83_Lucien

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Azad erwiderte nichts, sondern schwieg einfach nur, was vermutlich noch schlimmer war. Es war wahrscheinlich, dass er meiner Meinung war und mir das einfach nur nicht so direkt mitteilen wollte. Ich war wie mein Vater. Ich war ein Monster. Kein Wunder, dass ich trotz allem meinen Vater liebte. Nur ein Monster wäre in der Lage ein Monster zu lieben, dass der Welt so viel Unrecht und Leid zugefügt hatte. Vielleicht war es sogar gerecht, dass ich meinen Vater tötete und daran zerbrechen würde. Aber ich würde nicht an meiner Erkenntnis zerbrechen, dass ich ein Monster war- das hatte ich doch ohnehin schon immer auf die ein oder andere Weise geahnt. Ich war nunmal der Sohn meines Vaters.

Zusätzlich zu dem Schweigen kam auch noch, dass Azad fast schon wütend auf mich wirkte. Aber worauf genau war er wütend? Darauf, dass ich mich selbst als Monster bezeichnete, darauf, dass ich jemanden getötet hatte oder darauf, dass ich so ein Schwächling geworden war?

Als Azad meinen Arm ergriff und mich mit in die Bar zog, wehrte ich mich nicht, sondern fragte mich nur immer noch, was gerade in seinem Kopf vorging. In welchem Licht sah er mich, nachdem ich heute Nachmittag diese Worte an seinen Kopf geworfen hatte und gegangen war?

Ich fand mich in einem winzigen Hinterzimmer wieder, welches gerade so genug Platz für uns beide bot. Bis auf zwei wacklige Holzschemel befanden sich keine Einrichtungsgegenstände in dem Raum, welcher nur schummriges Licht durch ein winziges Fenster bekam. Ich lehnte mich gegen die Wand und beobachtete Azad schweigend, während ich darauf wartete, dass der andere Mann mit dem Wassereimer zu uns kam. Der Rebell hatte wohl recht- mit all dem Blut an mir würde ich nicht vor den General treten können. Nicht, wenn ich mir eine Möglichkeit erhoffte, dadurch mit dem obersten Anführer zu sprechen. Und um diesen unseren Plan durchzubekommen, würde wohl kein Weg an ihm vorbeiführen.

Der Mann von der Bar brachte einen Eimer mit Wasser und irgendetwas anderes vorbei, was ich in dem schlechten Licht nicht erkennen konnte, dann schloss er die Tür und es wurde noch dunkler. Azad trat näher zu mir heran und nachdem wir uns beide hingesetzt hatten, begann er mit einem Lappen das Blut und den Schmutz von meinem Gesicht zu waschen. Ich war überrascht davon, wie fürsorglich und sanft seine Stimme klang und das erinnerte mich an etwas, was ich ihm versprochen hatte. Ich würde nicht mehr an ihm zweifeln und doch hatte ich genau das schon wieder getan. Es war einfach so ungewohnt, dass jemand mein Ich akzeptierte, so wie ich war. Mit allen guten und allen schlechten Eigenschaften.

Ich beschloss mich zusammenzureißen. Für Azad.

Vielleicht war ich ein Monster, aber ich hatte jemanden, der mich trotzdem liebte und der mich alleine mit seiner Anwesenheit glücklich machte. Ich durfte unsere Beziehung zueinander nicht dadurch kaputt machen, dass ich mich selbst so fertig machte.

Für Azad musste ich weiterkämpfen.

Als der Löwe seine Hand an meine Wange legte, schmiegte ich mich leicht gegen diese und genoss die kleine Berührung. Ein weiteres Zeugnis seiner Liebe. Genauso wie seine Worte, welche danach folgten. Als er geendet hatte, lächelte ich ihn leicht an, auch wenn ich nicht wusste, ob er das hier überhaupt sehen konnte.

Darum fügte ich noch ein leises: "Danke, mein Löwe!", hinzu.

Ich atmete tief durch und ohrfeigte mich innerlich. Ich musste micht verdammt noch mal zusammenreißen. Ich hatte doch schonmal einen Mann umgebracht und bei dem hatte es mir auch nicht so viel ausgemacht. Warum also ausgerechnet jetzt? Vielleicht, weil er ein Opfer meines Vaters gewesen war und ich mich deswegen irgendwie schuldig und verantwortlich fühlte.

Azad stand auf und ich folgte ihm einen Moment mit meinem Blick, ehe ich den Lappen nahm und in das Wasser eintunkte. Ich begann damit meine Arme zu säubern- dort ging es einfacher, weil es nur das Blut des Soldaten und nicht mein eigenes war. Mittlerweile müsste das Wasser in dem Eimer rot und nicht mehr durchsichtig sein. Ich wusch jeden einzelnen Blutfleck so sorgsam von mir, als könnte ich dadurch auch meine Schuld abwaschen. Meine Haut war mittlerweile wohl ebenso rot wie das Wasser- so lange hatte ich auf ihr herumgeschrubbt. Aber ehe wir diesen Raum verlassten hatten, wäre mein Körper dank seiner Regenerationsgabe, bereits wieder in altem Zustand.

Lynx&Lion - The RebellionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt