prolog | engel

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Es war Dezember, als sie das Altenheim zum ersten Mal betrat.

Hätte man ihr nicht spezielle Pflege erteilt, hätte ich nie bemerkt, dass sie dement war.

Ihr Blick war klar und von stechendem Grün, die Worte verdrehten sich nie in ihrem Mund, sie konnte die Wege im Heim schneller auswendig als all die anderen, wenige Tage nach ihrer Ankunft sprach sie jeden Pfleger mit seinem Namen an, ohne auch nur einen einzigen zu vergessen.

Und das, obwohl man sie kaum aus ihrem Zimmer ließ.

Es war Februar, als man mich das erste Mal zu ihr schickte.

Reden sollte ich mit ihr, freundlich sein, ich sein.

Es war nicht, als hätte ich ein Problem damit, ich hatte mir meinen Arbeitsplatz selbst ausgesucht, mir war bewusst, dass ich mich ein Jahr mit Älteren befassen würde.

Nur wusste ich nicht recht, wie ihre scharfe Kombinationsgabe mit der Diagnose zusammenpassen sollte.

Und so hörten wir am ersten Tag einfach nur Musik, unterhielten uns über das Wetter.

Bis wir zu diesem einen Lied kamen, welches ich nie vergessen werde.

„Himbeerbrause", sagte sie.

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