17_Lucien

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Ist es Mut oder Leichtsinn was ich tue? Unterscheiden sich diese beiden Begriffe überhaupt so sehr voneinander?


Mal sehen was der Rebell jetzt von meinem Mut halten würde. Er hatte mich falsch eingeschätzt, aber vermutlich war seine Einschätzung meines Äußeren auch nicht ganz falsch gewesen. Normalerweise hatten Jungen meines Alters wohl nicht so ein hartes Training hinter sich, wie ich es tat.

Mein Vater hatte stets auf dieses bestanden, auch wenn ich nicht den Grund dafür gekannt hatte, doch jetzt im Nachhinein war ich wirklich dankbar dafür. Seit der Kindheit von den besten Kampflehrern unterrichtet zu werden hatte durchaus seine Vorteile, vor allem, da das Leben hier nicht so friedlich, bunt und schön war, wie ich es erwartet hatte. Und vielleicht konnten mir meine Fertigkeiten ja auch einen gewissen Respekt bei den Rebellen verschaffen und mir ein paar Türen öffnen.

Der alte Mann wirkte einen Moment überrascht, aber dann trat Verärgerung in seinen Blick. Situation schon wieder falsch eingeschätzt. Ich kam mir langsam immer hilfloser in dieser Welt, außerhalb meines Zuhaues vor.

Konnte ich hier wirklich zurecht kommen? Oder würde ich schon morgen daran zugrunde gehen und sterben? Wie sollte ich nur in einer Welt überleben, die sich so sehr von der Welt unterschied in welcher ich aufgewachsen war? Die so viel feindseliger war?

Es tat gut, dass sich nicht alle bei mir einschleimten und genau das sagten was sie glaubten, dass ich hören wollte oder immer freundlich reagierten, egal was ich sagte oder tat. Aber vermutlich würde ich mich auch genau deswegen ziemlich tief in die Scheiße reinreiten. Woher sollte ich wissen, wie viel in Ordnung war und was eine gewisse Grenze überschritt?

Ich verfolgte mit einer gewissen inneren Anspannung das Gespräch zwischen den beiden Rebellen. Manieren besaß ich durchaus, aber ich bezweifelte, dass der alte Mann meine Manieren wirklich sehen oder hören wollte. Dann würde ich nämlich definitiv als Adeliger auffallen.

Auf seine Aufforderung hin nickte ich einfach nur knapp und beobachtete dann einen Moment lang wie er in der Menge verschwand, ehe ich mich wieder dem Löwen zuwandte. Ich fragte mich immer noch, warum er diesen Spitznamen trug. Löwen waren doch ein Symbol für Mut, Tapferkeit und Stärke, oder? Was hatte er gemacht um sich diesen Namen zu verdienen?

Ich hoffte, dass er das Ganze mit Humor nehmen würde, aber sein Grinsen verschwand augenblicklich und er fing an zu fluchen. Ich ballte nur meine Fäuste und blickte ihn mit einer Mischung aus kühler Reserviertheit und Entschlossenheit an. Ich bereute nichts. Ich hatte ihm gezeigt, dass mehr in mir steckte, als er vermutlich erwartet hatte.

Wahrscheinlich sollte ich mich ihm gegenüber respektvoller verhalten, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass er Stärke vielleicht mehr akkredierte als Speichellecker. Und ich hatte auch keinerlei Lust unter seinem Willen zu kuschen.

Seine Bemerkung zu meinem Schlaf ignorierte ich einfach als ich den ersten der Männer mühsam hochhievte. Im Kampf war ich definitiv besser trainiert als in irgendeinem Krafttraining. Ich war nicht der Schwächste und meine Muskeln waren zudem verbessert worden, aber das bedeutete nicht, dass ich Männer, die mindestens das Doppelte meines Gewichts wogen, leicht wie eine Feder hochheben konnte. Müdigkeit verspürte ich kein bisschen- ich hatte genug für heute geschlafen. Ein weiteres Problem, wie mir inzwischen auffiel. Es würde auffallen, dass ich nicht mehr als 3 Stunden Schlaf am Tag brauchte- aber darum würde ich mir später Gedanken machen.

Auch seine Bemerkung zu meinen Kampfkünsten vernahm ich genauso, wie ich sie überhörte. Ich schleppte mühsam einen nach dem anderen der Männer in eine ruhige, abgelegene Seitengasse und dort auf eine Bank. Sie würden selbst klarkommen müssen, wenn sie wieder aufwachten. Ich hatte keine Pause eingelegt und meine Muskeln zitterten leicht vor Erschöpfung, aber ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen, als ich zu dem Löwen zurückkehrte.

"Woher ich meine Kampfkünste beherrsche, lass meine Sorge sein. Ich kenne nicht mal deinen Namen, warum sollte ich dir also gleich so viel von mir verraten? Jeder hat seine Geheimnisse, über die er nicht gerne redet...", entgegnete ich und verschränkte meine Arme vor meiner Brust.

"Und ich habe auch nie auf der Straße gelebt, wie ich schon mal erwähnte. Ich habe mein ganzes Leben auf einem Bauernhof verbracht und natürlich hatte ich einen Lehrer. Es gibt zufälligerweise nicht nur eine Person, die auf einem Bauernhof arbeitet..."

Meine Stimme hatte einen leicht spöttischen Klang angenommen.

"Wolltest du nicht zurück? Ich glaube dich gesagt hören zu haben dass du müde bist und ins Bett willst, nicht wahr?" Er wollte Stärke und Mut an mir sehen? Konnte er gerne haben. Ich würde ihm jedenfalls definitiv die Stirn bieten und mich nicht so leicht von ihm unterkriegen lassen. Egal ob es nun letzten Endes fehlender Respekt, Dummheit, Trotz oder Mut war.

"Und ich würde morgen gerne möglichst früh aufstehen und mit dem Training anfangen. Ich bin die drei Männer losgeworden, weil ich mir erhofft habe von dir mehr als von ihnen lernen zu können. Und ich weiß zudem noch nicht viel über die Lage dieser Stadt und euch Rebellen. Es gibt also noch eine ganze Menge zu lernen..."

Lynx&Lion - The RebellionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt