56_Azad

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Ich hörte ihm interessiert zu, während er erzählte. Es war wirklich nett mal was von seinem Leben zu hören, auch wenn es nichts war, was mich normalerweise interessierte. Auch ihn schien es positiv überrascht zu haben, darauf angesprochen zu werden. Es war kein besonders schönes bisheriges Leben gewesen, doch ich lächelte dennoch. Es war ein sanftes Lächeln, auch wenn es bei mir vermutlich nicht ansatzweise so sanft aussah wie das Lächeln, was er mir schon so oft gezeigt hatte. Ich hatte das Gefühl, dass mein Lächeln eher einer Grimasse glich. Es würde sich ändern, wenn er bei mir blieb. Wer weiß, vielleicht würde ich doch tatsächlich anfangen oft zu lächeln. Mein Lächeln sollte kein Mitleid zeigen. Ich hasste Mitleid und hatte nie so recht dessen Grund verstanden. Es sollte ein lächeln sein, welches ihm zeigte, ich würde ihn verstehen. Ich konnte meine Erfahrungen nicht mit seinen Vergleichen. Diesen Fehler hatte ich schon ein mal begangen und ich hoffte es nicht noch ein zweites mal tun zu müssen.

Als er sich erhob, folgte ich seinen Beispiel, doch anstatt einfach weg zu gehen, umarmte er mich ein weiteres mal. Er schien Umarmungen wirklich zu mögen und ich würde ihn dafür vermutlich nie wirklich verurteilen können. Noch immer war es ungewohnt, aber es war nicht mehr so seltsam. Tatsächlich erwiederte ich die Umarmung.

Es war schon ziemlich seltsam, wenn man bedachte, dass wir nackt waren. Ich konnte doch tatsächlich Blicke auf uns spühren. So angenehm seine Umarmung auch war, die Situation an sich war schon etwas unangenehm.

"Weißt du, Luc, auf die meisten dürfte es gerade so wirken, als würdest du was von mir wollen", hauchte ich leicht grinsend in sein Ohr, "und auch wenn mich die meisten nicht wirklich interessieren, wollen wir doch sicherlich keine falschen Gerüchte über uns." Irgendwas in mir wollte, dass es keine falschen Gerüchte über uns waren, aber ich ignorierte diesen Teil, der auch noch mein Herz etwas schneller schlagen ließ. Mein Verstand wusste, dass es am Ende nur zu unnötig vielen Problemen führen dürfte.

"Wenn du also nichts dagegen hast, sollten wir jetzt gehen." Meiner, noch immer sehr gehauchten Stimme, konnte man vermutlich ziemlich gut das grinsen entnehmen. Dagegen hatte ich zwar natürlich nichts, aber vielleicht klang es für ihn so, als würde ich wegen der Umarmung selbst verschwinden wollen. Mic wusste dass es nicht so war, richtig?

Ich machte mir nur zu viele Gedanken. Langsam sollte ich wirklich damit aufhören. Wann hatte ich eigentlich damit angefangen? Heute morgen vermutlich.

Vorsichtig drückte ich ihn von mir weg und grinste ihn leicht verschlagen an. Meine Hände lagen wie heute morgen auf seinen Schulter und ich blickte ihm in die Augen. Gott, ich mochte seine Augen und doch wollte ich mich auch nicht zu sehr auf sie konzentrieren. Es wäre zu offensichtlich und würde zu Problemen führen. Mir fiel seltsamerweise ein leichter gold Schimmer in seinem einen Auge auf. Es war - ich sollte wirklich nicht so denken - verdammt schön.

Ich entschied mich ihn nicht darauf anzusprechen, denn das würde heißen, dass er heraufindet wie schön ich seine Augen finde. Stattdessen grinste ich nur noch etwas breiter. "Aber weißt du, mein Luchs, ich weiß jetzt schon, dass es wirklich keine schlechte Idee war, einen Freund wie dich zu finden, auch wenn meine Definition von Freund vermutlich etwas anders sein dürfte, als deine. Ich bin froh, dass wir uns, trotz unseres Streits, so gut verstehen, Luc."

Ich glaube ich hatte etwas zu viel gesagt, auch wenn definitiv nur ich und Mic es gehört hatte. Noch ein weiteres mal versuchte ich mir nicht anmerken zu lassen, dass ich diese ach so sentimentalen Worte tatsächlich ausgesprochen hatte. Ich nahm meine Hände von ihn - sie zitterten leicht - und drehte mich um, um aus dem Becken zu steigen. So warm die Luft eigentlich war im Vergleich mit dem kalten Wasser im Becken, war es dennoch kalt. Kühl genug, dass ich doch tatsächlich Gänsehaut bekam. Ich verschränkte schon fast automatisch meine Arme vor der Brust.

Noch immer spührte ich einige Blicke auf uns und ich hasste jeden einzelnen davon. Warum hatte ich eigentlich wieder angefangen diese Blicke wahrzunehmen. Am Ende würde es mich doch sowieso nur nerven andauernd diese Blicke in meinen Nacken zu spüren. Leicht gnervt blickte ich über die anderen Becken mit den Leuten in diesen hinweg, ohne jedoch wirklich darauf zu achten wer hier war und wer davon uns tatsächlich anblickte. Damit wollte ich gar nicht erst anfangen. Schon oft war ich in Schlägereien gelandet, weil ich dachte angestarrt zu werden. Nicht selten hatten mich meine armen Opfer noch nicht einmal angestarrt. Für eine lange Zeit lang war ich wirklich zu paranoid gewesen. Victor hat mir damals beigebracht nicht mehr paranoid zu sein.

"Ein Beutetier muss paranoid sein, aber Raubtiere sind nie paranoid. Warum sollten sie auch? Sie wissen, dass kein Beutetier sich mit ihnen anlegt. Beutetiere haben nur Angst vor ihnen und das wissen sie auch. Willst du also weiterhin paranoid wie ein Beutetier sein, oder bist du ein Raubtier, Löwe", hatte er mir damals erzählt und seitdem habe ich versucht nie mehr paranoid zu sein.

"Kommst du, Luc?" meinte ich dann wieder in normaler Lautstärke ohne mich umzudrehen. Dann ging ich ohne groß auf ihn zu warten in einen seperaten Raum, der etwas zu stark nach allen möglichen Seifen stank. Ich versuchte den Gestank so gut es eben ging zu ignorieren.

"Wenn du dich noch mit Seife waschen möchtest, kannst du es hier tun. Seife liegt da." Ich zeigte auf einen kleinen Teller mit einigen gut benutzten Stücken Seife. Wie immer nahm ich ein weißes, nur wenig abgenutztes Stück, welches nach fast gar nichts roch.

Ich wusch mich recht schnell und wartete bei der Tür auf Mic. Diese Tür führte in die Umkleide, wo wir taten, was man in einer Umkleide nun mal machte. Als letztes band ich wieder meine Augenklappe fest, sodass sie nicht verrutschte. Es dauerte wie immer etwas, weshalb dieses Mal Mic schneller fertig war als ich. Ich mochte wirklich nicht, wenn Leute auf mich warten mussten, aber so war es nun mal.

Wir verließen das Gebäude zusammen und gingen zurück zur Bar, wo die anderen natürlich schon auf uns warteten. Es war wie erwartet ziemlich voll, wenn auch momentan alle Anwesenden Rebellen waren, von denen ich alle kannte. Sogar die Elster konnte ich an der Theke sitzen sehen. Er grinste mich an und musterte Mic kurz danach von oben bis unten. Er war aber nicht der Einzige, der kein Rekrut mehr war, hier. Ich würde ihnen Mic persönlich vorstellen müssen.

"Willst du dich selbst vorstellen, Luc, oder soll ich das für dich tun?"

Lynx&Lion - The RebellionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt