Harry
In meinem Kopf brachen so viele Türme und Mauern ein, dass ich dachte, mein Gehirn würde mich auf der Stelle umbringen. Ich konnte mich nicht auf meinen sofort einsetzenden Kopfschmerz konzentrieren, ich konnte mich nicht einmal auf das Hier und Jetzt konzentrieren.
Mir wurde kotzübel, als ich Nialls Oberkörper schnell aufrecht zog und verzweifelt sein blutbeschmiertes Gesicht betrachtete. „Niall", sagte ich mit schwacher Stimme und erst jetzt bemerkte ich, dass ich mich jeden Moment verlieren würde. „Niall, komm schon, tu mir das nicht an. Du bist alles, was ich noch habe."
Ich schlug ihm sachte gegen die Wangen, rüttelte an seinen Schultern, aber er regte sich nicht. Sein Kopf hing nur schwach hinab.
„Nein!", begann ich zu schreien und rüttelte noch fest an seinen Schultern. „Du kannst mir das nicht antun, verdammt!"
Dennoch war es aussichtslos und das musste ich schnell begreifen. Das Blut schoss nur so aus seiner Schläfe und floss über meine rechte Hand.
Es war ein Schock, den ich nie zuvor erlebte. Ich sah das Blut auf meiner Hand und mir wurde noch schlechter.
Rückwärts robbte ich von Niall weg und kam mit Schwung an einem Baum an. Wahrscheinlich hätte dieser Aufprall mir Schmerzen bereitet, würde ich noch etwas anderes fühlen als Trauer.
Ich wollte es nicht wahrhaben, als ich Niall mit beschleunigtem Atem ansah. Wie er dort saß. Und wie er mich zurückgelassen hatte.
Plötzlich passierte etwas in meinem Kopf. Ich dachte an so viele Dinge. Ich dachte an Afrika, wie wir dort monatelang verbrachten und Menschen töteten. Wie wir in Frankreich Zivilisten erschossen, wie unsere Freunde verbrannten und wie Bomben über unseren Köpfen explodierten.
Ich dachte daran, welch Leid ich bereits gesehen und erfahren habe.
Und welch Leid ich gerade erfahre. Wie alleine ich ab sofort sein sollte. Und wie nie wieder etwas so sein wird, wie es vor vielen Jahren einmal war.
Wie Liam, Niall und ich uns damals in Amerika versprachen, dass wir lebend wieder zurückkommen werden. Und wie nichts davon noch von Bedeutung war.
Und was wirklich aus uns geworden war.
Ich wusste nicht, was ich tat, als ich mir den Revolver in Nialls Hand griff.
Wie soll ich jemals über all dies hinweg kommen? Das war die größte Frage in meinem Kopf.
Ich lud den Revolver nach, ohne zu denken. Dann hielt ich ihn mir an den Kopf.
Ich schloss die Augen.
Ich wollte abdrücken, ich wollte es so sehr.
Aber ich hielt mich zurück. Mein Innerstes spielte verrückt, als ich den Revolver eilig entlud und die letzten drei Kugeln im Laub verschwinden ließ, die Waffe direkt hinterher.
Meine Hände waren so zittrig, meine Gedanken so durcheinander. Mein Kopf drönte so enorm, ich musste ihn mir halten, weil ich dachte, er explodierte sonst.
Ich spürte, ich musste irgendetwas tun. Schreien, rennen, weinen, irgendetwas. Mich überkam das Gefühl, zu hyperventilieren, als ich mir die Hände über den Mund hielt, um mich wegen etwas zu beruhigen, das es nicht verdient hatte, damit ruhig umzugehen.
Als ich Nialls Blut an meiner Hand roch und spürte, das es mir nun im Gesicht klebte, kam mir die Galle hoch. Ich würgte, schaffte es aber, mich nicht zu übergeben.
Nein, es machte keinen Sinn, dachte ich mir und wühlte wild im Laub umher. Ich suchte eine Kugel und wurde schnell fündig. Sie fiel mir beinahe aus der Hand, als ich den Revolver wiederholt nachladen wollte, aber ich schaffte es.
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My Own Liberator
Fanfiction"Wir hätten es fast überstanden. Fast wärst du Mein gewesen, fast hätten wir unser Leben geteilt, fast hätte ich dich festhalten können. Und nun bricht dieses 'Fast' für immer mein Herz." Die Geschichte eines amerikanischen Soldaten, der wäh...