem Nachtschrank angeschaltet.

Da waren sie schon wieder, diese Geräusche, als krame jemand wild in unserer Küche herum. Meine Mutter konnte es nicht sein, sie würde stets versuchen, sich zu ruhig zu verhalten. Lisbeth und George ebenso.

„Bleib liegen", befahl ich Anne ruhig. „Ich werde kurz nach unten gehen."

Ich öffnete leise die Tür und sie fragte: „Stimmt etwas nicht?"

Aber ich gab ihr keine Antwort mehr, sondern ging leichtfüßig die Treppen hinunter. Erst als ich schon am Türrahmen der Küche ankam, fiel mir ein, dass ich mir den Revolver, den ich Georges Zimmer versteckte, hätte nehmen sollen.

Ich war froh, dass meine Mutter sich kurzfristig entschieden hatte, bei Lisbeth zu schlafen.

Allerdings erklärte sich die Situation schnell, als ich ein leises Fluchen aus der Küche hörte. „Gottverdammter Bullshit", klang es eindeutig nach Willis Stimme.

Ich war noch wütender als zuvor, wie ich die Küche betrat und ihn gerade unseren Kühlschrank schließen sah. Er torkelte, hielt meinen Whiskey in seiner Hand. Sein Finger blutete, Scherben lagen auf dem Boden.

„Was, zur verdammten Hölle, suchst du hier?", machte ich endlich auf mich aufmerksam und musterte ihn abfällig. „Hast du deinen letzten Anstand verloren?"

„Anstand?", wiederholte Willis glucksend und ließ die Flasche unsanft auf dem Holztisch fallen. „Ich habe mehr Anstand als du vermuten magst."

„Daran zweifle ich stark." Ich ging auf ihn zu und riss ihm den Whiskey aus der Hand, worauf ich ihm einen warnenden Blick zuwarf und zischte: „Das ist meiner."

Während ich den Alkohol zurück in das oberste Fach des Kühlschranks stellte, nuschelte er: „Natürlich ist es deiner."

Am liebsten hätte ich Willis gepackt und ihn gnadenlos aus meinem Haus geschmissen, aber ich wollte niemanden wecken und nicht für Unruhe sorgen.

„Weißt du", sagte Willis, der sich an einen der Stühle lehnte und ich mich umdrehte, „dein Vater hatte auch ein Alkoholproblem."

Ich verschränkte die Arme. „Ich war sein Sohn, ich weiß, was für Probleme mein Vater hatte."

„Natürlich, natürlich", wisperte er und nickte verständnisvoll. „Aber du scheinst mein Problem nicht zu verstehen."

Ich konnte es nicht abwarten, bis er mir von seinem beschissenen Problem erzählte. Verdammt, ich wollte zurück zu Anne und nicht in dieser Küche stehen, um mit einem alten, verbittertem Mann Konversation zu betreiben.

Dann zeigte Willis auf mich grinste wie ein Betrunkener. „Du. Du bist mein Problem."

Unbeeindruckt neigte ich den Kopf. „Auch das wäre mir nicht neu."

„Nein, nein, nein, du verstehst es nicht. Du bist der Mann im Haus."

„Ganz recht."

„Aber ich bin auch ein Mann, Harry", redete er mit schwerer Zunge weiter. „Und ich gehöre seit vielen Jahren zu diesem Haushalt. Ich habe mich um deine Mutter gesorgt, als du fort warst, ich habe ihre Hand gehalten, wenn sie die ganze gottverdammte Nacht geheult hat und einfach nicht aufhören wollte. Gott, sie war so unendlich anstrengend und ..."

My Own LiberatorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt