„Oh Campbell, was hast du denn an deiner Stirn gemacht?", fragte mich Josh Collins gestellt unwissend. Ich drehte mich um und funkelte ihn an.
„Es tut nicht mehr weh, danke der Nachfrage. Wegen einem Idioten bin ich in einen Baum gefallen", spielte ich mit und warf ihm einen zuckersüssen, bösen Blick zu. Ich drehte mich wieder um und packte meine Mathesachen aus meinem Rucksack auf meinen Tisch. Mein Blick fiel auf meine Notizen von letzter Stunde. Da ich in Mathe fast nie etwas kapierte, sollte es mich zwar nicht verwundern, dass ich wieder nichts verstand. Aber als ich auf das Blatt mit dem Titel Differentialgleichungen schaute, war ich wieder mal der Verzweiflung nahe. Da erfuhr man am Abend davor, dass übernatürliche Dinge am Laufen waren und am nächsten Tag musste man sich mit Mathe rumschlagen.
Ich seufzte erschlagen, gleichzeitig zur zweiten Schulklingel und dem Zuwerfen der Türe von Mister Miller, dem Lehrer. Nicht einmal ‚Guten Morgen' hatte er für uns übrig, er fing sofort an irgendetwas vom Exponentialansatz zu labern. Eleanor und ich warfen uns den gleich verzweifelten Blick zu, wie jede Mathe Stunde. Als ich nach fünf Minuten immer noch nicht nachgekommen war, schweiften meine Gedanken unaufhaltsam ab. Nach dem, was ich gestern alles erfahren hatte, nicht verwunderlich. Doch am meisten dachte ich an heute Abend mit Josh. Ich hatte keine Ahnung, was ich zu erwarten hatte. Manchmal war er lustig drauf, aber meistens stritten wir uns einfach.
Eine ganze halbe Stunde lang konnte ich meinen Gedanken nachhängen, bis sie von Eleanors Ellbogen in meinen Rippen unterbrochen wurden. „Hm?", fragte ich leise und schaute sie an. Erst jetzt bemerkte ich, dass Miller aufgehört hatte zu reden und alle mich anschauten.
„Schön, dass sie auch noch aufwachen, Miss Campbell", meinte er und schaute mich mit einem Fake-Lächeln an. Oder vielleicht war es doch ein echtes Lächeln gewesen, denn er hatte immer Freude, wenn er ein Opfer gefunden hatte.
„Kommen Sie doch mal nach vorne", sagte er böse grinsend. Ich warf meiner Freundin noch einen letzten verzweifelten Blick zu, bevor ich mich erhob und mich neben die Wandtafel stellte. Ich schaute ihn fragend an, während er etwas darauf schrieb. Also schaute ich in die Klasse zurück und blieb an Josh hinten in der Ecke hängen. Er grinste auch und ich wusste, dass es ihm gefiel, dass Miller mich gleich blossstellen würde.
„Da Sie sich anscheinend zu wichtig halten um aufzupassen, nehme ich an, dass Sie diese Gleichungen schon lange können. Deshalb können Sie diese Aufgabe sicherlich einfach der Klasse vorlösen", erklärte er und drückte mir ein Stück Kreide in die Hand. Zuerst schaute ich ihn mit offenem Mund an, fasste mich aber schnell und sagte: „Ähm ja klar."
Hätte ich das bloss nicht gesagt.
Hätte ich einfach nur zuerst schnell die zu lösende Aufgabe angeschaut und nachher gesprochen.
Deshalb wurden meine Augen gross als ich die Gleichungen sah. Verzweifelt schaute ich zur anderen Wandtafelhälfte, um etwas zu entdecken, was mir vielleicht helfen könnte. Hatte es aber natürlich nicht.
Ich seufzte, legte die Kreide auf den Tisch und schaute in sein schadenfreudiges, lächelndes Gesicht.
„Okay, ich habe keine Ahnung von diesem Scheiss und es ist mir ehrlich gesagt auch vollkommen egal, da ich es sowieso nie mehr in meinem ganzen Leben brauchen werde", maulte ich ihn verzweifelt an. Sein Grinsen war verschwunden. Sein Gesicht wurde knallrot und seine Ader, die quer über seine Stirn verlief, fing an zu pulsieren. Ich bereitete mich innerlich schon auf eine Standpauke und Nachsitzen vor, als etwas unglaubliches passierte.
Josh befreite mich aus dieser Situation.
Er fing laut an zu lachen. Es war mir egal, ob er über mich lachte oder über Miller, aber es lenkte den alten Mann von mir ab. Er bemerkte, dass es etwas zu laut war und hielt sich schnell die Hand vor den Mund, was aber auch nicht mehr sonderlich viel brachte.
„Ach Mister Collins möchten Sie vielleicht diese Aufgabe lösen, die Miss Campbell so interessiert?", fragte er diesmal aber wütend.
„Nein danke, sie interessiert mich genauso wenig", sagte er ganz cool, aber ich sah, dass er sich das Lachen immer noch unterdrückte. Miller sah schnaubend zwischen uns hin und her und wusste anscheinend nicht, wie er darauf reagieren sollte. Die ganze Klasse grinste nun auch.
„Sie beide. Nachsitzen. Heute nach der letzten", brummte er immer noch mit hochroten Kopf. Ich sah das als mein Zeichen wieder an meinen Platz zu können. Schnell verschwand ich von vorne und setzte mich wieder hin. Ich drehte mich zu Josh um und sagte: „Dankeschön."
Ihm war inzwischen das Lachen vergangen. Er schaute mich mit seinem Dein-Ernst?-Blick an. „Nicht meine Schuld, du hast angefangen zu lachen", sagte ich grinsend zu ihm. Die Schulklingel erlöste endlich unser Leiden und schnell packte ich meine Sachen zusammen.
„Wow, da hattest du wirklich Glück! Miller hat schon viel schlimmere Strafen gegeben", teilte mir Eleanor mit.
„Dank Josh", meinte ich, als ich mich vergewissert hatte, dass er uns nicht hören konnte.
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Die Tochter des Todes
FantasySeit ich in Kinnetyville lebte, hatte sich mein ganzes Leben verändert. Am Anfang dachte ich, ich würde einfach mein ganz normales Teenager-Leben weiterleben. Doch dann erfuhr ich, dass ich von einem griechischen Gott abstammte. Also hatte ich neben...