„Ähm", setzte Ace an und suchte anscheinend nach etwas, das er mir noch erklären konnte, als Josh ihn unterbrach.
„Ich hätte wirklich gedacht, dass dir auffällt, dass irgendetwas abnormal hier abläuft. Obwohl du immer so oberschlau tust, bist du gar nicht misstrauisch geworden. Dass Kenzo immer ganze vier Wasserflaschen trinkt. Dass Ace immer kurz zusammenzuckt, wenn immer du ihn zufällig berührt hast. Dass ich manchmal zu Fuss in die Schule komme, obwohl ich am anderen Stadtende wohne." Er schaute gelangweilt aus, aber ich sah ihm den Triumph an, dass ich angeblich nichts bemerkt hatte. Ich musste mein Grinsen unterdrücken. Ich hätte ihm am liebsten angeworfen, dass mir diese Dinge sehr wohl aufgefallen wären und dass ich gewusst hatte, dass sie ein Geheimnis hätten. Aber dann hätte ich ihnen auch beichten müssen, dass ich Kenzo und Ace mal belauscht hatte.
„Ach ja stimmt, warum zuckst du immer zusammen?", fragte ich Ace und ignorierte Josh wieder.
„Gut, dass du es sagst. Ich kann die Energien von anderen Götterkinder fühlen. Und nur wenn ich wollte, könnte ich sie anderen auch entziehen. Es passiert immer, ich kann es nicht abstellen. Und deine Energie fühlt sich so merkwürdig an. Deshalb bin ich auch automatisch zurückgezuckt. Aber ich habe dich nie genug lange berühren können, ohne dass du misstrauisch geworden wärst. Also...", erklärte er und hielt mir seine Hand hin. Ich schaute ihn skeptisch an, er beruhigte mich aber sofort, indem er die Frage beantwortete, die sich in meinen Kopf geschlichen hatte.
„Keine Angst, du spürst nichts."
Also legte ich vorsichtig meine Hand in seine. Als meine kalte Haut seine warme berührte, bemerkte ich schon, wie er wieder wegzucken wollte. Also packte ich seine Hand fester, sodass er sie sie nicht mehr wegziehen konnte. Ich schaute auf und sah, dass er die Augen geschlossen hatte. Etwa nach dreissig Sekunden liess er langsam meine Hand los und schaute mir tief in die Augen. In seinem Blick lag etwas Beunruhigtes. Wir alle schauten ihn neugierig an.
„Hm interessant..." Er fuhr sich nachdenklich durch seine Haare.
„Normalerweise spüre ich bei Leuten, die vom selben Gott abstammen, die gleiche Energie. Aber deine ist so anders, als die von Josh. Ich spüre wie die gleiche Energie in deinem Blut, aber dein innerer Kern ist anders. Und das verändert alles. Es ist so...speziell, keine Ahnung ich habe noch nie etwas Ähnliches gespürt", klärte er uns auf und sah mich mit besorgtem Blick an.
„Vielleicht ist es ja nur am Anfang so?", schlug ich vor, obwohl ich noch keine Ahnung hatte, wie Dinge in dieser Welt so liefen.
„Eigentlich ist die Energie bei Kindern, oder Leuten wie dir, die ihre Kräfte erst spät entdecken, noch sehr rein und klar", widerlegte Silas meinen Vorschlag.
„Wir werden es irgendwann schon noch herausfinden", behauptete Kenzo, „mehr können wir jetzt sowieso nicht machen."
Daraufhin folgte langes Schweigen. Es war schon dunkel geworden und das Mondlicht und die Sterne erhellten unsere Lichtung. Ich hätte schon lange zu Hause sein müssen, aber das war gerade meine letzte Sorge.
„Glaubst du uns?", unterbrach Silas das Schweigen und schaute mich fragend an. Ich schluckte schwer. Ich wollte es nicht glauben, tat es aber.
„Ja, ich habe genug unerklärliche Dinge miterlebt", antwortete ich und warf Josh wieder einmal einen bösen Blick zu. Ein spöttisches Grinsen legte sich auf seine Lippen.
„Okay, wenn das alles war...Ich glaube, ich sollte mal nach Hause gehen. Ich sollte die Geduld meiner Eltern nicht allzu sehr strapazieren."
„Gut, gehen wir", stimmte Ace mir zu. Er drehte sich um und verschwand in den Bäumen. Silas, Josh und Kenzo folgten ihm, aber ich wartete auf Eleanor. Ich wollte mit ihr reden. Sie hatte den ganzen Abend fast nichts gesagt.
„Hey, alles okay?", fragte ich vorsichtig.
„Ach, ich bin so dämlich! Das sollte ich dich fragen, nicht du mich. Ja klar, alles okay bei mir", meinte sie leicht verzweifelt, „es ist nur so, dass ich wirklich nichts mehr damit zu tun haben wollte. Ich möchte meine Kräfte am liebsten loswerden." Das überraschte mich. „Weshalb?"
„Ich möchte echte Liebe spüren nicht irgendeine erzwungene. Alle, die meine Kräfte kennen, denken gar nicht, dass Aphrodite Kinder auch richtig lieben können. Und da die meisten von uns auch so sind wie Silas, ist das verständlich. Er liebt es, jedem Mädchen den Kopf zu verdrehen, auch wenn er gar nichts empfindet. Diese Seite meines Bruders ist ein richtiges Arschloch. Ich verstehe nicht, wieso er das so oft macht. Als ich ihn mal danach gefragt habe, hat er geantwortet: ‚Weil ich es kann'. Als Kinder haben wir eine so gute Beziehung gehabt, aber seit ein paar Jahren macht er es ständig. Es ist schon unheimlich, wie gut er es kann. Ich habe vor ein paar Jahren auch Dinge mit meiner Gabe gemacht, auf die ich nicht stolz bin, aber ich habe mich geändert." Ich nickte nur als Zeichen, dass ich zugehört hatte. Ich hatte einfach gedacht, dass Silas ein Player war, aber nicht, dass es eine Hintergrundgeschichte gab.
„Ich habe angefangen alles zu hassen, was mit der griechischen, antiken Welt zu tun hat. Es hat aus meinem Bruder so ein Arschloch gemacht. Ich wollte einfach nichts mehr damit zu tun haben und..."
„Und wegen mir bist du jetzt wieder voll drinnen", beendete ich ihren Satz. Sie warf mir einen traurigen Seitenblick zu.
„Sind wir trotzdem noch Freunde?", fragte ich vorsichtig nach. Sie seufzte, bevor sie mich in eine feste Umarmung zog.
„Klar, sind wir noch Freunde. Diese blöden Götter haben mir schon meinen Bruder genommen, dich lass ich nicht auch gehen", murmelte sie. „Und ich kann dich doch nicht mit diesen Blödmännern alleine lassen", grinste sie mich an. Ich lachte zurück und war wirklich froh um ihre Unterstützung.
„Und wie geht es dir? Nach all dem?", fragte sie diesmal achtsam nach.
„Keine Ahnung. Es ist alles irgendwie noch so unrealistisch", antwortete ich wahrheitsgetreu.
„Ich bin für dich da, wenn du jemand zum reden brauchst", meinte sie beruhigend und lächelte mir aufmunternd zu.
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Die Tochter des Todes
FantasySeit ich in Kinnetyville lebte, hatte sich mein ganzes Leben verändert. Am Anfang dachte ich, ich würde einfach mein ganz normales Teenager-Leben weiterleben. Doch dann erfuhr ich, dass ich von einem griechischen Gott abstammte. Also hatte ich neben...