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„Amber?" Skye Dawson stand vor mir und sah mich fragend an. Ich hatte an meinem Schliessfach gestanden und hatte wahrscheinlich lange ins Leere gestarrt. Ich war müde, obwohl ich für meine Verhältnisse lange geschlafen hatte. Ich hatte schon zwei Stunden Geschichte überlebt und hatte jetzt endlich Pause vor Mathe.

„Hm?", fragte ich sie überrascht zurück. Ich hatte erst einmal mit ihr gesprochen, und das war bloss gewesen, weil wir in der Stunde eine Partnerarbeit zusammen lösen mussten.

Sie musterte mich und als sie mir wieder in die Augen sah, sah sie nicht zufrieden aus.

„Komm mit", sagte sie und mir blieb gar keine andere Wahl, da sie mich an meinem Arm mit sich zog. Also folgte ich ihr und sie steuerte eine leicht versteckte Türe an, von der ich keine Ahnung hatte, was dahinter lag. Sie vergewisserte sich zuerst, dass uns niemand beobachtete, bevor sie durch die Türe schlüpfte und mich mit ihr zog. Erstaunlicherweise stelle sich der geheime Raum als Mädchentoilette raus.

„Ich wusste gar nicht, dass hier auch noch Toiletten sind", sagte ich überrascht. Sie schaute nach, ob sich niemand in einer der zwei Kabinen befand, bevor sie sich wieder mir zu drehte.

„Das weiss fast niemand. Keine Ahnung warum, aber praktisch alle benutzen die anderen WCs. Deswegen ist es ein super Raum, wenn man mal was zu zweit besprechen muss", erklärte sie.

„Und was haben wir zu besprechen?", fragte ich ahnungslos.

„Ich nehme an, Eleanor hat dir erzählt, was ich kann", behauptete sie. Ich nickte und wartete darauf, dass sie weitersprach. 

„Ich kann deinen Schmerz fast schon spüren. Zuerst die Verletzung an deiner Stirn, und jetzt an deinen Armen und anscheinend auch an den Beinen. Ich habe vorhin mitbekommen, wie du zusammen gezuckt bist, als du aus Versehen an einem Tisch angekommen bist", zählte sie auf.

Sie hatte Recht. Es war wirklich nicht so angenehm mit all diesen „Verletzungen" rum zu laufen. Ich hatte deswegen eine lange aber luftige Hose angezogen, dass man wenigstens nicht die an den Beinen auch noch sah.

„Lass mich dir helfen", sagte sie sanft. Ich war ihr gegenüber noch etwas misstrauisch, obwohl sie anscheinend schon oft den anderen geholfen hatte. Aber es gab nur noch wenige Menschen, die dir ihre Hilfe anboten ohne etwas im Gegenzug zu verlangen.

„Ist schon okay, so schlimm ist es gar nicht", behauptete ich.

Sie schnappte mit ihren magischen Händen nach meinem linken Arm und deckte so eine ganze Schürfung ab. Bevor ich zurückschnellen konnte, setzte ihre Magie schon ein. Irgendein weisser Schimmer kam aus ihren Fingerspitzen und mein Arm glühte richtig. Und es fühlte sich wunderbar an. Die Stelle kribbelte extrem und wurde richtig warm.

Als sie ihre Finger vorsichtig wieder zurückzog und das Gefühl auch langsam verschwand, wollte ich, dass sie es erneut tat. Ich schaute auf die Stelle und bemerkte, dass meine Haut dort ganz verheilt war. Es war keine Spur mehr von der roten Schürfung zu sehen.

„Tut gut, was?", fragte sie unnötigerweise. Ich nickte bloss, da ich immer noch geflasht war.

„Aber wir haben nicht mehr genug Zeit für alle. Denn es sind viele", merkte ich an.

„Ich schaffe das schon noch", meinte sie darauf. Dieses Mal nahm sie meine Hände in ihre und nicht direkt eine Verletzung. Das Kribbeln breitete sich in meinem ganzen Körper aus und die Wärme floss durch alle Adern. Ich schloss meine Augen um das angenehme Gefühl in vollen Zügen zu geniessen. Ich hatte noch nie etwas so entspannendes erlebt. Viel zu schnell liess sie mich wieder los und es verschwand wieder. Ich öffnete langsam die Augen und sah sie an. Sie lächelte mich warm an. Schnell blickte ich auf meine Arme. Sie waren wieder makellos. Ich drehte mich um und blickte in den grossen Spiegel. Der grössere Schnitt an meiner Stirn war auch verschwunden. Bei näherem Hinsehen, sah ich zwar, dass eine ganz kleine feine Narbe noch da war. Ich musste gar nicht an meinen Beinen nachsehen gehen, ich wusste, dass sie auch wieder geheilt waren.

