siebenundsechzig | gerüchteküche

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„Nicht wegrennen. Okay?"

Harry drückte ein letztes Mal meine Hand, bevor er auf die Bühne lief.

Mit dem Jubel breitete sich Adrenalin wie Wärme in meinem Körper aus.

Nein, diesmal würde ich wieder stehenbleiben und Harry beobachten und ihm einen Kuss auf die Lippen drücken, wenn er vor der Zugabe kurz zurückkam, und wenn er dann ganz fertig war, würde ich ihn an mich drücken und nie wieder loslassen, egal, wie verschwitzt er war.

Und ich würde nicht aufhören, zu lächeln.

Nicht, dass ich dazu überhaupt in der Lage war.

Seitdem ich vor ein paar Tagen die Worte ausgesprochen hatte, die mir schon so lange auf der Zunge brannten, war in Harry ein neues Licht aufgegangen, und während er über die Bühne hüpfte, strahlte er übers ganze Gesicht.

Irgendwann schaffte er es, die Menge einigermaßen zu beruhigen, um sich mit jemandem aus der ersten Reihe zu unterhalten.

„Hast du genug zu trinken? Ich habe wirklich Angst, dass du gleich umkippst, so viel, wie du hier mitsingst und rumspringst", sagte er grinsend zu einem der Mädchen.

Ich ging einen Schritt zur Seite, um sie besser sehen zu können.

Sie konnte nicht besonders alt sein, höchstens 13, und sah in der Tat so aus, als würde sie gleich in Ohnmacht fallen.

Kopfschüttelnd blickte ich zu Harry.

Wieso ging er auch immer auf diejenigen zu, die sowieso schon viel zu schwach waren, als dass sie seine Nähe ertragen könnten?

Ihre Antwort verstand ich nicht, weil Harrys Stimme einen weiteren Jubel auslöste, doch plötzlich war das Grinsen aus seinem Gesicht verschwunden und unsere Blicke kreuzten sich für einen Moment.

Meine Augenbrauen zogen sich wie von selbst zusammen.

Und dann vergaß ich meinen guten Vorsatz, lief zum Bus zurück und griff nach meinem Handy, um die Gerüchte, die ich seit Harrys missglückter Überraschung nicht mehr gelesen hatte, nachzuholen.

Irgendwann kam er auch, fand mich im hinteren Busteil auf dem Boden sitzend, immer noch am Handy klebend.

Weil es, obwohl es so wehtat, auch so fürchterlich süchtig machte.


„Jetzt hilft auch keine Himbeerbrause mehr, oder?", sagte er.

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