20_Azad

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Es dauerte nicht lange, bis ich bei unseren kleinen Wohnung ankam, welche ungewöhnlich einladend wirkte. Obwohl es zu dunkel war um viel zu sehen, war es offensichtlich wie viel sauberer und ordentlicher es war. Jedoch begann ich jetzt schon es nicht zu mögen und ich spannte mich unbewusst deswegen an.

"Wo warst du so lange?", ertönte eine Stimme und ich bemerkte, dass Helin in einer Ecke saß. Es schien als hätte sie auf mich gewartet. Es kam ziemlich oft vor, dass ich erst spät oder erst am nächsten Tag wieder nach Hause kam, weshalb es ungewöhnlich war, dass sie auf mich wartete. Es gab keinen Grund für sie zu warten, falls das der Grund war, warum sie noch wach war.
"Denk jetzt nicht, dass ich auf dich gewartet hätte", sagte sie, als hätte sie meine Gedanke gelesen. "Es ist nur so ungewohnt es so zu sehen. Es erinnert mich irgendwie an Mutter und ich bin mir nicht sicher ob ich das mag."

Es stimmte. Unsere Mutter hatte zwar immer ziemlich wenig Zeit hier oder mit uns verbracht, aber sie hat es dennoch irgendwie geschaft, dass Haus immer ordentlich zu halten und uns mindestesns eine warme Mahlzeit am Tag zu kochen. Sogar geschlafen hat sie so gut wie nie bei uns. Sie hatte noch nicht mal wirklich viel Zeug von ihr hier gehabt. Es war schon immer eher unsere Wohnung, in der sie nur als Putzfrau und Köchin fungierte. Das letzte Mal, dass ich den kleinen Raum so aufgeräumt gesehen habe war kurz vor dem Tod unserer Mutter, an den ich mich am besten von uns dreien erinnern kann.

"Ich mag es nicht. Bist du dir wirklich sicher, dass du nicht woanders hinziehen möchtest? Wir haben das nötige Geld, das weißt du", sagte ich. Tatsächlich waren wir verglichen mit den meisten anderen, gar nicht mal so arm. Wir hatten genug um uns jeden Tag was warmes zu kochen und Helin lud oft noch zusätzlich Straßenkinder ein, die sich nicht selbst versorgen konnten. Zudem sparte Sirin schon seit Jahren um sich den Eintritt in einer der wenigen Universitäten leisten zu können, die Leute der Unterschicht erlaubten. Auch Helin verdiente als Ärtztin an sich nicht schlecht. Nur ich verdiente als Rebell nicht gerade viel. Man bekommt kostenloses Essen, eine Unterkunft, wenn man nicht selbst eine hat, und man hat dank vieler Kontakte hier und sogar ein paar wenigen Kontakten in der Oberschicht, kein allzu schlechtes Leben und auch vergleichsweise viele Chancen.
Was mich angeht bin ich mir zwar nicht sicher, aber Mutter wäre vermutlich Stolz auf uns, dass wir aus dem Loch, in das sie geboren wurde und auch uns geboren hat, irgendwie rausklettern konnten.

"Ja ich bin mir sicher. Willst du auch?", fragte mich Helia nach wenigen Sekunden kompletter Stille und deutete auf eine Flasch, die ich schnell als billigen Alkohol identifizieren konnte.

"Nein, danke. Ich sollte schlafen. Muss morgen einen neuen Rekruten einweisen."

"Das hast du doch seit Jahren nicht mehr so direkt machen müssen. Warum fängst du jetzt damit wieder an?"

"Ist ne Ausnahme. Der Typ ist irgendwie interessant und ich bezweifle, dass er sich mit jemand anderem als mir zufrieden gibt."

"Klingt für mich nach einem Vollidioten und Suizidgefährdeten. Ich meine, er muss doch wirklich lebensmüde sein. Aber wenn du meinst er wäre interessant dann, nehm ich mal an, dass er nicht ganz so schlimm ist. Ich hoffe aber mal nicht, dass er irgendwann bei mir ankommt und sich beschwert, wie alle anderen, als du das damals öfter machen musstest."
Sie kicherte genüsslich wegen der Erinnerung und vermutlich auch wegen des Alkohols.

"Suizidgefährdet vielleicht, aber er ist neu in der Stadt und zeigt zumindest etwas Potenzial. Zum Glück kein typischer Dorftrampel. Aber genug davon."
Während sie noch leise vor sich hin kicherte und in dem Raum blieb, betrat ich so leise wie möglich ein kleines Nebenzimmer. Die drei alten Unterlagen, die man eigentlich gar nicht erst als Betten bezeichnen konnten, passten nur gerade so in dem Raum, was auch hieß, dass wir drei immer direkt nebeneinander schliefen und kaum eigenen Platz hatten. Im Winter hatte das zwar einige Vorteile, aber im Sommer war es so unerträglich, dass ich nicht selten woanders schlief. Ich achtete besonders darauf mich leise fertig fürs schlafen zu machen, um Sirin, die auf einer der Unterlagen schlief, nicht zu wecken.

Als ich dann am nächsten Tag aufwachte bemerkte ich, dass Helin im Hauptzimmer eingeschlafen ist, wo sie noch immer lag. Vermutlich versucht ich deswegen weder besonders laut zu sein noch besonders viel Zeit zu verschwenden. Sogar die fast leere Glasflasche, die neben Helin umgefallen ist, hob ich vorsichtig auf und brachte sie in unsere winzige Küche. Ein Bad als solches besaßen wir nicht, da wir nur eine alte Toilette und ein Waschbecken hatten. Wie die meisten hier hatten uns angewöhnt uns in dem einem öffentlichen Badehäusern zu waschen, dass sich hier in der Nähe befand, aber dafür hatte ich heute wohl keine Zeit. Ich musste einfach hoffen, dass ich heute Abend oder morgen früh die Zeit dafür haben würde.
Ich sotierte also nur schnell meine doch schon recht ungewaschen aussehenden Haare und verließ die Wohnung.
Als ich dann zwar etwas vor acht an der abgemachten Stelle ankam, wartete Mic schon auf mich.
Sofort bemerkte ich die Wunde an seinem Arm und wurde angespannt.

"Was zum Teufel ist passiert?"

Lynx&Lion - The RebellionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt