59. Interlude

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59. INTERLUDE

Seitdem Louis mir offengelegt hatte, wie er für mich fühlte, war bereits eine Woche vergangen. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich mir das immer gewünscht hatte. Aber ich hatte mir das Darauffolgende auch deutlich anders ausgemahlen. Eigentlich hatte ich gedacht, dass, nachdem wir uns über unsere Gefühle im Klaren waren, wir zusammen bleiben und die Dinge sich ändern würden.

Naja.

Das war nicht der Fall. Viel eher das Gegenteil. 

Zur sehr ins Detail zu gehen, wäre bitter, weshalb ich es kurz halte: Louis musste geschäftlich an dem Abend wieder das Land verlassen. Erst hatte er mir gesagt, dass er alles für mich tun würde, und das beinhaltete auch auf mich aufzupassen. Aber er war gegangen, nachdem er mir das Armband überreicht hatte. 

Viel eher hatte er Bastian noch beauftragt, mich in das nächstliegende Hotel zu verfrachten. In diesem wohnte ich jetzt seit einer ganzen Woche. Hin und wieder kam Via zu Besuch, und einmal hatte sie auch Dan mitgebracht, der mich aus reuevollen, blauen Augen von der Wand aus betrachtet hatte. Cassandra und Eden trauten sich, laut Via, nicht, da sie so viel angerichtet hatten. Wer nicht den Mut hatte, sich zu entschuldigen, war aber wirklich ein Schisser! 

Louis hatte mir das Hotel für zwei Wochen im Voraus bezahlt und mir auch noch Geld dagelassen. Aber nur über meine Leiche, würde ich sein Blutgeld anrühren. 

Bastian redete nicht viel mit mir und ich fühlte mich auch unwohler in seiner Anwesenheit als zuvor, da ich jetzt wusste, dass er zu Louis gehörte und mich bloß beschattete und ausspionierte. 

Klar hatte ich schon versucht, gegen Louis' Überwachung zu rebellieren und abzuhauen. Aber das ging schlecht, denn in der Lobby wurde ich von der Empfangsdame aufgehalten und beim zweiten Versuch stoppte mich Bastian höchstpersönlich. Das dritte und letzte Mal verlief nicht anders, da würde ich auf heller Straße von Jace gekidnappt und zurück ins Hotel gebracht. 

Und kein Mensch hatte die Klappe aufbekommen und versucht mich vor ihm zu retten, obwohl ich um Hilfe geschrien hatte. 

Wie dem auch sei. 

Zusammengefasst war meine Laune im Arsch. 

Und viele Faktoren trugen dazu bei. 

Heute war der große Tag gekommen. 

Heute war Graduationday. 

Alle, die ihr Abitur bestanden hatten, bekamen ihr Zeugnis und ein Blümchen. 

Also auch ich. 

Die Prüfungen hatte ich schließlich noch mitschreiben können. Und mit diversen Lügen konnte ich den Schuldirektor auch überzeugen, dass ich eine Krankheit hatte und deshalb so oft gefehlt hatte. Andernfalls hätte ich aufgrund meiner enormen Fehlzeiten das Abitur nicht mitschreiben dürfen.

Via war gestern gekommen und hatte mir diverse Kleider vorbeigebracht, die ich anprobieren sollte. Eigentlich war ich nicht in der Stimmung zu der Abschlussfeier zu erscheinen, aber sie zwang mich irgendwie dazu und zum anderen wollte ich auch unbedingt dieses hässliche Hotelzimmer verlassen. Was man Herz aber deutlich schneller schlagen ließ, war die Tatsache, dass über mein Gesicht eine lange Narbe lief, genauso wie an einigen anderen Körperstellen, auch wenn es nur – auf den ersten Blick belanglose – Punkte waren. 

Aber für mich waren sie das nicht. 

Für mich drückten sie Schmerz und Misshandlung aus. 

Ich hatte einfach Angst vor den Gesichtern meiner Mitschüler. 

Heart of a killer [l.t.]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt