34_Azad

43 7 0
                                    

Erst als ich im Badehaus angekommen war und ich mich vollkommen beruhigt hatte, konnte ich wirklich und richtig über Mics Worte nachdenken. Ich hatte sie nicht hören wollen und ich wollte sie gerade nur vergessen. Noch immer machten mich seine Worte wütend, dass musste ich schon zugeben, aber insgesamt fühlte ich mich einfach nur schlecht.

Niemals hätte ich so reagieren dürfen. Es war nicht die Reaktion eines Anführers oder gar eines Lehrers, das wusste ich. Es war die Reaktion eines Kindes und hatte nur zu noch mehr Schaden geführt, als ich gedacht hätte. Das nächste Mal musste ich anders reagieren, dennoch würde ich heute nicht mehr zu ihm kommen. Zumindest würde ich nicht direkt nach meinem Bad zu ihm gehen. Was ich danach machen würde, hängt von mir und dem Alten ab, dem ich wohl oder übel auch zumindest etwas von unserem Streit berichten musste. Natürlich würde ich es im Bericht selbst etwas abändern. Ich war nicht dumm genug ihm von meinen Fehlern zu erzählen oder gar Mic durch seine starke Reaktion als unpassent für uns zu beschreiben. Es war vermutlich nur was einmaliges und kein Risiko, zumindest hoffte ich das.

Auch wenn ich mich gerade wirklich nicht an das gesagte erinnern wollte, glitten meine Gedanken irgendwann dahin. Er interessierte sich nicht für Mädchen?
Ziemlich ungenau.
Klar ich hatte auch nie wirklich großes interessen an einem Mädchen gezeigt, aber abgesehen von meinen Schwestern und Kendra kannte ich nur wenige Frauen persönlich und mich mit jemand fremden ein zu lassen war immer eine ziemlich schlechte Idee, selbst wenn ich nicht so viele Verflichtungen hätte. Die Anderen jedoch hatten gefühlt täglich einen neuen Schwarm, nicht selten war dieser einer meiner Schwestern oder Kendra. Wenn er aber kein interesse in Frauen hatte, stand er denn auf Männer? Er hatte sich da etwas viel zu ungenau ausgedrückt. Denn davon kannte ich durchaus einige wenige, mit denen ich wiederum auch recht wenig zu tun hatte.
Wenn es nämlich nur darum ging, dass er sich zumindest momentan oder insgesamt noch nicht für Mädchen interessiert hatte, waren wir da ja schon zwei. Was auf Männer stehen anging, hatte ich mich damit ebenso wenig wie mit Mädchen beschäftigt. Er brachte mich doch tatsächlich dazu, dass ich über Sexualität nachdachte.

Eigentlich war es doch egal. Ich überdachte es bei ihm doch vermutlich nur, oder?

Ich atmete schwer aus und tauchte tiefer in den großen Pool, welcher, trotz seiner eher kalten Temperatur, recht gut gefüllt war. Es war ungewöhnlich voll heute und dennoch sah ich nur wenige bekannte Gesichter. Während ich jedoch, um nicht wieder in meinen Gedanken zu versinken, die anderen Besucher des Badehauses begutachtet, schien ich nahezu komplett unbeachtet zu bleiben, was ich auch gut so fand.
Das war auch einer der wenigen guten Seiten, wenn man auf einer Seite kein Auge mehr hatte. Wenn ich, wie jetzt gerade, meine Augenklappe nicht trug, wollte mich nur die wenigsten betrachten. Dafür war der Anblick der vernarbten Haut und des Augenballersatz, welches dank des fast komplett fehlenden Augenlieds immer gut sichtbar war, zu grausam für die meisten. Selbst ich hasste ich mich selbst ohne die Augenklappe zu sehen. Mein Augenball war damals nicht mehr groß zu retten gewesen, weshalb man mir stattdessen eine glänzende, schwarze Kugel in der richtigen Größen gegeben hat, die zumindest das Loch ausfüllen sollte. Damals hatte ich erst noch keine Augenklappe gehabt, aber es gab schon alleine dank meines Aussehens viele Probleme.
Klar war es einfach Leute dadurch einzuschüchtern, aber wenn ich was normales machen wollte, entstanden Probleme, mit denen ich erst nicht gerechnet hatte. Es hatte demnach nur wenige Tage gebraucht, bis ich mir eine gute Augenklappe hab machen lassen. Wegen dem ging ich auch nur sehr selten in das warme Bad, weil es da noch mehr Probleme geben würde, zumindest laut meiner Schwester.

Zum entspannen war es mir jedoch letzten Endes doch zu voll, weshalb ich nicht so lange hier bleib, wie ich es sonst tat. Nicht mal halb so lang, wenn ich ehrlich war.
Es dauerte auch nicht lange bis ich schließlich, wieder voll bekleidet mit verdecktem Auge, und mit durchnässten Haaren, auf der Straße stand. Mein nächstes Ziel war das Hauptquatier, dass nicht gerade weit entfernt war.

Ich musste nur wenige Minuten gehen, ehe ich schon in die gut gefüllte Bar eintrat. Die meisten hier waren Rebellen, die mich kannten, weshalb sie mich durchließen, ohne dass ich auch nur irgendwas hätte sagen müssen. Als ich an der Theke ankam, sagte ich zu dem dort arbeitenden Rebellen:" Irgendwas Starkes und bring es ins Büro vom Bären!"
Es war so laut, dass ich selbst lauter sprechen musste als ich eigentlich wollte, um verstanden zu werden. Der Barmann verstand jedoch anscheinend wohl was ich meinte und nickte kurz, ehe ich in ein Hinterzimmer verschwand und durch eine Luken im Boden dann in den Keller kam.

Ich klopfte gar nicht erst an der Tür des Alten, sondern trat einfach ein. Im Raum selbst erwarte mich dann sowohl der Alte, als auch ein gut dreizig jähriger Mann, den ich nur allzu gut kannte. Einer meiner Kollegen, Victor, oder auch der weiße Fuchs. Der Nordländer, der uns schon seit Jahren hier unterstützt, gilt als einer der wichtigsten Taktiker der Rebellion und man möchten ihm definitiv nicht im Weg stehen. Er war ein ganz besonders grausames Monster-zumindest konnte er es sein, wenn er wollte-und war vermutlich einer von denen, die in der ganzen Rebellion, die Elite am meisten hasste. Das lag vermutlich daran, dass er der Bastard einer der mächtigeren Männer des Landes war, wodurch sein ganzes Leben vor der Rebellion die reinste Hölle für ihn gewesen sein musste. Trotz all dem hatten wir uns schon immer rechr gut verstanden. Er war schließlich damals mein Mentor gewesen, auch wenn ich meine Kampfkünste definitiv nicht von ihm habe.

"Was macht denn unser Kater hier? Ich habe gehört du hättest ein Weisenkätzchen bei dir aufgenommen", neckte er mich grinsend und schlug mir zur Begrüßung leicht auf den Rücken, als ich neben ihn getreten war.

"Mein Kätzchen würde dir die Augen auskratzen wenn du nicht richtig aufpasst, Fuchs. Was willst du eigentlich hier? Du redest doch normalerweise immer direkt mit unserem General oder ihm."

"Ach, manchmal muss man auch mit seinem direkten Vorgesetzten reden. Apropos, ich lade dich und dein Kätzchen auf einen Drink ein. Ich möchte den wirklich kennen lernen, der dich dazu bringt, ein Mentor zu werden."

"Er hat Talent, aber das wars dann auch schon." Victor lachte daraufhin genüsslich auf, als ob er es besser wüsste und sich über meinen Naivität lustig machte, wie er es früher immer gemacht hatte.

"Das wollen wir doch mal sehen. Irgendwie besonders muss er doch wohl sein. So wie ich dich kenne hättest du sonst nie einen Rekruten für dich beansprucht. Was das angehst bist du schließlich wie ich, bloßes Talent ist nie Grund genug."
An diesem Punkt lenkte der Alte unsere Aufmerksamkeit durch ein leichtes hüsteln auf sich und blickte uns beide streng an. Er hatte es nie gemocht, wenn er in seinem Büro nicht in die Unterhaltung einbezogen wurde, oder jemand gar von dem eigentlich wichtigen ablenkte.

"Das war alles Victor. Geh jetzt, ich muss mit Azad reden!" Victor nickte plötzlich vollkommen ernst, wodurch ich mich fragte, was die beiden besprochen hatten. Es war schon seltsam genug ihn hier beim Alten zu sehen. Er war der Einzige Unteroffizier der jemals den obersten Anführer getroffen hat und vermutlich auch der Einzige der ihn so oft gesehen hat. Es war einer der großen Rätsel der Rebellion, warum der weiße Fuchs noch immer ein einfacher Unteroffizier war. Es gab sogar Spekulationen, dass er eigentlich der Sekretär von ihm war, aber dank dessen Rang nicht mit den anderen Sekretären gleichgestellt werden durfte. Es machte schon Sinn, aber gleichzeitig war es ziemlich abwegig.

Kaum hatte mein alter Mentor jedoch den Raum verlassen, begann ich schon mit meinem Bericht über Mic. Trotz des Streites, oder gerade wegen diesen, stellte ich ihn jedoch ein wenig besser dar, als er sich mir gegenüber bisher verhalten hatte. Würde ich das nicht machen, wäre es irgendwann vermutlich schwer für die Rebellion Mic zu vertrauen und ich hatte das Gefühl, dass seine Überwachung zu noch mehr Problemen führen dürfte.

Lynx&Lion - The RebellionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt