42_Azad

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Mic umarmte mich. Es fühlte sich seltsam an. Gut. Ich erwiederte die Umarmung nicht. Dennoch genoss ich es.
Mic weinte. Ich konnte seine Tränen auf meiner Schulter fühlen. Sie waren warm und nass. Wie er selber.
Mic redete. Seine Worte sollten mich beruhigen. Sie halfen mir. Ich konnte mich nur etwas beruhigen. Seine sanfte Stimme.
Mic war anders. Anders als alle die ich bisher gertoffen habe. Anders, als die Version, die er mir bisher gezeigt hat.

Ich wusste nicht wie ich reagieren sollte. Seine Umarmung fühlte sich zu gut an um mich zu bewegen. Seine Stinme war zu beruhigend um ihn unterbrechen zu wollen. Seine Worte waren genau das, was ich gerade hören wollte - hören musste.
Seit Jahren hatte mich keiner mehr umarmt. Nie hatte sich eine Umarmung so gut angefühlt. Niemals hatte ich eine so sehr gebraucht wie jetzt. Nicht in tausend Jahren hätte ich gedacht, dass man mich mal so umarmen würde.
Ein kleiner Teil in mir hasste es. Er war es nicht gewohnt und hielt es für schwach. Es sei etwas, dass ich nie genießen sollte. Ich ignorierte diesen Teil, denn er war momentan selbst zu schwach um mich zu kontrollieren.

"Ja," hauchte ich, als Mic fertig war. Mehr konnte ich gerade nicht aus mir raus holen und mehr brauchte es vermutlich nicht. Tatsächlich musste ich momentan lächeln. Ich konnte nicht anders.
Langsam sammelte ich mich wieder. Mein Verstand kam zurück und der Teil von mir der Umarmungen hasste wurde leider wieder stärker.
Ich blickte in Mics Gesicht, als ich ihn vorsichtig von mir weg drückte. Es waren nicht seine Augen in die ich zuerst blickte, dass konnte ich nicht, auch wenn ich wusste, dass sie nicht verurteilend waren. Bevor ich jedoch wirklich in diese blicken konnte, bemerkte ich wie nah wir uns waren. Zu nah, sagte mir mein Verstand. Mein Herz schien was anderes zu wollen.
Ich hörte auf meinen Verstand.
Mein Blick senkte ich daraufhin auf den Boden zwischen uns. Mein kurz verstummter Kopf begann wieder schmerzhaft zu brummen. Ich hatte eindeutig zu viel und brauchte schlaf.

"Danke", meinte ich ehrlich mit fester und dennoch sanfter Stimme. Für einen kurzen Moment hätte ich ihn wieder in eine Umarmung gezogen, aber mein Verstand verhinterte es.
Ich ließ meine Arme sinken. Meine Hände, die bis dahin auf Mics Schultern gelegen hatten, ließ ich auf meine Beine nieder. Ich wollte nicht aufstehen und vielleicht sollte ich es auch nicht, aber ich wollte ins Bett. Mein Verstand wollte von mir, sofort aufzustehen und zu verschwinden. Mein Herz wollte bei Mic bleiben. Ich hörte größtenteil auf mein Herz und blieb sitzten. Noch immer blickte ich auf den Boden und lächelte leicht, während ich das Gesagte in meinem Kopf durchging. Er hatte vermutlich gedacht ich würde ihn lästig finden,dass er mir nur im Weg stehen würde.

Für einige Sekunden saßen wir nur da. Ich wusste nicht woran er dachte, was er machte oder wo er hin sah, aber das brauchte ich auch nicht. Mein Blick wich ihm noch immer aus, als ich mich langsam hoch hiefte.
Es war schwerer als es hätte sein sollen, aber es dauerte nicht lange bis ich mehr oder weniger sicher auf beiden Beinen stand. Erst dann blickte ich wieder auf Mic. Er hatte das nasse Shirt ausgezogen und sah vermutlich nicht viel erbärmlicher aus als ich.
Ich wollte ihm sagen, dass ich ihn nicht lästig fand, dass ich es nur einfach nicht gewohnt war. So sehr ich es jedoch auch wollte, ich ließ es sein. Ich wollte dennoch etwas sagen, aber ich wusste nicht was. Ich hatte so viele Ideen was ich sagen könnte und dennoch hatte ich keine einzige.

"Ich sollte wirklich etwas schlafen," stellte ich nach einer Weile fest, nachdem ich mir noch ein weiteres mal überlegt habe ihn wieder zu umarmen. Das war nicht ich, oder? Das war das alte, naivere Ich und der restliche Alkohol in meinem Blut. Es war eine Seite an mir, die ich normalerweise immer wegsperrte und die nur raus kommen konnte wenn ich betrunken war. Ich war mir dessen nur fast komplett sicher.
"Und du solltest so vermutlich auch nicht raus", meinte ich während ich auf seinen unbekleideten Oberkörper blickte. Ich wusste zwar nicht, was ich erwartet hatte, aber er war muskulöser, als ich vermutlich unterbewusst gedacht hatte.
"Willst du ein anderes Shirt, oder willst du hier warten bis das alte getrocknet ist?" Ein Teil von mir hoffte, er würde bleiben. Einem kleinen Teil war es egal, was Mic jetzt machen würde. Der winzige Rest möchte, dass er geht.

"Was zum Teufel war eigentlich los mit dir? Seit wann warst du so und warum lässt du es auch noch zu?" sagte mir dieser winzige Teil und ich beachtete ihn gar nicht erst.

Ich hob das nasse Shirt auf, dass auf dem Boden lag, ohne wirklich zu wissen, was ich damit jetzt genau machen sollte. Noch nicht mal daran, wo wir normalerweise nasse Sachen trocknen ließen, konnte ich mich momentan erinnern. Ich hielt es einfach nur und legte es auf die Fensterbank, bevor ich das kleine Fenster öffnete.

Danach ging ich wieder zu Mic. Leicht klopfte ich ihm auf die Schulter, bevor ich meine Hand schließlich auf seiner Schulter liegen ließ, und blickte in seine braunen Augen. Ich mochte seine Augenfarbe, auch wenn ich nichts hatte mit der man diese hätte vergleichen können. Zumindest fiel mir gerade nichts ein. "Sag außerdem nie wieder du wärst schwach, denn das bist du nicht, und wehe du denkst auch nur daran, ich würde dich lästig finden. Wenn ich nicht dein Mentor hätte sein wollen, wäre ich es nie geworden. Verstanden?" Es tat unerwartet gut es zu sagen.

Danach nahm ich meine Hand von seiner Schulter und ging in das kleine Nebenzimmer, wo ich mich fast komplett auszog. Kaum hatte ich mich dann hingelegt, holte mich meine Erschöpfung ein. Es dauerte vermutlich nicht mal eine Minute, bis ich eingeschlafen war.

Lynx&Lion - The RebellionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt