Wieso machen winzige Merkmale aus, wer wir sind? Warum kann es nicht unser Herz sein?
Ich schwieg mit verschränkten Armen und wartete auf die Antwort des Rebellen. Sein Blick war eine Mischung aus gelangweilt, müde und genervt. Ich konnte es nicht wirklich einordnen. Aber immerhin mal ein paar neue Gesichtsausdrücke, als immer nur dieses ewige, überfreundliche Lächeln der Bediensteten oder der strenge, kalte und abweisende Blick meines Vaters. Es war erfrischend all diese neuen Gesichtsausdrücke auch mal dann zu sehen, wenn jemand mit mir sprach und nicht immer nur dann, wenn andere miteinander sprachen und ich sie dabei beobachtet hatte.
Er erhob sich mit einem Seufzer und gab mir dann endlich eine Antwort. Ich sollte mir meinen Schlafplatz selbst suchen? Wie genau meinte er das? Ich hatte also die Wahl entweder durch die Stadt zu irren und mich hindurchzufragen, um dann irgendwann durch Zufall eventuell das Rebellenlager und meinen Schlafplatz zu finden oder einfach zu Mic's Wohnung zu gehen und dort zu schlafen.
Allerdings war letzteres vielleicht nicht gerade die beste Option, wenn man bedachte, dass dann bestimmt Fragen gestellt werden würden, wo ich die Nacht verbracht hatte. Und vielleicht war es ja auch nur ein weiterer Test an mich. Mir war durchaus bewusst, dass ich mich erst beweisen musste. Auch das Vertrauen meines Vaters hatte ich mir erst erkämpfen müssen und ich hatte es immer noch nicht völlig erworben. Täglich musste ich mich neu beweisen und ich schätzte, dass das hier nicht anders lief.
Immerhin würde der Rebell mir morgen die Stadt zeigen und ich würde Gelegenheit haben mehr über diese herauszufinden. Mich interessierte wirklich, was hier alles vorgefallen war, und da ich behauptet hatte, nicht von hier zu stammen, konnte ich getrost den Unwissenden geben ohne dass es Aufmerksamkeit erregen würde.
Ich war mir immer noch nicht wirklich sicher, ob dieses ganze "Spiel" wirklich eine gute Idee war und wenn ich vernünftig wäre, würde ich wohl zu dem Anwesen meines Vaters zurückkehren und sofort die Rollen zurücktauschen, aber ich war gerade einfach nicht vernünftig. Ich wollte mehr über diese Welt erfahren, die man mir so lange vorenthalten hatte und ich wollte wissen, warum es meinem Volk so schlecht ging. Warum unternahm mein Vater und der Rest des Rates nichts dagegen? Wusste er überhaupt, wie schlecht es den Menschen zu gehen schien, sodass sie sogar dagegen rebellierten?
Dass ich zu spät kommen würde, darum musste er sich nun wirklich keine Sorgen machen. Ich würde ohnehin nur sehr kurz diese Nacht schlafen, da ich eigentlich schon insgesamt genug Schlaf bekommen hatte und so würde ich schon lange vor der Zeit des Treffens wach sein. Und was das Verlaufen anging: Darum musste er sich nun erst recht keine Sorgen machen. Aber diese Gedanken behielt ich lieber beide für mich.
Azad also. Ein außergewöhnlicher Name, der aber genau deswegen zu ihm passte. Nun wusste ich seinen Namen. Und er dachte, dass er meinen wissen würde. Ich fragte mich, wie er wohl reagieren würde, wenn ich ihm meinen richtigen Namen verraten würde. Selbst Lucien würde wohl gefährlich sein ohne meinen Nachnamen. Ich glaubte nicht, dass der Name sonderlich oft vergeben wurde, vor allem, wenn die Bevölkerung hier so einen großen Hass auf uns Adelige verspürte.
Und Azad schien bekannter zu sein, als ich erwartet hatte, wenn er sogar dachte, dass sein Name allein mich auf der Straße retten konnte. Ich wollte schon eine spöttische Antwort loslassen, verkniff es mir aber. Ganz verderben sollte ich es mir bei ihm vielleicht lieber doch nicht.
"Danke, Azad. Für alles", meinte ich noch ehrlich, dann verschwand er auch schon in der Menge und ließ mich zurück. Nun gut, dann würde ich mich wohl mal auf den Weg zu meiner Unterkunft machen. Wo auch immer diese lag. Nach Hause würde ich mit Leichtigkeit finden, so große Umwege Azad auch gegangen war- ich hatte einen wirklich guten Orientierungssinn, aber ich hatte keine Ahnung wo sich die Rebellen aufhielten. Oder meinte er mit "Schlafplatz" doch mein eigentliches zuhause- also Mic's Wohnung? Aber davon konnte er ja eigentlich nichts wissen.
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Lynx&Lion - The Rebellion
Teen FictionBand 1 der Lynx&Lion- Reihe ________________________ Eigentlich ist die Welt der Wissenschaft schon sehr fortgeschritten, doch davon bekommen nur die Wenigsten etwas mit. Die Reichen werden immer reicher und leben ein Leben im Luxus- ohne je Hunger...