drei | körnerzählen

579 59 2
                                    

„Woher kommst du?", fragte sie, als ich ihr Zimmer morgens betrat.
„Aus Deutschland."
Sie winkte ab.
„Woher genau?"
„Das ist ein winziges Dorf in der Nähe von Hamburg, das werden Sie nicht kennen."
Langsam nickte die Frau.
„Hamburg, das mochte mein Enkel. Mein Mann kam von dort, und ich habe ein paar Jahrzehnte mit ihm dort gelebt. Als Harry geboren wurde, bin ich zurück nach England. Wir haben die Bilder von damals zusammen angeschaut, und er hat sie geliebt."
Ein Lächeln bildete sich auf meinen Lippen, als sie so schwärmte.
Sie musste sich gerade vorstellen, wie es in Hamburg war, denn ihr Blick war schon lange nicht mehr in diesem Zimmer.
Dann schüttelte sie den Kopf.
„Diese Erinnerungen machen mich immer sentimental. Du musst mich unbedingt davon abhalten, dir solche langweiligen Geschichten zu erzählen, sonst weine ich bald wie ein Schlosshund."
„Ich habe die Brause dabei", meinte ich schmunzelnd.
Inzwischen wusste ich, dass es das war, worauf sie hinaus wollte.
Doch heute schüttete sie das rosa Pulver erst auf ihre Hand.
„Wer zuerst fertig ist mit Zählen."
„Damit sind wir bis morgen beschäftigt!"
„Mein Harry hat so zählen gelernt", gluckste sie nur und begann, mit ruhiger Hand die winzigen Körner zu zählen.

„Tust du mir einen Gefallen und gibst ihm Himbeerbrause, wenn du ihn mal siehst?", sagte sie.


himbeerbrauseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt