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Als ich am nächsten Morgen aufwachte, dachte ich für einen schönen Moment lang, dass alles gestern Abend nur ein Traum gewesen war. Als ich dann aus Versehen in meine Wunde an der Stirn fasste, war ich sofort wieder in der Realität zurück. Ich dachte nochmals an alles, was ich gestern erfahren hatte und fragte mich, wieso ich das geglaubt hatte. Dann kam mir auch wieder Josh in den Sinn und ich verstand mich wieder. Ich machte mich schnell für die Schule fertig. Heute konnte ich leider nicht auf Concealer verzichten, es war gestern Abend viel zu spät geworden. Die Verletzung auf meiner Stirn hatte zum Glück aufgehört zu bluten. Ich schnappte mir meinen Rucksack und mein Handy, lief schnell die Treppe runter und nahm mir einen Apfel aus der Küche.

„Jason, ich bin gegangen!", schrie ich nach oben, obwohl ich nicht einmal wusste, ob er noch hier war, bevor ich aus dem Haus trat. Ich stieg auf mein Fahrrad und fuhr in die Schule. Keine Ahnung, ob ich spät dran war oder nicht, aber ich hatte keine Lust mich zu beeilen.

Ich schloss mein Fahrrad wieder an den Baum, lehnte mich gegen diesen und wartete auf Eleanor und Silas, nachdem ich bemerkt hatte, dass ich noch genug Zeit hatte. Währenddessen beobachtete ich die Schüler, mit denen ich täglich zur Schule ging und wunderte mich, wer von ihnen auch von einem griechischen Gott abstammte. Oh, jemand hatte ich schon ganz sicher gefunden. Die drei oberschlauen Mädchen waren sicher von Athena. Die Göttin der Weisheit. Dann war es logisch, dass sie so intelligent waren.

„Hey", unterbrach Eleanor meine Gedanken. „Hi", begrüsste ich sie zurück und umarmte sie.

„Hi Amber", meinte auch Silas gut gelaunt. Ich begrüsste ihn ebenfalls, danach ging er schon weg, ohne auf uns zu warten. Wahrscheinlich traf er sich noch vor der ersten Stunde mit einem Mädchen.

„Heute wird es interessant", sagte sie und grinste mich an. Ich lachte nur und meinte: „Fang endlich an, ich will alles wissen!"

„Okay, okay", lachte sie und schüttelte über meine Neugier nur den Kopf.

„Also", sagte sie und zog das a in die Länge, während wir über den Pausenhof liefen.

„Ah unser erstes Opfer. Mrs Higgins", meinte sie belustigt.

„Mrs Higgins?!", rief ich laut aus. Leider so laut, dass sich ein paar zu uns umdrehten und ich hielt erschrocken eine Hand vor meinen Mund. Es fiel mir schon allgemein schwer an diese Dinge zu glauben, aber dass diese alte Frau übernatürliche Kräfte besass, konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. „Das meinst du nicht ernst!", behauptete ich leise. Die anderen gingen zum Glück wieder weiter und beachteten uns nicht mehr.

„Nein, kein Scherz. Sie wirkt zwar wie eine unschuldige, alte Frau. Aber du errätst nie wie alt. Sie ist von Apollo", erzählte sie. Ich hörte ihr nur mit offenem Mund zu. „Jepp, sie ist das Orakel und hat etwa einmal im Jahr einen merkwürdigen Anfall und nachher eine schlimme Vision gesehen. Sie sagt jedes Jahr, dass ein schlimmes Unglück über uns kommen wird und wir alle sterben", sprach sie weiter, als wäre es das Normalste der Welt.

„Okay, jetzt muss ich mich über gar nichts mehr wundern", sagte ich lachend. Sie stieg in mein Lachen ein und wir betraten das Schulgebäude.

„Brandon Jones", sagte sie.

„Brandon?", hakte ich überrascht nach.

„Von Dionysos. Er kann deine Laune und allgemein die Atmosphäre manipulieren. Deswegen sind seine Partys auch immer die besten, weil er die Atmosphäre so verändert, dass alle gut gelaunt sind", erklärte sie.
„Das ist ja mal cool."

„Ach ja, Skye Dawson, die mit den fast weissen Haaren. Sie steht auf 2 Uhr", fuhr Eleanor leise fort, so dass niemand mithören konnte. Ich folgte ihrer Anweisung und erblickte das gemeinte Mädchen an einem Schliessfach lehnend. „Sie stammt von Asklepios ab." Als sie meinen fragenden Blick bemerkte, erläuterte sie genauer. „Gott der Heilung. Sie konnte damit den Jungs schon oft helfen. Sie ist echt ganz okay. Sie ist die beste Freundin von Elyssa Davis. Erinnerst du dich? Die Ex von Ace?" Ich nickte zustimmend.

„Sie ist auch eine. Von Zeus, genau wie Ace."

„Halt warte", unterbrach ich sie. „Dürften die überhaupt zusammen sein?", fragte ich nach.

„Ja, aber es gibt irgendeinen langen Text dazu im Kodex. Es sind theoretisch ja auch alle Menschen mit blauen Augen verwandt. Solange sie nicht seine Cousine wäre oder so was", erklärte sie. „Also könnte theoretisch auch was aus dir und Josh werden", behauptete sie grinsend und zog eine Augenbraue hoch. Ich schnaubte empört und sagte: „Pah, träum weiter." „Ich sagte nur theoretisch", lachte sie und öffnete ihr Schliessfach, um ihr Mathebuch raus zunehmen. Ich lehnte mich an das danebenliegende Schliessfach und liess mein Blick über die vielen schwatzenden Schüler schweifen. Meine Augen blieben an einer Gruppe hängen, die gegenüber an den Schliessfächern standen.

„Oh, ich wette, sie sind auch welche", behauptete ich zu meiner Freundin. Diese drehte sich dann um und schaute mich fragend an. Ich nickte zu Kyle und seinem Gefolge. Sie waren vollzählig und diskutierten flüsternd.

„Du bist gut", meinte sie anerkennend, „Kyle, Samira und Seraphina von Hephaistios. Sie sind richtig, richtig mächtig. Mit einem gewollten Fingerschnipsen stehst du in Flammen. Und Thanos und Cian stammen von Ares ab. Sie zerquetschen Metall mit ihren Händen. Sie sind unglaublich stark. Jetzt weisst du, warum wir dich immer vor ihnen gewarnt haben." Ich beobachtete sie und fragte mich, ob diese Jugendlichen mich wirklich so schnell umbringen könnten. Dass sie alle ganz schwarz angezogen waren, liess sie auch nicht freundlicher erscheinen.

„Irgendwann werden sie herausfinden, was du bist und ehrlichgesagt habe ich keine Ahnung, wie sie darauf reagieren werden. Nimm dich einfach in Acht." Gerade als sie dieses letzte Wort ausgesprochen hatte, drehten sich die fünf zu mir um und schauten mir direkt in die Augen. Als hätten sie Eleanor gehört. Okay, wahrscheinlich wussten sie es jetzt schon. Ich starrte Kyle selbstbewusst zurück an, um zu zeigen, dass ich keine Angst hatte. Irgendwann schaute ich zurück zu Eleanor und sagte: „Komm, wir gehen." Obwohl ich mich umgedreht hatte, spürte ich ihre brennenden Blicke in meinem Rücken.

„Okay, das war jetzt super gruselig", flüsterte ich ihr zu, kaum waren wir um die Ecke gebogen. Sie nickte mir mit grossen Augen mehrmals zu. Ich folgte Eleanor in das Mathezimmer und zu den Tischen in der zweithintersten Reihe. Da ich immer noch in Gedanken bei Kyle und den anderen war, bemerkte ich nicht, wer hinter mir sass.

Die Tochter des TodesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt