92.

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Harry

Ich hielt mir die Hände über die Ohren, um die Schläge der Panzergranaten, die gegen die Hauswand donnerten, hinter der ich mich mit Niall und Keith versteckte, abzudämpfen.

Pete hatten wir schon vor zwei Stunden verloren. Er wurde nicht erschossen, konnte sich aber nicht an uns halten.

Wir kämpften uns seit einer gefühlten Ewigkeit durch die Kugeln und Granaten der Deutschen. Wir hielten uns stets in den Obergeschossen der Häuser und schossen von dort auf sie. Was aber nicht bedeutete, dass wir hier sicher waren, keineswegs. Es waren noch immer Deutsche in den Häusern, die es zu töten galt. Und nicht immer war es leicht, denn jeder von ihnen, schien aufgeputscht zu sein. Irgendetwas stimmte mit diesen Männern nicht.

Irgendwann dachten wir, die Nazis hätten sich zurückgezogen, als es still wurde. Aber wir sollten uns irren. Und das mit Anlauf.

Sie fuhren mit insgesamt sieben Panzern vor.

Und seitdem versteckte sich meine komplette Truppe vor ihnen. Eingeschlossen Niall, Keith und ich. Wir saßen in einer zerstörten Wohnung im Obergeschoss und pressten uns – auf dem Boden sitzen unter die Fenster.

Die Granaten schossen beinahe im Sekundentakt gegen die Wände, die so langsam anfingen, einzureißen. Uns fielen Steine auf die Köpfe, der Staub, der durch die Attacken entstand, erschwerte uns die Sicht und das Atmen. Zwar hatte ich in den ersten Minuten versucht, weiterhin aus dem Fenster zu schießen, um die Panzerführer zu treffen, aber wir hatten keine Chance. Es war zu gefährlich.

„Niall!", schrie ich über den Lärm der Einschläge zu meinem Freund, der genauso eingekauert wie ich in der Ecke des Raumes saß. „Es macht keinen Sinn!"

„Was hast du am Kinn?", brüllte er lauthals zurück.

Es schlug erneut heftig ein, sodass ich den Kopf einziehen musste. Mittlerweile war ich mir sicher, war mein Gehör zu nichts mehr zu gebrauchen.

„Wir müssen hier raus!", rief ich. „Die werden die Häuser zum Einstürzen bringen, wenn ..."

Ein weiterer Einschlag, diesmal aber nicht gegen die Wand, sondern durch das Fenster hindurch, wodurch der Kamin explodierte, der noch im Raum stand. Mich trafen Steinsplitter, irgendwo riss meine Haut auf, es wurde mit jedem Moment heißer.

„Scheiße!", stieß ich hustend aus, als der Staub immer dichter wurde.

Ich vernahm Keiths Husten und suchte durch die grauen Wolken nach ihm. Er kam aus einem anderen Raum gekrochen und hielt sich den Arm vor den Mund. Schnell tastete ich nach meiner Thompson und stand mit ihr auf. Das erschwerte Atmen schwächte uns.

„Los, aufstehen!" Ich lud meine Waffe nach und nutzte die freien dreißig Sekunden bis zum nächsten Schlag. „Nehmt eure Waffen und dann verschwinden wir!"

Als Niall und Keith sich aufrappelten, bebte das Haus zum hundertsten Mal. Die Explosion war so stark, dass wir alle drei zu Boden gewuchtet wurden.

Und plötzlich begann der Untergrund zu zittern. Steinchen sprangen in die Luft, Keith starrte mich panisch an.

Ein lautes Krachen ertönte und rechts von uns entstand ein riesiges Loch im Boden. Sie mussten es geschafft haben, das Untergeschoss zu zerbomben.

Und nun sollten wir den Boden unter unseren Füßen verlieren.

Heilige, verfickte, scheiße.

Ich reagierte schlagartig und zog Keith auf die Beine.

„Raus!", brüllte ich und schubste Keith in Richtung des anderen Zimmers, obwohl ich nicht einmal wusste, ob uns das helfen würde. „Niall, komm schon, los!"

My Own LiberatorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt