Unerwarteter Besuch

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Während wir unseren Kaffee tranken, klingelte Samu's Handy  und als er hörte, wer dran war, klang er nicht sonderlich begeistert. Höflicherweise sprach er englisch, damit ich das Gespräch verfolgen konnte.

,,Hi, Jukka! Wir sind erst vor kurzem angekommen!" Er hörte eine Weile zu: ,,Jukka, das wäre schon in einer Stunde! ... Ja, okay du hast recht, ich bin zum Arbeiten hergekommen. Gut, dann sehen wir uns gleich!"

Er drückte den Anruf weg. Mitfühlend sah er mich an: ,,Angie, du hast es gehört. Jukka kommt gleich vorbei. Wir müssen ein wenig an neuen Songs feilen.

Was hälst du davon, wenn Du Dich mit einem guten Buch, Kaffee und was zum Naschen auf die Dachterrasse setzt und deinen Urlaub auskostest? Das dauert bestimmt nicht so lange."

Ich blickte ihn nicht begeistert an, aber ich nahm mein Schicksal an: ,,Unter einer Bedingung! Wir gehen heute Abend Essen und machen ein bisschen Party!" Ich schaute ihn mit einem eingeübten "treue-Hundeblick" an. Samu zögerte ein wenig mit der Antwort: ,,Mal sehen, ich lasse mir was einfallen",  zog er sich vorerst aus der Schlinge. ,,Komm, ich begleite dich noch. Er nahm mich abermals an die Hand und wir machten es uns auf den Outdoor Sesseln bequem.

Kaum waren wir draussen, hing Samu schon wieder an einer Zigarette. Ich schaute ihn missbilligend an. Natürlich bemerkte er meinen Seitenblick und sagte: "Du magst das nicht, ich weiß, aber das werde ich mir nicht so schnell abgewöhnen! Ich rauche seit meinem 14. Lebensjahr und ein Laster darf der Mensch doch haben, oder?" Jetzt schaute er mich mit Dackelblick an. Bei mir zeigte dieser mehr Wirkung: ,,Wenn es nur das Rauchen betrifft, werde ich wohl damit leben können!"

Ich sah ihn verschmitzt an: ,,Aber eins mußt du mir versprechen..." ,,Und was?", unterbrach Samu mich.

,,Bitte rauche nie gleich, nachdem wir miteinander was hatten, okay? Oder kurz vorher. Dann kann ich gleich 'nen Aschenbecher knutschen und irgendwie hätte ich dann das Gefühl, du arbeitest eine bestimmte Reihenfolge ab!"

,,Versprochen, Sokeri." Er küsste mich auf die Stirn. In diesem Moment surrte die Gegensprechanlage. Scheinbar war Jukka da.

Samu ging zur Tür b.z.w Aufzug und vergewisserte sich, wer dort unten stand.

Nachdem Jukka sich gemeldet hatte, dauerte es nicht lang und er stand im Penthouse. Neugierig hatte ich mich zu ihm umgedreht. Er winkte und grinste mich an, dann stieß er Samu an die Schulter und grinste noch breiter. Bestimmt hatte er irgendeinen Spruch über mich gerissen. Er ließ es sich auch nicht nehmen und begrüsste mich: ,,Hallo, schöne Dame", sagte er auf Deutsch und grinste immer noch. Ich erwiderte auf Finnisch: ,,Moi, moi kaunis mies!" Samu sah mich schmollend an. ,,Mich hast du noch nie einen schönen Mann genannt!" Ich lächelte ihn verfüherrisch an und sagte: ,,Suuri, dir muß ich sowas nicht sagen. Dich lass ich es fühlen!"

,,Oh, my god...lass uns lieber arbeiten gehen, bevor ich rot werde!", meinte Samu schmunzelnd und schob Jukka am Rücken vor sich her in Richtung Studio. Beide winkten mir nochmal zu und dann waren sie hinter der schweren Tür verschwunden.

Da saß ich also allein auf dieser traumhaften Terrasse und wusste nicht, was ich tun sollte.

Erstmal die Sonne geniessen. Wie gut, dass ich auch an Badeklamotten gedacht hatte. Ich kramte sie aus meiner Tasche und verschwand damit im Bad.

Zurück auf der Terrasse, legte ich mich auf die Sonnenliege und war im Null Komma Nichts eingeschlafen... als ich die Augen aufmachte, blickte ich erschrocken in das Gesicht einer etwa Anfang 60-jährigen Frau, die mich genauso entsetzt an sah, wie ich sie!

,,Kuka sinä olet?", fragte sie und fixierte mich abschätzend von oben bis unten.

Ich überlegte etwas und kam dann darauf, dass es wohl heißen mußte "Wer ich bin?"

,,Nimini, Angie...!", antwortete ich eingeschüchtert. Die fremde Frau sagte nichts und sah sich suchend um. Dann rief sie nach Samu. Ich antwortete ihr: ,,He is in the studio with Jukka!" Ihr Blick mir gegenüber ließ mich spüren, dass ihre Vermutung, ich könnte nur wenig Finnisch, richtig war.

Sie stürmte auf das Studio zu und ich lief ihr hinterher. Sie übersah vollkommen das rote Leuchtschild über der Tür! ,,Do not enter" stand dort. Dann riss sie die Tür auf und fing an wie ein Rohrspatz zu keifen, so dass sogar Samu und Jukka, die beide normalerweise nicht auf den Mund gefallen waren, die Münder offen standen und nichts sagten.

Als erstes fand Samu seine Worte wieder: ,,Mama!" Was ist los? Wo kommst du plötzlich her?" fragte er sie auf englisch, damit Ich, die schräg hinter Samu's Mutter stand, auch verstand um was es ging.

,,Oletko unohtanut äidinkieli?", fragte sie Samu vorwurfsvoll.

Er antwortete auf englisch: ,,Nein, ich habe meine Muttersprache nicht verlernt. Aber ich finde es unhöflich, in Gegenwart meiner Freundin Finnisch zu sprechen, da Sie es noch nicht so gut versteht!"

Diese Antwort von Samu gefiel mir. Er trat seiner Mutter sehr curagiert gegenüber auf. Das ließ sie auch etwas nachdenklich werden und bei ihrer nächsten Frage, mässigte sie ihren Ton und war freundlicher. Allerdings immer noch auf Finnisch. Ich verstand nur ,,Dame" und "vorstellen" und reimte mir zusammen, dass Samu mich seiner Mutter vorstellen sollte. Samu antwortete weiter auf Englisch ,,Das ist Angie, Mama und Sie kommt aus Deutschland!"

,,Oh!", sagte sie ziemlich wortkarg.

Jetzt sprach sie auch englisch und fragte dann: ,,Woher kommen Sie?" Ich lächelte sie an und sagte: ,,Aus Schleswig. Das ist eine Kleinstadt. Das muß man nicht kennen. Dabei sprach ich sie mit Miss Haber an. Bevor seine Mutter etwas darauf erwidern konnte, sagte Samu: ,,Du kannst sie "Eve" nennen, nicht wahr, Mama?" Damit hatte er seiner Mutter das Pulver aus der Kanone genommen, die gerade erwähnen wollte, dass sie nicht Haber heißt, sondern wieder ihren "alten Familiennamen" nach der Scheidung von ihrem Mann angenommen hatte. Sie setzte eine freundliche Miene auf. ,,Natürlich kann Sie das", sagte sie jetzt etwas aufgesetzt.

Dann sah sie mich wieder etwas abschätzend an und meinte: ,,Suuri, sollte sich Deine Freundin nicht etwas überziehen?"

Ich sah zu Samu und musste grinsen. Er grinste zurück!

Deswegen hatte er gesagt, er mag es wie ich "Suuri" sage, denn seine Mutter sagte es phonethisch richtig mit "sanften" s und ich sagte "Suuri" mit scharfen "s". Was für eine Parallele!

Aber sie hatte recht! Ich stand etwas unpassend gekleidet zwischen Eve, Samu und Jukka.

Samu fischte nach einer leichten Decke, die auf einem Stuhl lag und schlang sie mir um die Schultern. ,,Aua!" Zischte ich schmerzerfüllt zwischen meine Zähne hindurch.

Da hatte ich wohl einen mächtigen Sonnenbrand auf den Schultern. ,,Sorry, Sokeri", sagte er und wollte mir einen Kuss geben, was ihm einen Stupser von mir in die eine Seite und einen weiteren von Jukka in die andere Seite bescherte.

Eve beäugte die Szene belustigt.

Das brach etwas die angespannte Stimmung und Samu fragte seine Mutter endlich, was er schon gleich anfangs hatte tun wollen: ,,Was machst du eigenlich hier? Wir wollten dich doch besuchen!"

Sie blickte zu mir und sagte mit einem Schulterzucken : ,, Ich war neugierig!"

Also hatte sie doch gewusst, wer ich war? Okay, sie hatte mich noch nie gesehen, aber wohl geahnt,  dass Ich die besagte Freundin von Samu sein musste. Das war eine gute schauspielerische Leistung! Der Apfel fiel eben doch nicht weit vom Stamm!

,,Morgen möchte ich euch zu Kaffee und Kuchen bei mir einladen!

Santu und Saana werden auch da sein!" Mit diesen Worten ging sie Richtung Fahrstuhl. Sie trat ein und bevor sich die Aufzugtür schloss, sagte sie: ,,Keine Widerrede, mein Sohn!" und so plötzlich, wie sie aufgetaucht war, so plötzlich war sie auch wieder weg.

Verduzt sahen wir uns an und jetzt fand Jukka seine Sprache wieder: ,,Bin ich eigentlich auch eingeladen? Ich liebe den Kuchen von Eve!"

Eine Liebe auf Umwegen/ Life is a rollercoaster (F.S.K ab 18j)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt