Kapitel 11

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Haunted - Beyoncé

Meghan Moore, Montag, 19. Juli, Jeffrey-Charles & Sons

Mein erster richtiger Arbeitstag.

Ich legte den Kopf in den Nacken, um meinen neuen Arbeitsplatz genauer in Augenschein nehmen zu können, während ich versuchte, all das aggressive Gehupe der Autos und Taxen auszublenden, die mit Vollgas über die Straße bretterten. 

Das Gebäude war erschreckend groß und luxuriös. Als ich mich vor wenigen Monaten für eine Stelle in der Grafikabteilung beworben hatte, wusste ich nur, dass Jeffrey –Charles & Sons ein wirklich erfolgreiches und zielorientiertes Unternehmen sein sollte. Die Bilder, die ich mir flüchtig angesehen hatte, wurden dem wahren Erscheinungsbild in keinster Weise gerecht. Aber was hatte ich erwartet? London war die verdammte Hauptstadt von England – eine kleine Werbeagentur mit wenigen Angestellten und noch weniger Raum würde sich gegen all die Konkurrenten nicht durchsetzen können. Da war es bloß natürlich, dass man alles in einem mittelgroßen Wolkenkratzer unterbrachte. Ich würde mich ja so verirren.

Ein Blick auf meine goldene Armbanduhr verriet, dass mir nur noch zehn Minuten blieben, bis ich meinem Vorgesetzten, Mr. Crawford, entgegentreten würde. Mir brach der kalte Schweiß aus. Was wenn ich die in mich gesetzten Erwartungen nicht würde erfüllen können? Was wenn ich mich mit meinem Chef nicht verstehen würde? Was wenn ich gefeuert würde, bevor ich bis drei zählen konnte? Alles war möglich. Vielleicht hatte ich es mit dem Mieten der Wohnung etwas zu eilig?

Nein, dachte ich sogleich streng, im Versuch mich selbst zu überzeugen. Ich wollte von David und unserer gescheiterten Beziehung weg, und das hatte ich realisiert. Und selbst wenn ich meinen Job verlieren sollte, was ich mit aller Kraft zu verhindern gedachte, hätte ich in Hinsicht auf Dads Erbe noch genug, um die Wohnung zu bezahlen. Komme was da wolle, Meghan Moore würde sich nicht so schnell ins Bockshorn jagen lassen. Schon gar nicht nach Liverpool. 

Mit diesem letzten, aufmunternden Gedanken, betrat ich beschwingten Schrittes das Foyer.

-

Helle, marmorne Wände voller Kunstwerke und Gemälde, so weit das Auge reichte. Der saubere Boden, blitzblank poliert, ließ das stete Klackern meiner Absätze im monströsen Foyer widerhallen. In speziell eingerichteten Sitznischen standen einige dunkle, antik anmutende Möbel, die meine Gedanken unweigerlich in Richtung Museum lenkten. Vereinzelt ragten große, grüne Bäumchen aus riesigen Vasen empor, die der altertümlichen Atmosphäre das gewisse etwas verliehen. Nichts schien zum anderen zu passen, und doch bildete alles in allem eine beeindruckende Einheit. Der Designer, der sich hiermit befasst hatte, musste ziemlich abstrakte Vorstellungen gehabt haben, was mein Wohlbefinden aber nicht im Geringsten minderte. Es war einfach...vollkommen anders, als ich es erwartet hätte. Vor allem in Anbetracht des Äußeren. Warum hatte ich mir die Bilder im Internet nicht genauer angesehen?

»Hallo? Suchen Sie etwas?«

Überrascht drehte ich mich zur Sprecherin um, die unbemerkt näher gekommen war. Eine ältere Dame, ich schätzte sie auf mehr oder minder fünfzig Jahre, deren kurvenreicher Körper in einem bunten Jumpsuit steckte, was mich komplett überraschte, stöckelte auf mörderischen Pumps in meine Richtung, um mir freundschaftlich die Hand zu reichen. Ich war zu verdattert, um irgendetwas zu sagen. Hatte ich mich so wenig mit dem Unternehmen auseinandergesetzt, dass ich die einzigartige Kleiderordnung überlesen hatte? Plötzlich fühlte ich mich in meinem dunkeln Jeans und der weißen Bluse mit den hochgekrempelten Ärmeln ziemlich fehl am Platz.

»Sie sind neu hier, stimmt's?« Ein vergnügtes Funkeln trat in ihre grünen Augen, die mich unweigerlich an meine Mutter erinnerten. Ihre hatten eine ganz ähnliche Nuance. »Ich heiße Samantha. Bin die Empfangsdame, Sekretärin, was auch immer...« Sie lachte perlend auf. »Sie werden sich mit der Grafik beschäftigen, nicht? Na, kommen Sie schon.« Sie ergriff meinen Arm und dirigierte mich zu einem Aufzug, der hinter einer Sitznische verborgen lag. Wahrscheinlich war er einzig und allein für das Personal gedacht, überlegte ich. Ich wusste nicht, wie mir geschah, als ich mich bereits von mit goldener Farbe überzogenen Wänden umgeben sah. Hinter mir befand sich ein blank polierter Spiegel, der mir vor Augen führte, dass ich ziemlich schockiert aussah. Zurecht, wie ich fand.

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