Kapitel 27

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Water Under The Bridge - Adele

Meghan Moore, Freitag, 22. Juli, London Borough of Hunslow

»Wer ist dieser Martin?«, fragte ich nachdem Alessia zu Ende erzählt hatte und endlich einen Schluck Wein trank. Der alles andere als köstliche Geschmack schien ihr nicht einmal aufzufallen. Vielleicht war sie aber auch einfach keine große Weinliebhaberin, wer wusste das schon? Ich für meinen Teil hatte mir mein Glas bereits hinter die Binde gekippt und musste nachfüllen. Was Archie anbelangte...eine weitere Nachbarin hatte sich bereiterklärt, ab und an ein Auge auf ihn zu werfen, wodurch seine Mutter sich bei uns den Schmerz von der Seele reden konnte. 

Alessias Gesichtsausdruck verfinsterte sich merklich. »Er ist in Archies Alter, sie sind in einer Klasse. Ich kenne seine Eltern ganz gut, in meinem früheren Job gab es einige Differenzen zwischen uns, weshalb ich schließlich kündigte und in die Kindertagesstätte kam. Wahrscheinlich hat Martin ein Gespräch zwischen seinem Vater und seiner Mutter aufgeschnappt und tja.« Sie lächelte humorlos und starrte in ihr Glas. »Eigentlich ist es mir völlig gleichgültig, was diese reichen Schnösel von mir oder meiner Erziehung halten, das Einzige, das mich interessiert, ist mein Sohn. Und er leidet unter seinen Familienverhältnissen. Das macht mich krank.« Ihre Hände verkrampften sich. 

Mir fiel auf, dass sie Harveys Blick durchgehend meiden wollte. Ihm erging es da nicht anders. Er richtete seine Augen ausdruckslos auf einen unbestimmten Punkt in weiter Ferne und wirkte alles in allem ziemlich abwesend. Aber ich kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass er sehr wohl bei der Sache war, aber nicht wusste, was er sagen sollte. Oder er genierte sich, war nervös, was auch immer. Ich wusste schließlich genau, dass sie ihm ein kleines bisschen den Kopf verdreht hatte. Und er Al ganz offensichtlich auch. 

Das Witzige war, dass sie es sich beide nicht eingestehen wollten. 

»Ich würde vorschlagen«, begann ich vorsichtig und warf Harvey einen Seitenblick zu. »Dass du die Sache am besten sofort klärst. Wenn sie ein Problem mit dir haben, sollen sie es auch mit dir besprechen, anstatt kleine Jungs gegen einander aufzubringen, oder?«

»Richtig«, stimmte sie mir zu und nickte nachdrücklich. Sie wusste noch nicht, was ich mir für sie überlegt hatte, sonst würde sie mir nicht so leichtgläubig über den Weg trauen. »Das sollte ich.«

»Und ich habe diesbezüglich eine ganz tolle Idee«, fuhr ich fort und lächelte engelsgleich. Sie ahnte noch immer nichts. Und deshalb ließ ich die Bombe hochgehen. »Harvey bleibt bis morgen Abend, sodass er dich mit Sicherheit begleiten kann.«

Alessia und Harvey rissen beide gleichermaßen schockiert ihre Augen auf. Ich verkniff mir nur mit viel Mühe ein Grinsen. Sie sollten mal ihre Gesichter sehen. »Hey, ich habe euch nicht vorgeschlagen, in Las Vegas zu heiraten.«

»Wobei soll ich denn helfen?«, fragte Harvey mit hochgezogenen Augenbrauen. »Ich kenne Alessia nicht einmal.«

»Das wissen Martins Eltern doch nicht.«

»Und meine erste Frage?«

»Wenn Al von einem Mann begleitet wird, werden sie sich bestimmt nicht zu viel erlauben. Im Gegenteil, sie wissen schließlich nicht, wer du bist. Vielleicht der neue Freund? Vielleicht der Bruder? Jedenfalls jemand, der ihnen gefährlich werden könnte. Du spielst dich gerne auf, warum nicht für einen guten Zweck?« Ich schenkte ihm ein strahlendes Lächeln, weil er sowas von dort hinfahren würde. Allein um mich zu besänftigen. 

