Ich lachte trocken auf. „Guter Witz, Collins. Kann mir jemand sagen, was wirklich Sache ist?"
„Also so hätte ich es ihr garantiert nicht gesagt", behauptete Ace und sah Josh leicht genervt an.
„Er sagt die Wahrheit, Amber", mischte sich nun auch Kenzo ein.
„Verarschen kann ich mich selber, danke", funkelte ich diesmal Kenzo an. Dass Josh ein Witz daraus machte, hatte mich nicht erstaunt, aber dass sich Kenzo auf seine Seite schlug, hätte ich nicht erwartet.
„Ich hab doch gesagt, dass sie es uns nicht glauben wird", meinte diesmal Silas. Mein Blick fiel auf Eleanor, die nur neben Silas stand und zu Boden blickte.
„Eleanor, willst du mir etwas auch weis machen, dass das die Wahrheit ist?", fragte ich sie ungläubig. Sie schaute auf und sie sah irgendwie traurig aus. Sie zuckte mit ihren Schultern. „Es ist so." Ich verdrehte die Augen und schnaubte empört.
„Also ihr stammt von Göttern ab und habt Superkräfte? Und was habe ich damit zu tun? Hab ich etwa auch welche?", sagte ich spöttisch, „Tut mir leid, aber ich glaube nicht an einen solchen Schwachsinn."
„Dann wirst du halt lernen, daran zu glauben", flüsterte mir eine Stimme von hinten ins Ohr. Erschrocken schnappte ich nach Luft und drehte mich um. Joshs Augen glitzerten amüsiert und er hatte wieder dieses blöde, überhebliche Grinsen auf dem Gesicht. Vor einer Sekunde war er noch nicht hinter mir gestanden.
„Ace könnte dir in einer Sekunde mit einem Blitz dein Hirn grillieren. Kenzo könnte dir dein ganzes Wasser aus dem Körper saugen, bis du nicht mehr schreien kannst. Silas könnte dich alles machen lassen, was er will. Und ich hätte schneller ein Dolch in dein Herz gestochen, bevor du nur blinzeln könntest." Joshs Stimme war so gefährlich ruhig und er war mir immer näher gekommen. Sein Gesicht war nur ein paar Zentimeter von meinem entfernt und er funkelte mich an. ‚Nur leere Drohungen', redete ich mir ein, aber ich konnte nicht verhindern, dass mein Herz schneller klopfen anfing. Wie sollte mir Kenzo mein ganzes Wasser aus dem Körper saugen können? Genau, gar nicht, denn das ist nicht möglich. Ich bemühte mich ruhig zu bleiben, es waren nur leere Drohungen.
„Nichts als leere Drohungen, mein Lieber", zischte ich ihn an.
‚Aber wie hat er sich dann so schnell bewegen können?' Dieser Gedanke ploppte in meinem Kopf auf und ich hatte wirklich keine Antwort darauf. Mein Verstand spielte mir einen Streich. Es konnte nichts Übernatürliches passieren, das funktionierte einfach nicht. Doch als hätte er meine Gedanken gehört, machte er es schon wieder.
„Bist du dir sicher?", meinte Josh neckend, stand aber nicht mehr vor mir. Ich wirbelte herum und er lehnte sich wieder an den Baum an. Bevor ich auch nur etwas erwidern konnte, spürte ich, wie er wieder hinter mir stand und mir ins Ohr flüsterte: „Denn es ist die Wahrheit."
Diesmal drehte ich mich langsam um und schaute ihn herausfordernd an. Was, wie ich erst später bemerkte, ein Fehler gewesen war. Ich versuchte bloss alles, um meine immer grösser werdende Angst zu überspielen. Er trat ein paar Schritte zurück, als ein heftiger Windstoss aufkam und mich auf den Boden beförderte. Ich landete unsanft auf meinem Hintern und schaute aber immer noch zu Josh hoch. So wirkte er noch viel grösser, als er sowieso schon war. Der Wind blieb stark und wild und verwindete meine offenen Haare. Ich wollte schon aufstehen und ihn anschnauzen, doch ich konnte einfach nicht. Der Wind war einfach zu stark und drückte auf mich runter. Josh stand immer noch vor mir, doch er sah irgendwie abwesend aus.
Er öffnete seine Augen und sie leuchteten weiss.
Jetzt hatte ich wirklich riesige Angst.
„Josh!", erklang Eleanors strenge Stimme. Ich hatte die anderen schon völlig vergessen. Sofort wurden Joshs Augen wieder normal und der Wind verschwand augenblicklich. Schnell sprang ich auf und brachte so viel Abstand zwischen ihn und mich wie möglich.
„Und konnte ich dich überzeugen?", fragte er cool und hatte ein böses Lächeln auf den Lippen. Ich glaubte nicht, dass ich meine Angst unbemerkt blieb.
Meine nächste Aktion war völlig von meiner grossen, dummen Angst geleitet gewesen. Ich hatte kein bisschen nachgedacht. Ich wollte nur noch weg von den fünf Menschen, die irgendwie irgendwelche übernatürlichen Kräfte besassen und ich eigentlich meine Freunde nannte.
