21. Interlude / 21.1 Neutral

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21. INTERLUDE

Ich flüchtete auf die Straße und verließ das Schulgelände. Ich wollte weg und allein sein. Ich begann mich auf den Weg zum Friedhof zu machen, damit ich meine Mutter besuchen konnte. Eigentlich ging ich nie zu ihr, weil ich es nicht konnte. Ich wollte keines dieser Mädchen sein, dass jeden Tag zu dem Grab der Mutter ging, und ihr dort die Lebensgeschichte erzählte. Ich wollte nicht, dass sie mitbekam, wie schlimm es war. Sie hatte meinen Vater geliebt, aber nach meinen Erzählungen würde sie das sicherlich nicht mehr tun.

Auf halben Weg blieb ich stehen. Ich wollte meiner Mutter etwas Schönes erzählen, doch es gab nichts. Ich hatte mich in einen Jungen verliebt, der ein Mörder war und nichts für mich empfand. Ich würde das mal verkackt nennen.

Ich beschloss mich umzudrehen und zurück zu laufen, als ich einen festen Griff auf meiner Schulter spürte. Ich wollte anfangen zu schreien, doch mir wurde ein Tuch auf Mund und Nase gepresst, so dass ich gezwungen war den süßlichen Duft von Chloroform einzuatmen.

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Ich spürte unendliche Kälte und ich versuchte meine Augen zu öffnen. Diese Schwärze machte mich verrückt. Mein Blick fiel, nach dem ich meine Augen geöffnet hatte, auf ein Gitter. Es sah so aus wie in Filmen. Ich versuchte aufzustehen, aber meine Sicht verschwamm sofort und mein Kopf pulsierte. Ich fasste mir an die Stirn und versuchte wieder ein klares Bild zu fassen. Dann ging ich – mich an der Wand entlangtastend – auf die Gitterstäbe zu. Ich lehnte mich dagegen und sah auf einen Gang. Überall waren Zellen. Gegenüber und neben mir auch. Erschrocken atmete ich ein. Sollte ich schreien?

»Ach, unser Dornröschen ist aufgewacht!«, sagte ein Mann, höchstens Anfang dreißig, und kam auf mich zu. Er lächelt mich kühl an und öffnete dann mithilfe eines Schlüssels die Zelle. Er zog mich am Arm heraus. Mein Mund war trocken und ich wollte ihn öffnen, spürte dann aber den Druck.

»Mensch, Darling. Du bist ein kleines Dummerchen!«, lachte der Typ und zog mich die Treppe hinauf. Wir betraten einen Gang und unsere Schritte hallten wider. Ich blickte die kaputten, weißen Wände und versuchte mir den Weg zu merken. Blöderweise war mein Gehirn benebelt und ich sah alles nur an mir vorbeiziehen. Wir blieben stehen. Ich sah auf und vor uns stand ein ebenfalls junger Mann, vielleicht zweiundzwanzig oder noch jünger. Er hatte pechschwarze Haare und grüne Augen, die allerdings kalt zu uns sahen.

»Ich soll sie mitnehmen.« Seine tiefe, rauchige Stimme jagte mir Angst ein. Der Mann, der mich zuvor am Arm durch das Gebäude (oder was das hier war) gezogen hatte, ließ mich los.

»Ich hatte aber die klare Anweisung vom Boss, die Schlam-...«, begann er und baute sich vor dem jüngeren, aber offensichtlich Größer- und Stärkeren auf.

»Fresse, Thierry.« Seine Stimme war fest wie Stahl und kalt wie Eis. Wenn nicht sogar noch kälter. Ich merkte sofort, dass dieser Typ hier das Sagen hatte. Der Ältere senkte den Kopf, warf dem Schwarzhaarigen trotzdem einen mehr oder weniger bösen Blick zu, und verschwand dann aber, nachdem er mich losließ. Das erste Mal richtete der Schwarzhaarige seine Augen auf mich. Seine Grünen bohrten sich in meine Grün-brauen und er starrte mich eine Weile an. Ich wusste nicht was los war, und zog für einen Moment die Augenbrauen zusammen. Der Junge kam auf mich zu und hob die Arme, seine Augen glitzerten ein wenig, doch es verschwand schnell wieder. Unsanft packte er mich am Arm und zog mich weiter.

Schließlich betraten wir ein Zimmer und ich wurde auf einen Sessel gedrückt. Ich sah hinter mir hoch und blickte in das Gesicht des Schwarzhaarigen.

»Da vorne!«, sagte er ruhig und ich sah auf. Vor mit stand ein Schreibtisch aus Holz und dahinter saß ein junger Mann. Er war vielleicht Mitte zwanzig und rauchte eine Zigarette.

Heart of a killer [l.t.]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt