Kaum wollte ich meine kleine Führung beginnen, äußerte Mic schon einen ganzen Haufen Fragen oder zumindest indirekte Fragen. Es machte für ihn zwar Sinn sich solche Fragen zu stellen, aber alles auf einmal war doch schon etwas viel.
"Ja, ja." grummelte ich deswegen erst mal und dachte darüber nach was ich überhaupt erzählen sollte. Was der Sinn vieler Gebäude war, wusste ich zwar, aber mit Geschichte kannte ich mich nicht so sehr aus. Ich wusste zwar in etwa was passiert ist, aber vermutlich wusste er sogar was Geschichte angeht mehr als ich. Er hatte schließlich Eltern gehabt und eine richtige Kindheit, in der Neugier erlaubt gewesen war. Vielleicht hatte er sogar einen Lehrer oder zumindest Bücher gehabt. Ich kann zwar, anders als viele, lesen und schreiben - Sirin hat es mir irgendwann beigebracht, weil sie stolz gewesen war es zu können und es mir und Helin auch beibringen wollte aber auch weil ich zu der Zeit nichts anderes zu tun hatte - aber die Zeit mich über Sachen wie Geschichte wirklich zu informieren hatte ich kaum gehabt. Hätte ich gewusst, dass er auch etwas über die Geschichte wissen wollte, hätte ich mich irgendwie etwas vorbereitet.
Ehe ich also auf die Fragen antorten konnte, blieben wir auch schon an einem Haus stehen, dass vor Jahren mal ein Hotel gewesen war, aber Bankrott gegangen ist. Seitdem benutzten es vor allem Rebellen, aber auch noch andere, als Schlafplatz und Treffpunkt. "Das hier ist einer von vielen Häusern, in denen du über die Nacht bleiben kannst und wir benutzten es auch öfters als Treffpunkt. Jedoch solltest du, genau so wie bei allen anderen, nicht jedem trauen, der dort schläft. Es ist auch bei den Dieben und insgesamt Verbrechern, die keine eigene Wohnung haben, als Schlafplatz sehr beliebt. Ich kann dir also nicht empfehlen hier zu schlafen, falls du nicht ausgeraubt oder sterben willst. Es wird von den meisten einfach 'Hotel' genannt."
Kaum hatte ich geendet, lief ich schon wieder weiter.
"Also, ich bin kein Experte, was Geschichte und so angeht, aber ich kann dir sagen was ich weiß, wenn wir hier mit fertig sind. Erst die versprochene Stadtführung und danach die anderen Fragen."
Danach kamen wir auf einem etwas größerem Platz an, an dessem Ende sich ein großes, recht altes Gebäude befand. Jedoch schien kaum jemand dieses zu betreten oder zu verlassen, während der restliche Platz gut gefüllt war. "Das hier ist einer der größeren Marktplätze. Auf dem Platz auf dem wir uns heute getroffen haben wird ein mal pro Woche mit Stoffen und ähnlichem gehandelt. Hier dagegen gibt es immer am letzten Tag der Woche einen Markt mit allem möglichen Lebensmitteln. Als jemand vom Land solltest du davon doch zumindest schon gehört haben, oder? Das große Gebäude dort ist außerdem die Bibliothek. Sie ist laut meiner Schwester zwar recht schlecht ausgestattet, aber das liegt vermutlich daran, dass kaum jemand hier lesen kann."
Auch wenn ich Mic nicht ansah, war ich mir recht sicher, dass der Fakt, dass kaum jemand hier lesen konnte, ihn zumindest etwas überraschte. Ich kannte die Leute vom Land nicht, aber ihnen schien es oft besser zu gehen als den Leuten hier. Wenn es überhaupt irgendjemanden gab, der was Geld angeht zwischen uns und der Elite steht, dann sind es vermutlich Bauern. Aber wer weiß, vielleicht konnte Mic auch nicht lesen und schreiben. Vielleicht ging es den Bauern auch nicht so gut, wie sie schienen, wenn man sie ein mal pro Woche hier sah. Vielleicht hatte Mic ja auch eine schwere und kaum existent Kindheit gehabt. Ich wusste es nicht und wollte es eigentlich auch nicht wissen. Ein bisschen neugierig was das anging, war ich aber an sich schon. Ziemlich ungewöhnlich für mich.
Wir verließen kurz daraufhin den Platz und ich führte ihn durch die Stadt. Ich zeigte ihm erst die wichtigeren Plätze. Das öffentliche Badehaus, die anderen zwei Marktplätze, einige Unterküfte, die insgesamt sicherer als das Hotel waren, und einige wichtigere Läden, welche uns Rebellen auch öfters unterstützten. Auch bei dem wo Sirin arbeitete, machten wir einen kurzen Stop, auch wenn ich weder erzählte meine Schwester würde hier arbeitet, noch den Laden betrat.
Danach zeigte ich ihm Plätze, die als Rebell zwar wichtig waren, aber er sonst lieber nicht betreten sollte. Wie das Rotlicht-Viertel und einige Kneipen und Casinos.Als letztes gingen wir zum Rand unseren Teils der Stadt. Zwischen der Seite wo wir standen und der Seite der Elite war ein Torbogen, bei welchem sogar zwei Wachen standen. Dahinter sahen die Straßen nur ein kleines bisschen besser aus als unsere, aber weiter hinten konnte man schon die ersten Herrenhäuser erkennen. "Hinter diesem Tor sind wir nicht mehr willkommen, denn dort leben die Reichen. Wir dürfen den Teil zwar im Prinzip betreten, aber es ist insgesamt keine gute Idee, wenn man nicht wie einer von ihnen aussieht. Ich halte micht also lieber aus dem Teil raus, weil das hier," ich zeigte auf meine Augenklappe, die nicht mal alle Narben verdecken konnte, " definitiv aufällt. Du dürfstest schon weniger Probleme haben, aber ich rate dir trotzdem davon ab. Es ist einfach riskant deren Teil der Stadt zu betreten."
Tatsächlich hatte ich nicht oft den anderen Teil der Stadt betreten, aber bei einem der wenigen Male, dass ich es tatsächlich gewagt hatte, verlor ich mein Auge im Gegenzug und wäre fast an den Wunden gestorben. Seitdem habe ich mich nur ein weiteres mal dort hin geschlichen.Ich wollte mich an damals nicht erinnern, aber es ging nicht anders. Meine schon lange verheilten Narben begannen wieder zu schmertzen. Ich verzog mein Gesicht, als ich mich an damals erinnerte. Noch heute konnte ich das Gesicht des Soldaten vor meinem inneren Auge sehen, der mir damals ein Auge genommen hatte. Das schämische Grinsen. Die schwarze Uniform. Die grünen, vor erregung glänzenden Augen. Mein Blut an seinem teuren Messer. An sein Blut an seinem Messer. Sein Messer, dass ich erst in sein Herz und danach in sein rechtes Auge gestochen hatte. Seinem Gesichtsausdruck, als er starb. Er hatte vermutlich Familie gehabt und war vielleicht sogar ein guter Mann gewesen, aber ich konnte ihm selbst jetzt, nach seinem Tod durch meine Hand, nicht verzeihen. Auch wenn ich wegen ihm mir einen Namen unter den Rebellen gemacht hatte, würde ich ihm am liebsten noch mal töten. Ein Mal, zwei Mal, oder sogar öfter. Aber dieses Mal würde ich ihn nicht sofort töten wie damals.
Ich erinnerte mich daran, dass ich noch etwas anderes vorhatte, als über erneute Rache nach zu denken. Mit einem Kopfschütteln riss ich mich aus meinen eigenen Gedanken und Erinnerungen. Ich entspannte auch mein Gesicht, dass ich vermutlich in Wut verzogen hatte und ließ mein Blick zu Mic wandern. "Das war unser letzter Stop. Komm, ich gebe dir einen Drink aus und beantworte deine Fragen." Er hatte es vermutlich bemerkt und hatte deswegen noch mehr Fragen an mich, jedoch wusste ich nicht, ob ich die Fragen, die das betrafen, auch beantworten würde.
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Lynx&Lion - The Rebellion
Teen FictionBand 1 der Lynx&Lion- Reihe ________________________ Eigentlich ist die Welt der Wissenschaft schon sehr fortgeschritten, doch davon bekommen nur die Wenigsten etwas mit. Die Reichen werden immer reicher und leben ein Leben im Luxus- ohne je Hunger...