Kapitel 4

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Don't Wanna Know - Maroon 5 & Kendrick Lamar

Meghan Moore, Samstag, 17. Juli, London Borough of Hunslow

»Ich glaube...«, verkündete Harvey mit einem überaus zufriedenen Gesichtsausdruck, während er Diana strahlend anlächelte. »Dass unsere Arbeit hiermit getan ist.«

Vor uns dreien stand das letzte Objekt meines spärlichen Mobiliars, ein aus massivem Kiefernholz gefertigter Kleiderschrank, den ich schon besaß, seit ich denken konnte. Letztes Jahr war ich versucht gewesen, mich endgültig davon loszueisen, und mir von meinen Ersparnissen einen neuen zu kaufen, doch ich hatte es bis jetzt nicht übers Herz gebracht. Dieses Möbelstück hatte mich durch meine Kindheit begleitet, und wurde zu einem Teil von mir. Ich war kein Mensch, der sich leicht von irgendwelchen vertrauten Dingen trennte... Wenn man von David, meinem Langzeitfreund, einmal absah.

Diana warf Harvey einen leicht gereizten Blick zu, worauf sie demonstrativ gähnte.
»Ich werde mich dann jetzt...«

»Was?«, entfuhr es mir. »Schlafen legen?«

»Was ist daran so ungewöhnlich?«

»Na ja, ich dachte, dass du uns vielleicht in eine Bar...oder einen Club begleiten würdest. Ich lade euch ein. Als kleines Dankeschön für eure Hilfe«, erklärte ich ein wenig enttäuscht über die schlechte Laune meiner Schwester. Normalerweise war sie der Partymensch schlechthin.

»Es tut mir leid.« Sie trat an mich heran und drückte sanft meine Schulter. »Das holen wir nach, versprochen. Aber heute habe ich wirklich keine Lust mehr in die Disko zu gehen.«

Ich wollte gerade protestieren, dass ich eine Disko gar nicht im Sinn hatte, als Harvey sich in unsere Unterhaltung einmischte. »Nimm ihr das nicht übel«, sagte er zu mir und zwinkerte verschwörerisch. »Die Gute wird eben auch nicht mehr jünger.«

Diana schnappte entrüstet nach Luft. »Was erlaubst du dir? Ich bin fünfundzwanzig!« Sie klang regelrecht schockiert über die Dreistigkeit meines besten Freundes. Ich fand das Ganze eigentlich ziemlich lustig, denn ich kannte Harvey gut genug, um zu wissen, dass er sie mit seinen Worten lediglich dazu bringen wollte, ihre Meinung zu ändern.

Mit Erfolg, wie es schien. Man konnte förmlich sehen, wie sie sich innerlich umentschied. Aber sie sagte nichts. Noch nicht.

»Na ja, du weißt doch, wie das ist«, sinnierte er unbekümmert weiter, so, als würde er nichts von ihrer Bestürzung mitkriegen. »Ab fünf wird aufgerundet, stimmt's? Und was lernen wir daraus? Ach ja, dass du praktisch dreißig bist. Genieße deine Jugend, solange du noch kannst.«

»Du bist wirklich widerwärtig«, brummte Diana aufgebracht, die Arme vor der üppigen Brust verschränkt, um die ich sie immer beneidet hatte. Aber das war nun wirklich nicht der richtige Moment für einen solchen Gedanken. »Ich verstehe beim besten Willen nicht, wieso ich mich damals auf dich eingelassen habe.« Und wieder dieselbe Leier. Ich verdrehte die Augen.

»Das könnte ich dir detailliert erklären«, entgegnete Harvey arrogant. »Aber ich fasse deine damalige Situation jetzt einfach einmal für alle Anwesenden zusammen. Du warst jung, einsam und so bedürftig... Und dann kam dir der Gedanke, dass du nicht immer jung sein würdest. Nein, unterbrich mich jetzt nicht!«, rief er, bevor meine Schwester seinen wunderschönen Vortrag zerstören konnte. Er räusperte sich vernehmlich und hob das Kinn. »Da kam Harvey Chavel, der schönste Mann im Land, des Weges und du wolltest die wohl letzte Gelegenheit ergreifen, die sich dir bieten würde, wo du doch wusstest, dass ich ein ausgezeichneter Liebhaber bin.«

»Nimm den Mund nicht zu voll«, keifte Diana mit einem zuckersüßen Lächeln im Gesicht. »Du warst ganz gewiss nicht der letzte Kerl, dem diese große Ehre zuteil wurde...«

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