fünfundvierzig | butterblume

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„Ich wusste gar nicht, dass du dich so gut bei Menschen einschleimen kannst", schmunzelte ich, als wir zwei Stunden später am Ufer der Elbe standen und auf die sanften Wellen blickten.
„Bei deinen Eltern?", fragte Harry ein wenig verwirrt.
„Nein, bei mir. Du hattest viel Himbeerbrause zur Hilfe? Wirklich?"
Ich blickte ihn grinsend von der Seite an.
Man konnte nicht bestreiten, dass Harry ein hoffnungsloser Romantiker war, und vielleicht war es gerade das, was mich in unserer Beziehung so verrückt machte.
Dass ich keine Ahnung hatte, ob er jedem gegenüber so war, oder ob das die Himbeerbrause war.
Oder ich.
Hätte er mich einfach so geküsst?
Harry, der Herzensbrecher, der Ladylover, der Sprunghafte.
Beinahe schüttelte ich den Kopf, als ich an die Artikel dachte, welche ich nach Marys Tod gelesen hatte.
All diese Bezeichnungen passten überhaupt nicht zu dem jungen, kreativen, etwas verrückten Romantiker neben mir.
Der im Übrigen gerade wieder dabei war, etwas zu tun, was ich ganz und gar nicht einschätzen konnte.
„Danke, dass du mich hierher gebracht hast. Manchmal vergesse ich, wie es ist, alleine zu sein, wenn man wirklich draußen ist", meinte er und hielt mir eine Butterblume entgegen, die schüchtern das strahlende Gelb ihrer Blüte offenbarte.
„Danke, dass du mir die Chance gibst, wieder mal hier zu sein", antwortete ich leise mit einem sanften Lächeln, bevor ich ihm die Blume ins Haar steckte.
Dann hielt ich kurz inne und schüttelte den Kopf.
„Kannst du mir verraten, wie du es selbst so schaffst, gut auszusehen?"

„Das liegt eindeutig an der Himbeerbrause", sagte er.


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