Kapitel 42

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Roosevelt - Moving On

Harvey Chavel, Samstag, 23. Juli, London Borough of Hunslow

Ich holte sie an ihrer Tür ein. Archie bedachte mich mit einem überraschten Blick, worauf er auch schon von seiner Mutter ins Innere ihrer Mietwohnung bugsiert wurde. »Aber, Mom...«

»Ich weiß, dass er da ist«, erklärte sie ihm mit beherrschter Stimme und tätschelte seinen Arm. »Schau doch mal, ob etwas Gutes im Fernsehen läuft.« Er nickte begeistert. »Warte, junger Mann«, hielt sie ihn dann doch zurück. »Wie lautet unsere Vereinbarung?«

Mit einem theatralischen Seufzer beantwortete Archie ihre Frage. »Keine Gewalt und keine nackten Menschen.«

»Ganz genau, Süßer. Dann schaltest du sofort um.« Mit einem letzten liebevollen Klaps entließ Al ihren Sohn, der sich geradewegs auf die Suche nach der Fernbedienung begab. Sie beobachtete ihn noch ein paar Augenblicke, bis sie sich endlich zu mir umdrehte und unschlüssig von einem Bein auf das andere trat. Ich beschloss, einen Witz zu machen. »Keine Gewalt und keine nackten Menschen, huh? Was soll ein Mann denn sonst anschauen?«

Okay, scheinbar nicht witzig. Sie lächelte nicht einmal.

Ich biss mir auf die Unterlippe, versuchte weiterhin lässig zu wirken, obwohl ich mich eigentlich fragte, was zum Teufel ich überhaupt falsch gemacht hatte.

»Was hast du?«, platzte ich heraus und musterte sie verständnislos. Vor wenigen Stunden hatte sie sich von mir verwöhnen lassen, auf alle möglichen und unmöglichen Arten, und jetzt spielte sie die Unnahbare? War das ihre Masche? Und da nannte man mich einen Player?

»Wir sollten dieses Gespräch nicht auf dem Flur führen.«

Ach. Das war also alles, was sie dazu zu sagen hatte? Ich stieß mich vom Türrahmen ab und stellte mich direkt vor sie. »Dann führen wir es eben in deiner Wohnung.«

-

»Du willst mich also anschweigen?«, fasste ich die Geschehnisse der letzten Minuten in einem Satz zusammen. Denn nichts anderes hatten wir getan, seit sie mich widerwillig herein gelassen hatte. Wir saßen uns gegenüber, zwischen uns der Küchentisch wie eine hölzerne Anstandsdame. Als ob wir die benötigen würden! Dass zwischen uns nichts mehr lief, war nicht zu übersehen.

»Nein«, sagte sie schließlich leise und starrte auf ihre Finger. »Ich weiß nur nicht, was ich sagen soll.«

»Ist es wegen...«

»Nein.«

»Aber...«

»Wieso hast du das gemacht?« Plötzlich standen Tränen in ihren schönen Augen.

»Was? Wovon zur Hölle sprichst du, Al?« Hilflos breitete ich die Arme aus.

»Du hast es so aussehen lassen, als hätte ich Meghan mit Absicht in die Scheiße geritten!«, rief sie aufgebracht und sah mich anklagend an. »Als du gefragt hast, wieso ich sie überhaupt zu der Anzeige gedrängt habe. Ich...ich wollte bloß, dass sie etwas tut, dass sie sich nicht so verflucht hilflos fühlt, dass sie das Gefühl hat, Kontrolle über ihr Leben zu haben, selbst wenn das nicht stimmt. Und du...«, fauchte sie. »...lässt mich wie eine Vollidiotin dastehen.«

Scharf sog ich die Luft ein. Hatte ich mich tatsächlich so grob ausgedrückt? »Ich war doch nur in Sorge...«, versuchte ich mich zu rechtfertigen. »Nichts davon war beleidigend gemeint. Nicht ein Wort.«

»Ach, nein?« Sie schniefte, wirkte noch immer sehr gekränkt. »Seit...« Sie stockte.
»...seit dem Vorfall hast du mich sowieso kaum beachtet. Ich kann verstehen, dass du dich um deine beste Freundin sorgst, das tue ich übrigens auch, aber du hast dich total distanziert. Hast mich nicht mal angesehen, bist mir ausgewichen... Ich weiß auch nicht.«

Okay, ich war bestürzt. Mehr als das. Unter anderem, weil ich keinen blassen Schimmer hatte, wie man mit verletzten Frauen umging. Ich meine, klar, mit Meggie hatte ich einige Streitereien ausgefochten, teils ziemlich heftige sogar, aber sie gehörte zu den Menschen, die man mit Schokolade schnell um den Finger wickeln konnte. Außerdem war sie für mich das, was einem Kumpel am nächsten kam. Nichts im Vergleich zu einer Frau, mit der ich im Bett war, und mit der ich unbedingt nochmal ins Bett wollte.

»Das habe ich nicht so gemeint. Und es ist mir auch gar nicht aufgefallen. Ich schwöre es, Al.« Ich griff über den Tisch hinweg nach ihrer Hand und drückte sie zärtlich, um meine Worte zu bekräftigen. »Ich wollte dich nicht verletzen.« Aus dem Wohnzimmer hörte ich die Titelmelodie von Ghost Busters. Irgendwie unpassend. Selbst Alessia musste sich ein Grinsen verkneifen, das sah ich genau.

Sie straffte die Schultern. »Gut, in Ordnung. Ich glaube dir.« Sie erwiderte den Druck meiner Hand und lächelte verschmitzt. »Lust, dir Ghost Busters mit mir und Archie anzusehen?« Der Stimmungsumschwung kam plötzlich. Aber definitiv gelegen. Ich lächelte. 

»Kommt drauf an.«

»Worauf?« Sie hielt inne.

»Ob du Chips und Eis hast«, erwiderte ich in gespieltem Ernst und spitzte die Lippen.

Sie lachte perlend auf. Das Geräusch fuhr mir blitzschnell in die Lenden und ließ mich nach Luft schnappen. Das ist nicht der richtige Moment für eine Erektion, Harvey. Wirklich nicht.

»Machst du Witze? Ich bin eine alleinerziehende Mutter. Ich lebe von Chips und Eis!«

Jetzt musste auch ich lachen. Wir sahen uns einen Moment lang grinsend an, worauf sie sich von mir abwandte und zum Gefrierfach ging, um das Eis herauszuholen. Ich gönnte mir den schmackhaften Anblick ihres Hinterns, den sie mir gedankenverloren entgegenstreckte, als sie sich bückte. Meine Fantasie spielte verrückt, als ich meine üblichen Tagträume durch das Eis ergänzte. Okay, ich hatte eine ziemlich genau Vorstellung von unserem nächsten Mal. Und konnte es kaum noch erwarten.

Meghan Moore, Samstag, 23. Juli, London Borough of Hunslow

»Du meinst duschen im Sinne von duschen?«, fragte ich ungläubig.

»Natürlich. Du solltest nicht immer so schmutzig denken«, fuhr Zach mir amüsierte über den Mund und griff nach meiner Hand, um mich vom Sofa hochzuziehen.

Ich verdrehte meine Augen und stand auf. Es würde mir wahrscheinlich tatsächlich guttun, wenn ich mir Crawfords Berührungen, auch wenn er nicht viele hatte machen können, vom Körper wusch. Und dass Zachary mir dabei Gesellschaft leisten wollte, war nur ein Bonus.

»Hör zu, Meg«, begann er mit einem treuherzigen Ausdruck im Gesicht. »Du weißt, dass ich dauerscharf bin, wenn es um dich geht. Aber du hast heute etwas absolut Widerliches erlebt, weswegen ich dir deinen Raum lassen werde. Lass dich von mir verwöhnen. Auf die sexlose Art, okay? Lass es mich tun, bitte.«

»Klar«, antwortete ich perplex und fuhr mir durch das Haar. »Wenn du das möchtest.«

»Natürlich möchte ich.« Damit zog er mich in mein Badezimmer und schloss die Tür hinter uns ab.  

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