neunundsechzig | gedankenverlieren

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Das Klicken des Türschlosses verriet ihn, noch bevor ich seine Stimme hörte.

Ich saß im Wohnzimmer auf dem Teppich und las Gerüchte.

In den letzten Tagen hatte ich mich von London abgekapselt, nur noch am Handy gesessen, manchmal neben der Steckdose.

Selbst im Schlaf hatte sich mein Gehirn neue Gerüchte ausgedacht.

Er befreite es vorsichtig aus meinem Griff und brachte es in die Küche.

Ich sah ihn wortlos an.

„Du hast gar nicht geschrieben", sagte er.

Ich schluckte.

Ich hatte nicht geschrieben.

Dafür hatte er nicht geantwortet.

Vielleicht sollte ich mich fragen, was ich dann trotzdem hier machte, in London, in seinem Haus, zu dem ich immer noch einen Schlüssel hatte.

„Weißt du, wo das Problem liegt?", fragte er und setzte sich neben mich.

Meine Finger hatten sich im Teppich verfangen und zupften Fusel hinaus.

„Wir haben zu viel Angst", sagte er nach einer Weile.

Vorsichtig befreite er meine Hand aus dem Teppich und zeichnete mit dem Daumen abstrakte Muster auf meinen Handrücken.

Es hatte mich schon immer fasziniert, wie leicht es ihm fiel, zu lügen.

„Nein. Das einzige Problem hier bin ich", sagte ich.

Wäre es nach mir gegangen, hätte ich meine Hand jetzt weggezogen, doch mein Körper protestierte.

„Wieso halte ich dich dann nicht davon ab, wegzurennen? Wieso sage ich niemandem etwas? Wieso stelle ich mich nicht einfach vor die Welt und mache es öffentlich? Wieso sitze ich nicht jeden Tag neben dir und lese Gerüchte? Wieso mache ich einfach weiter, wenn ich die Liebe meines Lebens gefunden habe? Wieso lasse ich dich immer gehen?"

Jetzt war er es, der seine Hand wegzog, um die Tränen von seinen Wangen zu wischen.


„Weißt du was? Das lässt sich ändern. Sogar ohne Himbeerbrause", sagte ich.


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