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„Gehen wir?", fragte er, worauf ich nickte. Ich zog die schwarzen Schuhe mit den Keilabsätzen an, die auch schon neben der Türe bereit standen. Wir gingen aus dem Haus zu seinem Auto und stiegen ein. Die kurze Fahrt verlief schweigend. Er schien irgendwie angespannt. Als er dann vor der Schule anhielt, drehte er sich zu mir und sah so aus, als würde er mir wirklich noch etwas sagen wollen.

„Viel Spass, wir sehen uns später sicher noch", meinte er dann aber nur und lächelte.

„Bis später", verabschiedete ich mich von ihm und stieg aus. „Danke fürs Mitnehmen", sagte ich dann noch, bevor ich die Türe zuwarf. Er fuhr davon und ich stand in der kalten Nachtluft alleine. Zum Glück hatte es gerade aufgehört zu schneien. Die meisten Parkplätze waren schon belegt und ein paar Pärchen standen noch hier draussen rum. Ich liess meinen Blick schweifen und hielt nach Josh Ausschau.

„Hey", hörte ich dann plötzlich seine Stimme hinter mir. Ich drehte mich um und da stand er vor mir. Seine Augen wurden gross, als er mich sah, aber auch ich konnte nichts Anderes tun, als ihn anzustarren. Er hatte auch einen schwarzen Anzug an und tatsächlich eine dunkelrote Krawatte.

Verdammt, warum sahen Jungs in Anzug immer so gut aus?

„Wow... du siehst wunderschön aus", sagte er und lächelte.

„Danke", sagte ich leicht verlegen. „Du musst öfters einen Anzug tragen, steht dir."

„Ich weiss", erwiderte er grinsend, was mir ein Augenverdrehen und ein Seufzen entlockte, aber da das so typisch für ihn war, konnte ich mir das Grinsen nicht verkneifen.

„Kennst du das Wort ‚Danke'?", fragte ich dann spöttisch.

„Hm noch nie gehört", meinte er ironisch. Er griff nach meiner Hand und verflocht unsere Finger. Mein Herz fing an schneller zu klopfen und wir gingen auf die Turnhalle zu.

„Also man sagt Danke, wenn jemand etwas Nettes getan oder gesagt hat", erklärte ich ihm so, als ob er es wirklich nicht wüsste.

„In dem Fall, danke, dass du mir das gerade erklärt hast."

„Sehr gut. Und wenn ich sage, ein Anzug steht dir, was sagst du dann?"

„Ich weiss." Ich schaute ihn gespielt ernst zu ihm hoch und sah sein Grinsen. Ich schüttelte grinsend meinen Kopf und wandte meinen Blick wieder ab.

„Und, was macht man so auf diesem Ball?", fragte ich ihn

„Keine Ahnung. Ich bin noch nie gewesen", antwortete er.

„Nicht?", hakte ich überrascht nach.

„Nein. Ich hatte noch nie die passende Begleitung." Ich schaute mit grossen Augen zu ihm. Sein Kiefermuskel zuckte und er fuhr sich mit der anderen Hand durch die Haare. Anscheinend war er gleich aufgeregt wie ich es war, konnte ich mir meine Frage von vorhin beantworten.

Er öffnete gerade die Türe zur Turnhalle und liess mir den Vortritt. Hier drinnen war der Lärmpegel erheblich lauter und zum Glück auch wärmer. Die grosse Halle war schon gut gefüllt. Viele Pärchen standen schon auf der grossen Tanzfläche in der Mitte, andere standen am Rand oder am Buffet rum. Musik und das laute Geschwätz anderer erfüllten die Halle. Die Atmosphäre war aber trotzdem angenehm, weil die Luft so von Freude erfüllt war. Ich wettete, Brandon hatte ein bisschen nachgeholfen.  Alle lachten, plauderten und schienen eine gute Zeit zu haben. Josh und mir ging es nicht anders. Wir plünderten zuerst den Tisch mit dem Essen, bevor wir uns an den Rand setzten und über Alltägliches plauderten. Eleanor kam einmal kurz vorbei und schwärmte mir verliebt von Liam vor und ich freute mich enorm für sie. Kenzo hatte uns von der anderen Seite der Halle kurz zu gewunken, bevor er wieder seine ganze Aufmerksamkeit seiner Freundin Leyla schenkte. Ace hatte ich für einen Augenblick lang gesehen, wie er mit seinem Date – von der ich ihrem Namen immer noch nicht wusste – lachte, wobei es mir etwas leichter ums Herz wusste. Ich hatte gehofft, dass seine Gefühle für mich vergangen waren, sonst wäre es nur wieder zu Komplikationen gekommen. Silas hatte ich noch nicht gesehen, es würde mich auch nicht wundern, wenn er schon an einem leiseren Ort mit seinem Mädchen rumknutscht. Aber es könnte auch sein, dass ich ihn einfach nicht gesehen hatte, da ich meistens meine Augen nicht von Josh losreissen  konnte. Vor nicht allzu langer Zeit hatte ich gedacht, dass das hier ein Desaster werden würde, da wir gezwungen würden freundlich die Zeit miteinander zu verbringen, aber es hatte keinen einzigen kleinen Ansatz von einem Desaster. Zugeben es war ganz schön. Es entstanden auch keine komischen Situationen mehr, worüber ich sehr dankbar war. Und ich konnte mich gut von meinen Sorgen über meine neuen, bösen Kräfte ablenken.

Wir hatten uns bis jetzt gut von der Tanzfläche entfernt gehalten, aber ich wusste, ich würde es nicht die ganze Zeit vermeiden können. Es machte mich umso nervöser, dass gerade ein ruhiger Song angefangen hatte zu spielen, als mich Josh fragte.

„Schenkst du mir diesen Tanz?", bat er charismatisch und hielt mir seine Hand hin. Ich legte meine in seine und stand lächelnd auf. Er zog mich in die Mitte der Tanzfläche, wo er stehen blieb. Er legte vorsichtig seine Hände auf meine Hüfte, während ich meine auf seine Schultern legte. Er zog mich näher zu sich und wir standen uns so nah wie noch nie. Mein Herz klopfte noch schneller und die Schmetterlinge in meinem Bauch, die ich nicht mehr ignorieren konnte, flogen noch schneller, als ich das Lied erkannte. Es war die akustische Version von 8 Letters von Why Don't We. Eleanor und ich hatten genug oft die Lyrics der normalen Version mitgesungen, sodass ich genau wusste, was die Nachricht hinter dem Lied war. Wir bewegten uns langsam und schauten uns einfach in die Augen. Irgendwann hielt ich seinen intensiven Blick nicht mehr aus und schaute weg. Die Pärchen neben uns hatten alle angefangen zu knutschen, was nicht gerade hilfreich war. Ich atmete tief durch und versuchte zu ignorieren, dass sich mein Körper auch nach einen Kuss sehnte. Von ihm.
Verdammt, was war los mit mir?

„Du hast Absatzschuhe an, oder?", fragte er dann plötzlich.

„Ja, wieso meinst du?", antwortete ich schmunzelnd.

„Du bist grösser als sonst, Kleine", meinte er schief grinsend.

„Okay, Spass beiseite. Amber, ich... ich glaube, ich muss dir was sagen", meinte er dann plötzlich ernst und das Grinsen war verschwunden.

„Was?", fragte ich sanft. Würde es gleich wirklich passieren? Würde er es mir wirklich sagen? Mein Verstand war benebelt von den Glückshormonen, die mein Körper gerade aussandte.

„Ich war noch nie gut darin gewesen meine Gefühle zu zeigen oder gar über sie zu reden. Aber ich will es versuchen." Er holte tief Luft und ich lächelte leicht, um ihn zu ermuntern weiter zu sprechen.

„Amber!" Skyes Stimme riss mich von seinen Augen los. Ich drehte mich zu ihr und nahm überrascht die Hände von seinen Schultern. So lieb Skye auch war, am liebsten hätte ich sie gerade geschlagen. 

„Was?", fragte ich gereizt.

„Hades, richtig?"

Die Tochter des TodesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt