Kapitel 33

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Bird - Billie Marten

Meghan Moore, Samstag, 23. Juli, London

»Ist dir eigentlich bewusst, dass du die schönste Frau bist, der ich in meinem bisherigen Leben begegnet bin?«, fragte Zachary völlig zusammenhanglos und spielte gedankenverloren mit einer meiner dunklen Strähnen.

Ich lief rot an, was im Anbetracht der sengenden Sonne hoffentlich nicht besonders auffiel. Zacharys Worte berührten mich auf eine Weise, über die ich mir im Augenblick keine Gedanken machen wollte. Wozu sollte ich alles verkomplizieren, wo es doch gerade so unfassbar schön war?

»Das nehme ich mal als Kompliment«, erwiderte ich also leichthin und rutschte ein paar Sekunden unschlüssig herum, bis ich eine bequeme Position auf Zachs Oberkörper fand. Nicht, dass ich mich über seine muskulöse Brust beschweren würde, aber sie war eben alles andere als weich.

»Solltest du auch.«

»Ist notiert.«

Er lachte an meinem Hinterkopf, worauf mein Körper mit einer intensiven Gänsehaut reagierte. Es war immer wieder erstaunlich, wie ein bloßer Laut seinerseits auf mich wirkte. Ich setzte mich auf und musterte ihn mit gerunzelter Stirn.

»Wow, Meghan, du siehst aus, als wolltest du mich vernaschen«, merkte er mit glänzenden Augen an, ließ sich auf den Bauch fallen und stützte sich auf seinen Ellbogen ab. Dann erwiderte er meinen durchdringenden Blick und lächelte schelmisch.

Ich für meinen Teil gab mich unbeeindruckt und setzte mich im Schneidersitz ihm gegenüber auf das große Handtuch, das er vor wenigen Minuten aus dem Rucksack gezaubert hatte.

»Weißt du, was befremdlich ist, Zach?«

»Nein, aber du sagst er mir bestimmt in drei, zwei, eins...«

»Ich weiß nichts über dich. Wirklich nichts. Während du schon einiges über mich zusammengetragen hast, man nehme nur mal meinen Arbeitsplatz, meine Privatadresse, Harvey, Diana...«

»Was willst du denn wissen?« Auf einen Schlag wirkte er ernster.

»Abschluss? Ja? Nein?«

»Nein.« Ich beobachtete, wie sein Kiefer sich anspannte, während er die Zähne zusammenbiss.

»Wieso nicht?«, wollte ich vorsichtig wissen, darauf hoffend, er würde sich nicht vor mir verschließen. Nicht jetzt schon.

»Lange Geschichte.« Er klang resigniert und seufzte auf. »Wobei wir ja Zeit haben. Okay, hol die Cola aus dem Rucksack. Ich brauche was zu trinken.«

Hastig griff ich nach der Glasflasche und reichte sie ihm. Ich war so neugierig auf ihn, auf seine Geschichte. Dafür, dass wir ständig miteinander schliefen, wussten wir wirklich viel zu wenig voneinander, lockere Beziehung hin oder her.

Mit ernster Miene schraubte er den Verschluss von der Flasche und spielte nervös daran herum. Ich wollte so unbedingt erfahren, was ihm gerade durch den Kopf ging. Schließlich begann er zu reden.

»Als ich in die zehnte Klasse hätte kommen sollen, wurde bei meiner Mom Krebs diagnostiziert. Mein Dad hatte schon seit Jahren Reißaus genommen, genauer gesagt im selben Moment, in dem meine Mutter von ihrer Schwangerschaft erfuhr. Er meinte, er sei noch nicht bereit für ein Kind und wollte, dass sie abtrieb. Das tat sie aber nicht, wie du unschwer erkennen kannst.« Er breitete demonstrativ die Arme aus und lächelte unglücklich. Mir zog sich das Herz in der Brust zusammen. »Es war nicht so übel, wie du jetzt vielleicht denkst. Ein Vater ist nicht vonnöten, wenn man eine Frau wie Mom als Mutter hat. Aber um auf ihre Krankheit zurückzukommen: Sie hatte niemanden mehr, der sie hätte unterstützen können, der ihr hätte Mut zusprechen können.« Er verzog wütend das Gesicht. »Ihre Familie hatte sich ebenso von ihr abgewendet, wie mein Vater, streng gläubige Menschen, die nicht akzeptieren konnten, dass manche Leute auch vor der Ehe miteinander schlafen. Das sind alles so scheinheilige Arschlöcher, die einer Fliege nichts zu leide tun könnten, aber als ihre Tochter, ihr eigen Fleisch und Blut, sie brauchte, ihre Zuneigung brauchte, waren sie alle weg. Schließlich hatte sie ihren Namen mit einem unehelichen Kind verunreinigt.« Zachary schnaubte und trank einpaar große Schlucke von der Cola. Ich wusste nicht, was ich zu alledem sagen sollte und schwieg. »Weißt du, was das Beschissenste ist? Ich habe mir lange Zeit die Schuld an dem Bruch gegeben. Ich meine, wäre ich nicht auf der Welt, so hätte sie noch immer eine große Familie, oder? Ich weiß, dass das eine verquere Logik ist, aber so habe ich praktisch mein Leben lang empfunden.« Aus dem Augenwinkel registrierte ich, dass seine Hände zitterten.