Ich drehte mich um und rannte so schnell, wie ich nur konnte, weg. Weit in den Wald hinein, tief hängende Äste schlugen mir ins Gesicht, doch ich rannte weiter. Ich spürte, wie sich dieses merkwürdig gute Gefühl in mir breit machte und ich noch schneller wurde. Ich blickte nicht zurück, um zu sehen, ob sie mich verfolgten. Ich spürte, dass Josh hinter mir her war. Wieso holte er mich nicht einfach so schnell ein, wie er es vorhin gemacht hatte? Und schon im nächsten Augenblick bereute ich diesen Gedanken. Ein gleich heftiger Windstoss wie vorhin, prallte von rechts auf mich. Ich stolperte getrieben vom Wind über meine eigenen Füsse und fiel nach links aus. Ich konnte zum Glück verhindern, dass ich mit meinem Kopf auf den Boden knallte, aber ein Baum war auch nicht gerade weicher. Stechender Schmerz zuckte durch meine Stirn. Ich hob meine Hand an meinen Kopf und wurde noch panischer, als meine Finger voll mit Blut waren. Meine Beine knickten doch noch ein. Ich hatte keine Ahnung, was ich jetzt tun sollte. Ich sah, dass Josh vor mir stand. Ich hob schützend eine Hand über meinen schmerzenden Kopf.
„Bitte...tu mir nichts", meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Er kniete sich neben mich auf den Waldboden und hob mit seinem Zeigefinger mein Kinn an, sodass ich ihm in die Augen blickte. Ein merkwürdiger Ausdruck lag auf seinem attraktiven Gesicht. Für einen Moment dachte ich, Trauer in seinen Augen zu sehen, doch es verschwand so schnell wieder, wie es gekommen war.
„Ich würde dir nie etwas antun", sagte er plötzlich sanft. Okay, wo war der Josh, den ich kannte? Ich wollte ihm so gerne glauben, aber es war seine Schuld, dass ich eine Platzwunde an der Stirn hatte.
„Komm", sagte er, während er aufstand und mir seine Hand hinhielt. Ich wollte sie gerade ergreifen, als der Schmerz in meinem Kopf stärker wurde. Es war genau gleich, wie gestern nach dem Training im Umkleideraum. Ich hatte das Gefühl, mein Hirn würde explodieren, diesmal war es nur noch schlimmer. Wahrscheinlich wegen der Wunde an meiner Stirn. Ich schrie schmerzerfüllt auf und wollte einfach nur noch, dass es weg ging. „Wo niemand deine Schreie hören wird", kamen mir Joshs Worte plötzlich in den Sinn. Ich hatte gewusst, dass es ein Fünkchen Wahrheit in diesen Worten hatte. Es fühlte sich wie eine Ewigkeit an, bis das Brennen nachliess.
Als ich wieder einigermassen klar denken konnte und ich nur noch das kleine Stechen an meiner Stirn spürte, bemerkte ich, dass Josh die Arme verschränkt hatte und mich abwartend ansah. „Bist du fertig?"
„Was passiert hier?", murmelte ich müde, mehr zu mir selbst, als zu Josh und ging nicht auf seinen Kommentar ein. Ich wankte, da ich zu schnell aufgestanden war und wäre gleich wieder umgefallen, hätte Josh nicht so schnell reagiert und mich festgehalten.
„Komm, ich bring dich zu den anderen zurück", meinte er und nahm meine Hand. Ich wollte sie ihm schon wieder entreissen, doch er war schneller. Im nächsten Augenblick lag ich über seiner Schulter.
„Hey, lass mich runter", protestierte ich schwach und schlug mit meinen Fäusten auf seinen Rücken. Da er keine Anstalten machte mich runterzulassen, gab ich meine schwachen Versuche auf. Ich hätte sowieso keine Chance von ihm runter zu kommen, wenn er es nicht wollte. Ich war total müde (auch genau gleich wie gestern) und hatte eine Wunde an meinem Kopf. Er herrschte über den Wind und machte wirklich unheimliche Sachen damit, war fast ein Kopf grösser als ich und auch viel stärker. Also entspannte ich mich und hing wie ein nasser Lappen über seiner Schulter.
„Halt dich fest", sagte er und verstärkte seinen Griff um meine Knöchel. Ich wollte ihn gerade blöd fragen, wie ich mich festhalten soll, als er sein Tempo beschleunigte. Schnell klammerte ich mich um seinen Rücken und er machte dieses...Ding wieder. Ich schloss schnell aus Reflex meine Augen. Paar Sekunden später bremste er abrupt ab. Er hob mich vorsichtig von seiner Schulter und stellte mich auf den Boden. Ich erkannte, dass wir wieder auf der Lichtung waren, wo die anderen auf uns warteten.
DU LIEST GERADE
Die Tochter des Todes
FantasySeit ich in Kinnetyville lebte, hatte sich mein ganzes Leben verändert. Am Anfang dachte ich, ich würde einfach mein ganz normales Teenager-Leben weiterleben. Doch dann erfuhr ich, dass ich von einem griechischen Gott abstammte. Also hatte ich neben...