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Mit einem noch schlechteren Gewissen machte ich mich auf in die nächste Stunde. Oh Gott, ich war wirklich grausam gewesen. Ich hätte selber nie vor mir erwartet, dass ich mit einem Jungen spielte. Ich war zu diesem Moment so berauscht vom ersten wunderbaren Kuss gewesen, dass ich an nichts anderes denken konnte. Oder das wenn ich ihn weiter küsste, dass es bedeutete, dass er denken müsste, ich wollte auch etwas von ihm.

Zum Glück hatte ich jetzt Geschichte, genau eines der wenigen Fächer, das wir nicht zusammen hatten. Das laute Geschwäz der anderen prallte an mir ab und ich war wieder einmal nur in meinen Gedanken versunken. Meine Füsse fanden den Weg in das Zimmer schon alleine. Ich ging nach hinten und liess mich auf den Stuhl neben Kenzo fallen.

„Hey", sagte er lächelnd.

„Hi", brummte ich.

Er zog kritisch die Augenbrauen zusammen. „Was ist passiert?"

Oh nein. Meine Gedanken waren immer noch Ace nachgehangen, sodass ich nicht daran gedacht hatte, so zu tun, als wäre alles normal.

„Es ist Montag, da fragst du noch?", fiel mir dann aber zum Glück als Ausrede ein. Er lachte kurz auf und ich hoffte er hatte es abgekauft.

Was uns den Weg verlegt, bringt uns voran", meinte er und lächelte mich erwartungsvoll an. Ich lächelte müde zurück. Er wusste, dass mich seine Weisheiten immer irgendwie aufheitern konnten. Und ich wunderte mich, wie er erkannt hatte, dass es nicht nur der Montag war, der mich plagte. Vielleicht machten ihn seine Sprichwörter wirklich irgendwie weiser. Ich sollte sie mir mehr zu Herzen nehmen.

„Guuuten Morgen", hörte ich plötzlich Eleanor neben mir sagen. Sie würde mich sicher auch aufmuntern, sie hatte eigentlich immer gute Laune. Ich drehte mich zu ihr und sie liess sich auf den Stuhl neben mir fallen.

„Hey", begrüsste ich sie. Auch Josh lief gerade an meinem Tisch vorbei und setzte sich neben Kenzo.

Die Schulglocke klingelte und unsere Lehrerin kam rein. Die alte Dame setzte sich hin und fing an etwas über den zweiten Weltkrieg zu labern. Da meine Gedanken bei ihrer langweiligen, monotonen Stimme immer abschweiften, kritzelte ich wieder einmal auf meinem Collegeblock rum, als plötzlich der Lautsprecher sie unterbrach.

„Mister Collins und Miss Campbell, bitte umgehend ins Büro des Rektors kommen. Mister Collins und Miss Campbell", klang es aus den elektronischen Geräten in der Ecke über dem Fenster. Als ich meinen Namen gehört hatte, war ich sofort wieder wach geworden. Ich runzelte die Stirn. Was konnte der von uns wollen? Ich stand auf, blickte verwundert zu Eleanor, die mich fragend anschaute, und folgte Josh aus dem Zimmer. Ich schloss die Türe hinter mir und blickte zu Josh.

„Was haben wir falsch gemacht?", fragte ich ihn. Zusammen machten wir uns auf dem Weg aus dem Gebäude raus, ins Sekretariat rüber.

„Hast du es wirklich vergessen?", fragte er grinsend und schaute zu mir runter. Er war sichtlich vergnügt über meinem Entsetzten.

„Ja?", fragte ich verwirrt nach.

„Hm, ich gebe dir einen Tipp. Samstag", sagte er immer noch grinsend. Wir schlenderten über den Schulhof und nahmen es überhaupt nicht eilig.

Ich runzelte die Stirn und strengte mein Hirn an. Dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Mein Mund klappte mir auf und schnell hielt ich mir die Hand davor.

„Scheisse", meinte ich und fasste mir an die Stirn. Wie konnte ich das vergessen? Wir hätten am Samstag das ganze Schulhaus putzen sollen.

„Was denkst du, was passiert?", fragte ich verunsichert nach. Er hatte sicher schon Erfahrung mit dem Rektor gemacht.

Die Tochter des TodesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt