52. Interlude

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52. INTERLUDE

Wenigstens einer von ihnen war wieder da und ließ meine Enttäuschung sich in Grenzen halten.

 Naja, um ehrlich zu sein, war ich immer noch enttäuscht, darüber, dass sie alle sich nicht gemeldet haben. Sie taten so, als wenn ich ein Niemand wäre.

Aber ich freute mich, dass wenigstens einer von der Gang gekommen war. Auch wenn es nicht Louis war. 

»Ich denke gerade an meine Mom«, erzählte ich langsam. Wieder tauchte die Erinnerung an sie auf, wenn sie neben der Schaukel stand und mich mit einem Lächeln auf den Lippen anschaute.

 Manchmal war sogar mein Bruder dabei gewesen, aber ich konnte mich nicht mehr wirklich an sein Gesicht erinnern. Bloß, dass er furchtbar schwarze Haare und grünschimmernde Augen hatte. Aber die Gesichtsform, Körperform, alles weg. Ich glaube, ich hatte diese Charaktereigenschaften nachdem er verschwand verdrängt und durch Moms Tod nie wieder mich an ihn zurückerinnert. Und an was man sich nicht regelmäßig erinnert, verblasst.

»Früher hatte sie mich immer angeschubst, wenn ich geschaukelt habe...« Wir schwiegen wieder eine Weile, vielleicht musste er das Gesagte sacken lassen...

»Damals waren wir noch eine FAMILIE«, Verbitterung schwamm in meinen Worten mit, die ich leider nicht verstecken konnte. Aber ich glaube, ich wollte es irgendwie auch nicht mehr. Ich war es satt, dass ich alles verstecken, verdecken und überspielen musste. Es waren genau die gegesätzlichen Gedanken wie vor einigen Minuten, als er noch nicht neben mir saß. Das wunderte mich.

Ich bekam kein Mitleid von ihm, er hockte bloß auf der Schaukel, den Kopf gesenkt und die blonden Strähnen fielen ihm in die Stirn. Seine Haare leuchteten regelrecht in der Dämmerung, da sie das einzig helle hier waren. Aber ich wollte Mitleid. Ich wollte, dass jemand mich tröstete. Und trotzdem entschied ich mich dagegen, ihm das zu sagen oder zu zeigen. Ich fiel somit wieder in die alten Muster des Verschweigens zurück.

»Warum bist du hier?«, fragte ich schließlich. Das tat ich immer, wenn ich nicht mehr über mich reden wollte. Dann war ich ja die Schwache, da meine Emotionen analysiert wurden.

»Ich muss dich im Auge behalten.«

Ich verdrehte meine. Das war ja was ganz neues. Hatten sie etwa wieder mit jemanden Streit angefangen? Hatten sie wieder die Freundin eines Feindes getötet und wunderten sich jetzt um die Konsequenzen? Mein Beileid.

»Wart ihr eigentlich je wirklich.. weg?«, fragte ich. Immer erzählten sie etwas von ›auf dich aufpassen‹ und ›dich beschützen‹, aber wie taten sie das, wenn sie angeblich immer ›weg‹ waren?

Mein neugewonnener Bruder seufzte.

»Einer von uns hat dich immer überwacht, Clea.« Ruhe. Er wich meinen Blicken aus und musterte die olle Parkbank uns Gegenüber. Als Mom da noch im Vias Mom saß, war sie gerade erst neugestrichen worden. 

»Louis wollte, dass du sicher bist.« Natürlich wollte er das. Wie gut, dass ich damals nicht gewusst hatte, dass Niall, Liam, Harry oder gar Zayn mich beobachtet hatten. Sonst hätte ich ihnen die Observation erschwert, befürchte ich. Aber nun weiß ich, dass sie alles nur, wenn man um zehn Ecken dachte, aus Liebe taten. 

»Du bist das Einzige, was ihm wichtig gewesen ist, in den letzten Wochen«, erörterte Niall und warf mir einen kurzen Blick zu. 

Wieso musste Niall mir all die süßen Sachen immer übermitteln? Hatte Louis nicht selbst einen Mund? Oder war es dieses Heldenhafte, dass durch Nialls Erzählungen Louis zugeordnet wurde. Der stumme Mörder, der hinterrücks eigentlich immer helden- und ehrenhaft gehandelt hatte?
Diese Gedanken lockten mir irgendwie ein Lächeln ins Gesicht. 

Heart of a killer [l.t.]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt