„Ich führte so ein schönes Leben. Schon seit dem Kindergarten waren Eileen und ich beste Freunde gewesen. Wir machten einfach alles miteinander und wir hatten keine Geheimnisse voreinander. Eileen war wie eine Schwester, die ich nie hatte. Ich liebte sie mehr als irgendetwas anderes. Es lief alles gut. Ich war sogar noch gut in der Schule gewesen, weil Eileen ein Superhirn war und mir überall geholfen hatte. Wir waren einfach unzertrennlich. Wir gehörten nicht zu den Beliebten der Schule oder liefen in Marken Klamotten rum. Wir waren trotzdem glücklich. Aber natürlich sollte es nicht immer so sein. Eines Tages wurde ein Junge auf mich aufmerksam. Sein Name war Dylan und er gehörte zu der reichen, protzigen High Society unserer Schule. Fast alle Mädchen lagen ihm wegen seines Aussehens zu Füssen. Und er hatte sich für mich interessiert. Keine Ahnung warum, vielleicht wollte er einfach ein weiteres Mädchen zerstören. Ich wusste, dass er schon unzählige Freundinnen gehabt hatte, aber natürlich war auch mein Interesse geweckt. Sonst hatten sich alle Jungs nur für meine beste Freundin interessiert, darum war ich noch glücklicher, dass ausgerechnet so jemand wie er, etwas von mir wollte. Eileen hatte mich sogar noch vor ihm gewarnt, dass er nur Mädchenherzen brach, aber ich hatte ihr nur vorgeworfen, dass sie eifersüchtig war. Am Anfang war er noch richtig nett. Kaum waren wir zusammen gekommen, wurde er... harscher. Er wollte, dass ich mit ihm trank, rauchte und kiffte. Ich machte alles. Meine Noten gingen den Bach runter, aber das war mir egal. Ich vernachlässigte Eileen brutal, was mir im Nachhinein so leidtut. Durch Dylan sass ich in der Mensa am Tisch der Beliebten und es hatte mir so gefallen. Oh Gott, ich war so dumm. Ich kaufte jede seiner du-bist-die-einzige- und ich-liebe-dich-Lügen ab. Er hatte mich... zu sexuellen Sachen gedrängt, die ich nie machen wollte. Aber ich hatte alles getan, um ihm zu gefallen. Ich zog mich so schlampig an, weil ich wusste, dass es ihm gefiel. Etwa nach vier Monaten erwischte ich ihn, wie ein anderes Mädchen auf seinem Schoss sass. Er fragte mich, ob ich ihm wirklich alles abgekauft hatte und er und seine Kollegen lachten mich aus. Ich glaube, die ganze Schule hatte es mitbekommen." Ich machte eine Pause. Josh wollte gerade etwas sagen, aber ich ergriff zuerst das Wort.
„Aber das ist erst die Vorgeschichte. Es braucht mehr, um meine Seele zu brechen. Ich war natürlich völlig aufgelöst gewesen und wollte nach Hause gehen, aber zuerst lief ich Eileen über den Weg. Obwohl ich sie die letzte Zeit so schlecht behandelt hatte, bewies sie wieder einmal, dass sie die beste Freundin war. Sie hörte mir zu, während ich ihr mein Herz ausschüttete und trocknete alle meine Tränen. Sie erwähnte kein einziges Mal, dass sie es mir ja gesagt hatte. Sie... sie war einfach ein so guter Mensch." Ich spürte, wie mir eine einzelne Träne über die Wange rollte und ich atmete tief durch. „Plötzlich sagte sie zu mir, dass ich mich zusammenreissen sollte, weil dieses Arschloch keine Träne von mir verdient hätte. Sie hatte Recht und ich versuchte wütend und nicht traurig zu sein. Sie meinte, dass wir jetzt shoppen gehen würden und dann wäre alles wieder gut. Also schwänzten wir und gingen in unser Lieblingseinkaufzentrum. Sie brachte mich schon wieder zum Lachen und alles war wunderbar, bis..." Weitere Tränen flossen mir aus den Augen und mein Herz zog sich zusammen. Josh wischte sie sanft weg und ich schaute zu ihm. Er sah konzentriert und aufmerksam aus.
„Wir waren zur falschen Zeit am falschen Ort. Wir waren gerade in irgendeinem Kleiderladen, als ein Verrückter anfing, um sich zu schiessen. Er war ganz in unserer Nähe und sein Blick traf meinen. Er schoss auf mich und es hätte einfach mich treffen sollen. Aber plötzlich stand Eileen vor mir und die Kugel traf sie. Sie fiel mir in die Arme und das Blut sickerte durch ihren Pullover. Ich konnte nichts tun. Sie war sofort tot."
Die Tränen flossen mir in Bächen über die Wangen und ich konnte die Schluchzer nicht länger unterdrücken. Josh nahm mich in seine Arme und ich weinte seine Schulter voll. Er murmelte mir beruhigende Worte zu und streichelte mir über den Rücken, bis ich keine Tränen mehr übrig hatte. „Sie war der Mensch, der mir am meisten bedeutet hatte. Und es ist allein meine Schuld, dass sie gestorben ist."
„Das war nicht deine Schuld", sagte Josh vorsichtig.
„Doch. Wäre ich nicht so blöd gewesen mich auf Dylan einzulassen, wäre all das nie passiert."
„Sie hat das getan, was jede beste Freundin nach einer Trennung für ihre Freundin macht. Sie war für dich da und sie hat vorgeschlagen dorthin zu gehen. Niemand ausser dieser Wahnsinnige, der geschossen hat, ist schuld", beharrte er sanft. Ich schaute ihn durch meinen Tränenschleier an und sein zuversichtlicher Blick war alles, was ich brauchte.
Ich atmete tief durch drehte ihm diesmal meinen Rücken zu. Ich zog mir das Shirt über den Kopf, behielt es aber in meinen Armen, schützend vor meinen Brüsten. „Eileen ist irisch und bedeutet Sonne oder Licht. Sie war die ersten sechszehn Jahre meines Lebens das Licht in meinem Leben gewesen. Ich wollte etwas Schönes, das mich an sie erinnerte und ich immer bei mir trug. Aber ich wollte es an einer Stelle, wo nur ich es sehen kann. Irgendwo so nahe bei mir, aber nicht noch etwas, das ich immer sehen würde, und täglich an die Trauer erinnert werden würde." Ich war überrascht von mir selber wie ruhig meine Stimme klang. Ich hoffte, er hatte nicht bemerkt, dass es auch noch etwas Anderes gibt, das mich an diese Ereignisse erinnerte. Plötzlich spürte ich zwei warme Finger zwischen meinen Schulterblättern. Josh fuhr langsam jeden Sonnenstrahl nach.
„Es ist wunderschön", hauchte er. Seine raue Stimme erinnerte mich daran, dass er hinter mir sass und ich kein Oberteil an hatte. Also zog ich mir schnell das Shirt wieder über den Kopf und drehte mich zurück. Er wischte mir eine letzte einzelne Träne weg und griff nach meiner Hand. Die Berührung seiner warmen Hand in meiner kalten holte mich aus meinen Gedanken zurück in die Gegenwart. Ich lehnte meinen Kopf an seiner Schulter an. Ich war ihm so dankbar, dass er nichts weiter sagte. Ich glaubte nicht, dass er irgendetwas sagen konnte, das mich beruhigte. Nur schon, dass er einfach zuhörte, reichte. Und er hatte Recht, irgendwie tat es gut, darüber zu sprechen.
„Danke", flüsterte ich. Er antwortete nichts darauf, er drückte bloss kurz meine Hand. Ich spürte, wie mich langsam die Müdigkeit überkroch. Der Gedanke in sein Bett zurück zu gehen verwarf ich sofort wieder. Er war gerade so bequem und ich wollte nicht alleine sein.
„Es tut mir leid", sagte er plötzlich. Ich hob meinen Blick und schaute zu ihm. „Das von gestern Abend... tut mir so leid." Ich wandte meinen Blick wieder ab. Musste er gerade jetzt mit diesem Thema kommen? Ich hatte es so schön verdrängt gehabt.
„Heute in der Schule sah es nicht so aus, als würde es dir leidtun." Ich sah aus dem Augenwinkel, wie er sich mit der anderen Hand verzweifelt durch die Haare fuhr.
„Es sollte mir ja auch nicht leid tun, aber... ich glaube, dieses keine-echten-Gefühle-zeigen-Spiel funktioniert bei dir nicht mehr. Ich habe mich noch nie so schlecht gefühlt. Und jetzt..." er suchte verzweifelt nach den richtigen Worten. „Es tut mir leid."
Wäre er heute Nachmittag mit dieser Entschuldigung gekommen, hätte ich ihn wahrscheinlich nochmals geschlagen. Aber seit heute Nachmittag hatte sich sowieso alles verändert. Ich hatte ihm sogar noch an den Kopf geworfen, dass ich ihn hasste. Und jetzt hatten wir uns unsere grössten Geheimnisse anvertraut und hielten Händchen auf seiner Coach. Ich hatte keine Ahnung, was meine Gefühle anging, aber Hass war es sicher nicht.
„Okay", flüsterte ich einfach zurück. Ich spürte wie er sich neben mir entspannte. Er zog seine Hand langsam aus meiner und legte seinen Arm um meine Schultern und zog mich zu ihm. Ich rutschte noch näher und es hätte kein Blatt mehr zwischen uns gepasst. Ich lehnte meinen Kopf halb an seiner Schulter, halb an seiner Brust an und konnte nicht mehr verhindern, dass mir die Augen zufielen.
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Die Tochter des Todes
FantasySeit ich in Kinnetyville lebte, hatte sich mein ganzes Leben verändert. Am Anfang dachte ich, ich würde einfach mein ganz normales Teenager-Leben weiterleben. Doch dann erfuhr ich, dass ich von einem griechischen Gott abstammte. Also hatte ich neben...