„Wow, danke", sagte ich fassungslos.

„Immer gerne", meinte sie darauf und lächelte mich herzlich an. Sie hatte gerade mein Vertrauen gewonnen.

„Falls ich dir mal helfen kann, lass es mich wissen", bot ich ihr an.

„Werde ich mir merken", gab sie zurück, zwinkerte und verliess diese merkwürdigen Toiletten. Die Klingel holte mich wieder zurück. Mit einem Blick auf die Uhr über dem Waschbecken, bemerkte ich, dass es leider schon das zweite Klingeln war. Als ich schnell den Raum verliess und mich zu meinem Zimmer aufmachte, kam mir leider auch in den Sinn, dass ich natürlich ausgerechnet jetzt Mathe hatte. Ich seufzte und beschleunigte nochmals meine Schritte. Ich öffnete leise die Türe und sah, dass er schon etwas an die Tafel schrieb. Er beachtete mich keines Blickes und ich beschloss, mich einfach schnell zu setzten. Ich ging nach hinten und setzte mich neben Ace.

„Hat er nichts wegen Josh und mir gesagt?", fragte ich ihn flüsternd.

„Nein", antwortete er knapp und schrieb weiter von der Wandtafel ab.

Ich packte schnell meine Sachen aus und hoffte, dass er es einfach vergessen hatte. Und tatsächlich ignorierte er Josh und mich die ganze Stunde lang, als wären wir gar nicht hier. Als es dann zur Mittagspause klingelte, rief er uns leider zu sich.

„Ihr werdet Morgen um acht Uhr hier sein und das Schulhaus putzen. Ihr könnt gehen", sagte er knapp. Josh wollte schon protestieren, sah aber anscheinend noch ein, dass es keinen Sinn hatte mit ihm zu diskutieren. Wir schauten uns verzweifelt an. Meine Lust, das Schulhaus am Samstagmorgen zu putzen, hielt sich in Grenzen. Miller rauschte an uns vorbei aus dem Zimmer hinaus und wir gaben uns mit unserem Schicksal ab.

„Ich komme gleich essen, ich muss noch schnell zu meinem Spind", teilte ich Josh mit. Er nickte und wir gingen in entgegengesetzte Richtungen davon. Schon von weitem sah ich schon, wie Ace an meinem Schliessfach anlehnte und angeblich auf mich wartete. Was er wohl wollte?

„Hey", sagte ich zu ihm.

„Hi", sagte auch er und ging auf die Seite, so dass ich es öffnen konnte. Aber natürlich wie jedes zweite Mal, ging es nicht auf.

„Ist was?", fragte ich ihn leicht verwirrt. Ich schlug mit Gewalt gegen die Türe und sie öffnete sich. Er lachte kurz auf über meine Technik den Spind zu öffnen. 

„Kommst du heute Abend das Spiel schauen?", fragte er interessiert, aber ich konnte noch nicht erkennen, was seine wahren Absichten waren.

„Ja, Eleanor hat mir schon lange gesagt, dass ich kommen muss", antwortete ich ihm und verstaute meine Sachen im Spind.

„Und was machst du nachher?", fragte er weiter.

„Hm, keine Ahnung, hab noch nichts vor."

„Hast du Lust, noch etwas mit mir zu unternehmen? Irgendetwas essen gehen oder..."

„Das klingt toll", meinte ich sofort und musste einfach lächeln. Auch er lächelte erleichtert.

„Gut", meinte er noch, „kommst du?"

„Ja", sagte ich unnötigerweise und schloss die Türe. Erst jetzt fiel mir wieder ein, dass ich Hausarrest hatte. Egal, mir würde schon etwas einfallen, wie ich mich aus dem Haus schleichen konnte. Ich würde mir nicht die Chance entgehen lassen, mit ihm auf ein Date zu gehen. 

Die Tochter des TodesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt