53. Twenty-Seventh Reunion (pt. II/II)

269 6 0
                                    

53.2


Louis starrte mit angespanntem Kiefer nach vorne und reagierte nicht weiter auf mich. 

»Nein, Clea«, bestimmte er dann beherrscht mich ansehend, »du wirst nicht nachkommen!« 

»Wieso nicht?«, hackte ich nach. Eine Befürchtung kam mir in den Sinn, die ich vorsichtshalber schnell wieder verdrängte. 

»Weil...«, setzte Louis an, schien aber nicht die richtigen Worte, oder den richtigen Grund, zu finden. Er ballte seine Hände zu Fäusten und ich schluckte. 

»Verdammt, weil ich nicht will, dass dir etwas passiert. Dort. Auf dem Weg dorthin«, brüllte er halblaut und ich zuckte erschrocken bei der Lautstärke zusammen. »Ich will nicht, dass du so wirst wie ich«, murmelte er dann noch und ich erkannte die pure Verzweiflung in seinen Augen.
»Dann hör auf«, erwiderte ich genauso leise und ruhig wie er. Seine Augen blitzen. Und dann schüttelte er bloß erschöpft den Kopf. 

»Das ist nicht so einfach«, er sah beschämt zu Boden, »ich werde für immer ein Mann mit Feinden sein, die mich tot sehen wollen. 

Ich habe mich damals, vor sechs Jahren dazu entschieden, so zu sein. Auch wenn die Entscheidung weniger freiwillig war. Ich bin das, was ich bin. Und das ist nicht so einfach zu ändern.« 

»Du kannst. Wenn du willst«, ermutigte ich ihn vergebens. 

»Wir werden weggehen, für immer, Kleines«, er blickte mich aus grauen Augen trist an und ich biss mir auf die Zunge, um nichts Verletzendes zu sagen.

»Es tut mir leid und es ist vermutlich der größte Fehler meines Lebens... Aber ich will einmal nicht egoistisch sein. Einmal das tun, was für dich am besten ist. Ich werde dieses Mal zuerst an dich denken, Kleines.« Ich bekam mit wie seine Stimme kurz zitterte, er sich dann aber zusammenriss und mich einfach nur ansah, als wollte er sich genau die Ecken und Kanten meines Gesichts einprägen.

»Louis...«, ich war sprachlos. Ich wusste wirklich nicht, was ich sagen sollte. Das war das selbstloseste, was er je getan hatte und es fiel mir schwer aufzunehmen, dass die Person für die er so handelte, ich war. Das fühlte sich so unwirklich an. Wieder tauchte in meinem Kopf das Gefühl von Glück und Freude aus. Doch wurde sofort von den Gedanken, dass Louis ging, betäubt. 

Während ich noch nach Worten suchte, erhob sich Louis und baute sich wieder vor mir auf.
Die breiten Schultern, die trainierten Arme und Beine, seine lockere Kleidung sowie die dunkele Lederjacke. Sein gesamtes Auftreten liebte ich. Sein Erscheinungsbild, seine düsteren Momente, in denen er sich vor mir verschloss, sein Lachen, sein Handeln und seine versteckten Gesten; alles an ihm liebte ich. Das fiel erst auf, als er sich zu mir hinunter beugte und (leider nur) meine Wange mit seinen Lippen für einige Sekunden liebkoste. 

Warum konnte er mich nicht noch ein einziges Mal küssen, als sei ich die Einzige für ihn?
Das hatte sich in der Küche jedenfalls so ähnlich angefühlt und ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich dieses Gefühl nicht mochte. 

Seine Hand griff nach meiner und er zog mit der anderen etwas auf seiner Hosentasche. Er hielt mit der Hand meine so, dass die Handfläche geöffnet war. Er sah mir in die Augen und ich ihm, sodass ich nur spüren konnte, was er mir da in die Hand legte. Es fühlte sich rau, geriffelt und perlig an – irgendwie. 

»Pass auf dich auf, Kleines«, wisperte Louis und ich erkannte, dass in seinen Augen tatsächlich Tränen glitzerten. 

Der harte Gangleader hatte also doch ein Herz. Und wie es aussah, gab er es mir mit dem Gegenstand, den er mit in die Hand gelegt hatte. 

Anscheinend hatte ich vergessen, dass die Herzen von Gangleadern doppelt so stark schlugen, wie die von normalen Menschen. Sie waren wahre Kämpferherzen und wenn sie liebten, dann liebten sie von ganzen Herzen. Auch wenn Louis mir die drei Worte nicht gesagt hatte, war ich so stark und wagte es, genau das aus seinen Reaktionen, Gesten und Aussagen zu schließen.
»Ich werde dich niemals vergessen«, raunte er noch, bevor er sich umdrehte und mit zügigen Schritten das Spielplatzgelände verließ. Zeitgleich sah ich wie sich wieder die hellen Scheinwerfer näherten. Vermutlich Niall hielt dort, wo er vorhin schon stand, und Louis stieg hastig ein.

Wieso um alles in der Welt, kam der Jeep genau in dem Moment, in dem Louis abholbereit am Gehweg stand? Wurden wir beobachtet? Oder war das nur wieder das Dramatische, das Louis umhüllte?

Eine Weile wurde ich noch von den Lichtern ins Gesicht geblendet, bis es sich von mir entfernte und schließlich gänzlich abdrehte. 

Und mich alleine im Dunkeln zurück ließ. 

Für immer, befürchtete ich.



Heart of a killer [l.t.]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt