47_Lucien

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Azad kam schließlich auch heraus und gab mir den Plan für heute weiter. Er schien keine Antwort zu erwarten, also nickte ich einfach nur und folgte ihm dann. Einen besseren Plan hatte ich ohnehin nicht und ich war einfach nur froh, dass ich mehr erfahren und erleben würde. Die Bücherei mochte zwar wichtige Anhaltspunkt liefern, aber trotzdem war es eine mühselige Aufgabe- ich musste doch auch schneller an Informationen gelangen können.

Wir liefen durch einige mir bekannte Gassen, ehe wir vor einem alten Gebäude zum Stehen kamen- ich hätte dort niemals eine Bar erwartet, aber genau das erwartete mich, als wir eintraten.

Die Stimmung war eine völlig andere, als die in der Bar von gestern und ich fühlte mich augenblicklich merklich unwohl.

Hier befand sich das Hauptquartier?

Ich würde definitiv niemals alleine hier aufkreuzen, zumindest wenn ich nicht schwer bewaffnet war.

Die einen Männer wirkten völlig zugedröhnt mit Alkohol, die anderen wirkten nicht gerade friedliebend und ich schätzte, dass es vermutlich Rebellen waren. Ich war gerade jedenfalls wirklich froh, dass ich mich an Azad halten konnte.

Ich folgte eben diesem zum Thresen, wo ein Mann mittleren Alters hinter dem Thresen stand und erst Azad zunickte, ehe er mich neugierig musterte. Vermutlich fragte er sich, was ein Junge, den er noch nie in seinem Leben gesehen hatte, mit dem Löwen zu schaffen hatte.

Ich erwiderte seinen Blick mit kühler Gelassenheit, auch wenn ich innerlich vor Nervosität gerade halb starb. Ich mochte Überraschungen und ungeplantes Neues zu erleben, aber gerade waren es doch etwas viele Eindrücke auf einmal. Zudem konnte ich weder diesen Ort noch die Menschen einschätzen, aber ich beschloss einfach auf Azad zu vertrauen.

Ich folgte Azad und dem anderen Mann in ein Hinterzimmer und ging dann voran, als mich Azad dazu aufforderte. Aufmerksam hörte ich seinen Erläuterungen zu und versuchte mir möglichst viel davon einzuprägen. Es konnte noch wichtig werden. Ich fragte mich nur, woher die anderen Rebellen ihre Namen hatten. Sie passten ja sowohl bei Azad als auch bei Vic sehr gut zu ihrem Träger. Rabe- konnte ich nicht einschätzen. Dolch- er schien wohl eine Vorliebe für ganz bestimmte Waffen zu haben und laut Azads Kommentar schien er diese auch nur zu gerne einzusetzen. Und Elster- nun, er schien eine Vorliebe für Frauen zu haben und seinem Namen nach wohl eher eine habgierige Person zu sein - vielleicht auch ein Langfinger. 

"Also habe ich deine Erlaubnis mich mit ihnen anzulegen, wenn du dabei bist?", kommentierte ich leise und mit einem frechen Grinsen auf den Lippen.

"Ist immerhin besser, als wenn du nicht dabei bist!"

Gut- ich hatte nicht wirklich vor mich mit ihnen anzulegen, zumindest voerst nicht. Ich war nicht ganz so leichtsinnig und todesmutig wie manche mich vielleicht einschätzen würden. Ich schätzte erst die Stärke meines Gegners ab, ehe ich entschied, ob ich überhaupt angriff. Bei den drei Wachen, die mich damals festgehalten hatten, hatte ich alleine an ihren Griffen gemerkt wie schwach sie waren und dass sie keine Chance gegen mich hatten. Aber mal sehen, was sich noch ergeben würde- es war bestimmt nicht schlecht einen gewissen Kontakt zu den Offizieren zu haben- sie würden mich einen Schritt näher zum obersten Boss bringen.

Mehr als eine Frage brannte mir auf der Zunge, aber nach Azads Kommentar beschloss ich damit abzuwarten, bis wir wirklich beim Badehaus angekommen waren oder zumindest diesen Keller verlassen hatten.

Tatsächlich verließen wir kurz darauf das unterirdische Gemäuer und ich war erleichtert endlich wieder an der frischen Luft zu sein- wohl gefühlt hatte ich mich an diesem Ort definitiv nicht und ich hoffte, dass ich nicht allzu oft dorthin würde zurückkehren müssen. Unsere nächste Anlaufstelle war- wie bereits zuvor von Azad angekündigt- der Markt und mit einigem Handeln und Azads Hilfe schaffte ich es tatsächlich von dem wenigen Geld, was ich im Moment bei mir trug zwei- zwar gebrauchte, aber dennoch einigermaßen saubere- Shirts zu kaufen.

Ich würde bald zu Mics Wohnung zurückkehren müssen um mehr Geld zu holen, sonst war ich etwas aufgeschmissen. Geld regiert die Welt- wie mein Vater immer so schön sagte und langsam begriff ich wie sehr dieses Sprichwort tatsächlich auf diese Welt zutraf. Nur wer Geld hatte, konnte überleben, es sei denn er war kriminell und die Rate der Verbrecher schien tatsächlich nicht gerade gering zu sein- doch auch sie dürsteten nach Geld. Es war wirklich eine verkommene Welt in der wir lebten.

Wir machten uns auf den Weg zum Badehaus und ich lief voran, da ich den Weg ebenso gut wie Azad kannte.

"Ich hätte ja echt gedacht, dass ein Unteroffizier irgendwie cooler ist...", meinte ich mit einem schiefen Grinsen.

"Aber du hast einen Schreibtischjob... das ist irgendwie... enttäuschend..."

Ich musste lachen.

"Immerhin bist du wohl besser als die anderen Unteroffiziere, denn du verbringst nach eigener Aussage nicht gerade viel Zeit an deinem Schreibtisch- passt auch irgendwie nicht zu dir!"

Wir waren mittlerweile bei dem Badehaus angekommen und ich machte eine einladende Handbewegung.

"Du zuerst, mein Löwe!", wiederholte ich seine Worte, als er mich angewiesen hatte in den Keller zu gehen, hängte aber noch meinen neuen Spitznamen für ihn dran.

Ich hatte wenig Lust vorzugehen und mich völlig zu blamieren, weil ich nicht wusste, wie es in einem Badehaus ablief. Ich würde schön Azad überall wie ein Schatten hinfolgen und jede seiner Handlungen nachahmen. Ich hatte erneut Mühe meinen Herzschlag unter Kontrolle zu bringen, als mir auffiel, dass ich nicht wusste, inwiefern man sich in diesem Badehaus würde entkleiden müssen. Aber jetzt konnte ich wohl keinen Rückzieher mehr machen- immerhin hatte ich den Rebellen aufgefordert mit mir zu kommen.

Wenigstens konnte ich mir ziemlich sicher sein, dass auch er nicht gerade oft, wenn überhaupt, mit jemandem hierher gekommen war. Auch wenn er natürlich nicht das Problem hatte, dass er seinen Kameraden etwas zu anziehend fand, was sich vermutlich nicht gerade verbessern würde, wenn wir nun halbnackt oder vielleicht sogar völlig entblößt ein Badehaus aufsuchten.

Ich hatte mal wieder eine wirklich dumme Idee gehabt- hatte ich nicht etwas mehr Abstand zu Azad halten wollen, damit meine Gefühle sich nicht verselbstständigten?

Hatte ja wirklich großartig funktioniert.

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