Es wurde schon langsam dunkel, aber ich wollte nochmals raus. Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, als ich das letzte Mal joggen war. Als ich mir sicher war, dass ich unsere bestellten Pizzen verdaut hatte (die wir auf dem Boden gegessen hatten, da wir ja keine Möbel hatten), schlüpfte ich in Sportsachen. Ich band meine langen, blonden Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen und ging nach draussen. Die Luft war feucht und träge. Obwohl die Augustsonne schon tief am Horizont stand, war es immer noch extrem heiss. Ich befestigte mein IPhone an meinem Arm und hörte Musik über meine Kopfhörer.
Dann rannte ich los. Und ich fühlte mich wieder frei. Wind rauschte mir um die Ohren und ich spürte wie meine Haare hin und her schwangen. Die Musik trieb mich an und am liebsten hätte ich nie mehr aufgehört. Ich joggte an vielen süssen Häusern vorbei, bis ich anscheinend ins Stadtzentrum rannte, denn da streckten sich Wohnblöcke in den Himmel. Mein Lauffluss wurde abrupt unterbrochen, als ich die ersten Töne eines Liedes hörte. Es war nicht irgendein Lied, es war unser Lied gewesen. Schnell übersprang ich es und versuchte den Stich in meinem Herzen und das merkwürdige Gefühl zu ignorieren. Ich schüttelte den Kopf in der Hoffnung, dass es die Gedanken an das Lied und sie verdrängte. Nun rannte ich noch schneller.
Ich musste zugeben, ich fand Kinnetyville eine schöne Stadt. Die Häuser oder Wohnblöcke sahen alle irgendwie süss aus. Vielleicht dachte ich mir das nur, weil der Unterschied zu New York so riesig war. Viele Grünpflanzen verzierten die Strassenränder und es herrschte eine angenehme Atmosphäre. Nicht mehr viele Leute waren draussen unterwegs und die Einzelnen ignorierte ich gekonnt, da ich einfach mal meine Ruhe haben wollte. Die Sonne stand schon tief am Horizont, was das malerische Städtchen in rotes Licht tauchte.
Als ich erschöpft war, hielt ich am nächst besten Laden, um mir etwas zu trinken zu kaufen, da ich meine Wasserflasche nicht mitgenommen hatte. Der Laden mit dem Namen ‚The Lotus' befand sich im Stadtinneren. Es machte einen einladenden Eindruck von aussen, also trat ich ein. Der Laden war leer, abgesehen von der Verkäuferin, die desinteressiert hinter der Theke sass und ihre Nägel feilte. Ich nahm mir eine Wasserflasche aus dem Kühlregal und hörte wie das Glöckchen über der Tür klingelte. Ich stellte mich an die Kasse und sah aus dem Augenwinkel, wie die Person, die gerade eben in den Laden eingetreten war, ebenfalls zum Kühlregal ging. Mein Gleichgewicht fast verlierend nahm ich meinen Fünf-Dollar-Schein aus dem Schuh (ja, ich hatte immer Geld in meinen Schuhen). Ich nahm meine Kopfhörer ab, da ich es unanständig fand, wenn man Musik hörte, wenn jemand mit dir redete. Ich gab ihn der Kassiererin, sie scannte meine Wasserflasche und gab mir das Rückgeld. Da ich spürte, dass jemand hinter mir stand, ging ich auf die Seite um der Person Platz zu machen. Nachdem das Restgeld wieder in meinem Schuh verstaut war, trank ich endlich aus der Wasserflasche. Ich blieb noch im Laden stehen, weil zwei Ventilatoren den Laden angenehm runtergekühlt hatten. Mein Blick huschte wieder zu der Person, die nun an der Kasse stand und ihr Getränk bezahlte. Es war ein junger Mann, der wahrscheinlich ein bisschen älter war als ich. Die Kassiererin und er wechselten ein paar leise Worte, aber er schien sichtlich uninteressiert. Er steckte sein Rückgeld in die Hosentasche seiner Jeans und ging von der Theke weg. Ich wollte meine Flasche schliessen und war nur einen Moment von ihm abgelenkt.
Als nächstes spürte ich eine kalte, klebrige Flüssigkeit auf meinem bauchfreien Shirt. Ich keuchte überrascht auf und sah auf meinen Bauch hinunter, auf den dieses hässliche Zeug nun ebenfalls floss.
„Pass doch auf wo du hinläufst! Du hast mein Bier verschüttet!", klagte er mich an. Ich schnappte empört nach Luft.
„Wie bitte? Du bist in mich reingelaufen nicht andersrum! Und wieso sollte ich dein Bier auf meinem Shirt verschütten?", zischte ich verärgert zurück. Ich starrte ihn wütend an und er starrte zurück. Bessergesagt ich starrte nach oben und er nach unten, denn er war fast einen Kopf grösser als ich. Blöderweise nahm ich wahr, dass dieser Idiot, der mein Oberteil höchstwahrscheinlich zerstört hatte, gar nicht mal so schlecht aussah. Seine hellbraunen Haare hatte er nach hinten gekämmt, nur ein paar einzelne Strähnen fielen ihm ins Gesicht. Er hatte ein markantes Kinn und hohe Wangenknochen. Seine Augen waren grün und schimmerten stark in dem schlechten Licht. Eine Narbe zog sich durch das Ende seiner rechten Augenbraue bis zu seinem Wangenknochen. Ausserdem glaubte ich nun, dass er gar nicht so viel älter war als ich. Wie hatte er dann das Bier bekommen?
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Die Tochter des Todes
FantasySeit ich in Kinnetyville lebte, hatte sich mein ganzes Leben verändert. Am Anfang dachte ich, ich würde einfach mein ganz normales Teenager-Leben weiterleben. Doch dann erfuhr ich, dass ich von einem griechischen Gott abstammte. Also hatte ich neben...