Ich musste eingreifen: »Aber das ist doch völlig absurd!«

»Ich weiß.« Er seufzte schwer. »Das habe ich irgendwann auch eingesehen. Aber Schuldgefühle hatte ich trotzdem. Meine Mom gab mir alles, was sie besaß, und noch viel mehr. Sie opferte ihr gesamtes Leben, um mich glücklich zu machen. Um für mich da zu sein. Und das war sie auch. Wann immer ich sie brauchte, stand sie an meiner Seite. Das kann ich von keinem anderen Familienmitglied behaupten. Ich glaube sogar...« Zach lachte auf. »Wenn einer dieser Proleten mich auf der Straße treffen würde, würde er mich nicht erkennen. Ich für meinen Teil habe mir jedes einzelne ihrer abstoßenden Gesicht eingeprägt, unwiderruflich. Und wenn ich einmal auf jemanden von ihnen treffen werde, dann bekommen sie, was sie verdienen.« Die Anspannung, die von ihm ausging, ebenso der alles verzehrende Hass, den er empfand, ging in Wellen von ihm aus und ließ mich ganz ähnlich fühlen. Ich konnte ihn verstehen, in jeglicher Hinsicht.

Ich rutschte zu ihm herüber und griff nach seiner zitternden Hand. Er drückte sie dankbar und fuhr fort, nachdem er sich ein klein wenig beruhigt hatte. »Als Mom also krank wurde, wollte ich ihr alles zurückgeben, was sie mir bis dahin gegeben hat und so schmiss ich unüberlegt die Schule. Mir war es völlig egal, was kommen würde, solange ich meine Mutter nur durch diese entsetzlichen Monate der schwindenden Hoffnung begleiten durfte. Und ich bereue bis heute nichts.«

Ich merkte deutlich, dass er plötzlich unglaublich traurig klang und wollte irgendetwas tun, was ihn auf andere Gedanken brachte. Andererseits klang seine Erzählung, als würde er sie sich gerne von der Seele reden. Also ließ ich ihn weitersprechen.

»Sie starb ein paar Tage vor ihrem fünfunddreißigsten Geburtstag. Ich erinnere mich nicht mehr genau an das, was passierte, weil ich in eine Art Trance gefallen war. Das ist keine Lüge, ich hatte alles nicht mehr wirklich wahrgenommen, selbst die Beerdigung nicht.«

»Wo hast du denn dann gewohnt? Du warst doch noch so jung.« Ich legte meinen Kopf auf seine warme Schulter und spürte die brennenden Sonnenstrahlen auf meiner Wange. Dieser Mittag war so wundervoll, trotz dieser schrecklichen Eröffnung seinerseits. Ich hatte zum ersten Mal seit langem wieder das Gefühl, irgendwo gut aufgehoben zu sein, irgendwo dazuzugehören.

»Mom hatte vorgesorgt...«, erklärte Zach mit erstickter Stimme. »Verstehst du? Selbst auf dem Sterbebett hat sie sich pausenlos um mich gekümmert, damit es mir gutging, wenn sie dann weg war.«

»Sie muss dich über alles geliebt haben«, flüsterte ich anerkennend. Meine Mom war nicht so gewesen, leider.

»Das hat sie, völlig ohne Zweifel.«

Wir schwiegen eine Weile. Dann redete Zachary weiter.

»Ich kam zu einer Cousine x-ten Grades meiner Mom. Sie war das einige Familienmitglied, zu dem sie noch ab und an Kontakt hatte, wenn auch keinen sehr engen. Trotzdem ließ sie mich bei sich wohnen, bis ich volljährig wurde und ausziehen konnte.«

An dieser Stelle hatte ich das Gefühl, dass er mir etwas verschwieg, aber ich fragte nicht nach, was es mit dieser Cousine wirklich auf sich hatte.

»Tja, mit einigen Jobs habe ich mich dann irgendwie hochgearbeitet, Moms Erbe war aber auch eine große Hilfe gewesen. Und, na ja, jetzt geht es mir eigentlich ganz gut.« Er seufzte wieder.

Er war so einsam gewesen, das machte mich wahnsinnig traurig. »Und wie war das mit dem Club gewesen?«

»In der Zeit nach Moms Tod bin ich einmal per Zufall in einer Disco gelandet. Eigentlich hatte ich für Parties wirklich nichts übrig, aber ich nahm mir ein Herz und ging dennoch hinein. Keine Ahnung, wieso. Dort lernte ich dann ein paar gute Freunde kennen, unter anderem Derek und Spencer. Sie haben mir damals sehr geholfen und na ja, ich dachte mir, ich könnte so etwas vielleicht auch erschaffen. Für andere verlorene Seelen.«

Nun konnte ich mir nicht mehr helfen und schlang die Arme um ihn. Lächeln erwiderte er meine Umarmung und hauchte zarte Küsse auf meinen Hals, mein Schlüsselbein, mein Dekolleté. Es war irgendwie tröstlich.

»Danke fürs Zuhören«, murmelte er nach einer Weile mit warmer Stimme.

»Nein.« Ich legte ihm eine Hand auf die Brust und schaute ihn an. Unter meinen Fingerkuppen spürte ich seinen rasenden Herzschlag. »Ich danke dir, dass du es mir erzählt hast. Ich werde dein Vertrauen nicht missbrauchen.«

»Das weiß ich, Meggie.«

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Jup. Rührselig.

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