Alessia schüttelte den Kopf. »Ich will keine Umstände machen, Leute. Aber danke für das Angebot.«

»Umstände? Macht sie uns Umstände?«, wandte ich mich an Harvey, der mich mit seinen Blicken zu erdolchen versuchte. Es war echt süß, wie sehr er sich vor einem einzigen Ausflug mit Al fürchtete. Aber ich würde nicht lockerlassen, sie sollten sich zumindest etwas besser kennenlernen, bevor sie etwas aufgaben, das zu etwas wirklich Schönem hätte werden können. 

»Nein, die macht sie uns natürlich nicht«, erwiderte Harvey mit einer aufgesetzt zuckersüßen Stimme und tätschelte mein Knie. »Deine Freunde sind auch meine Freunde, das mache ich doch gerne.« Er sah Alessia an, zum ersten Mal an diesem Abend und ich konnte förmlich beobachten, wie seine Züge innerhalb einer Sekunde entgleisten und sein Gehirn leer gefegt wurde. Er wusste komplett nicht mehr, was er hatte sagen wollen. 

Ich beschloss, die aufmerksame beste Freundin herauszukehren und half ihm.
»Dann ist doch alles im Lot, nicht? Al, lehne Hilfe nicht ab, die du womöglich tatsächlich gebrauchen kannst. Und wenn es wegen Harvey ist, tja, er bellt nur, beißt aber nicht.«

Sah ich da etwas Belustigung in ihren Augen aufblitzen? 

»Danke, das beruhigt mich sehr«, sagte sie trocken und lächelte Harvey scheu an. Er verkrampfte sich am ganzen Körper und schluckte scharf. Ich war kurz davor, so kurz davor, die Augen zu verdrehen und ihn durchzuschütteln. Wo blieb Harvey Chavel, Fuckboy No. 1, verflucht?

»Schon okay«, krächzte er endlich und stand auf. »Muss kurz telefonieren.« Er winkte kurz und verschwand im Gästezimmer. Wir hörten die Tür ins Schloss fallen. 

Ich prustete lauthals los. 

Zachary Cole, Samstag, 23. Juli, ZC'S

Als ich das letzte Mal auf die Uhr geschaut hatte, war es viertel nach drei gewesen. Und ich schlief noch immer nicht. 

Nicht dass ich viel Schlafbedarf hätte, dafür zog ich den Spaß, den Sex mit sich brachte und den Alkohol vor, ebenso die wummernde Musik und den Anblick tanzender, unbesorgter Menschen. Aber ein paar Stunden im Schlummermodus wären doch nicht zu viel verlangt gewesen, oder? 

Scheinbar doch. 

Meghan, Meghan, Meghan. 

An nichts und niemand anderen konnte ich denken. Weder an meine verkorkste Vergangenheit, noch an meine blühende Zukunft, wie ich sie mir immer ausgemalt hatte. Mit wilden Parties, noch wilderen Nächten und unendlichen Massen an Geld. 

Was also hatte sich verändert? 

Wieso konnte ich mir den Geschlechtsverkehr mit einer anderen Frau nicht mehr vorstellen? Ich war doch sonst nie so...wählerisch. Und schon gar nicht monogam. Doch was konnte ich schon anrichten? So fühlte ich nun einmal. 

Und wieder übermannten mich die glasklaren Erinnerungen an Meghans und mein Techtelmechtel auf der Bürotoilette. Und sofort wurde ich hart. 

Seufzend drehte ich mich auf die Seite, um irgendwie den steigenden Druck in der Lendengegend zu vermindern, weil ich nicht vorhatte, selbst Hand anzulegen. Neben den Sessions mit Meghan wirkte das Ganze förmlich...reizlos. 

Oh ja, diese Frau hatte mir alles genommen, wovon ich immer geglaubt hatte, dass es richtig sei. Und es erschreckte mich, dass diese Vorstellung mir gar nicht so schrecklich vorkam, ganz im Gegenteil, ich fühlte mich besser denn je. 

Wo würde unser Arrangement bloß hinführen? 

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Wo sind meine Single-Mitstreiterinnen, die diesen Tag hinter sich bringen müssen? 

Mel xxx

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