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Wieso bewegte sich mein Kissen? Das war mein erster Gedanke, als ich am nächsten Morgen langsam wieder erwachte. Ich lag auf etwas, das sich langsam hob und senkte. Es roch gut und ich kuschelte mich automatisch näher. Aber leider drückte etwas hart gegen die Innenseite meines rechten oberen Oberschenkels, was aber zum Glück mein Hirn wieder zum Denken brachte.

Ich wäre fast erschrocken aufgesprungen, als ich realisierte, was das wirklich gerade für eine Situation war. Ich wollte Josh aber nicht wecken, wenn er mich schon auf ihm schliefen liess. Mein Kopf lag auf seiner Brust, die sich regelmässig hob und senkte. Also bessergesagt lag mein ganzer Oberkörper auf seinem. Meine rechte Hand lag neben meinem Kopf und seine linke Hand umschloss sie über meinen Handrücken. Ich spürte seine andere Hand an meiner Taille. Mein rechtes Bein lag angewinkelt über seine Hüfte und das andere auf dem Sofa, gerade neben seinem. Jetzt wurde mir auch klar, was gegen mein Bein drückte.

Ich zog langsam meine Hand aus seiner, um aus dieser Situation zu entkommen, bevor er aufwachte. Ich wollte mich auf meinem anderen Arm abstützen, um zuerst irgendwie von seiner Brust wegzukommen, aber sein Arm, den er über meinem Rücken gelegt hatte, hielt mich zurück. Ich fiel zurück auf ihn. Für einen Moment war ich verlockt einfach auf ihm liegen zu bleiben, aber ich konnte mich zum Glück noch Besserem besinnen. Zuerst stabilisierte ich meine Beine, indem ich sie neben seiner Hüfte abstellte. Ich versuchte es erneut, stütze meine linke Hand neben seinem Kopf ab und sein Arm rutschte hinab. Ich hob mein Blick und schaute direkt in seine grünen Augen.

„Nicht mehr bequem?", fragte er grinsend. Seine Morgenstimme war so rau und kratzig, so dass ich erstmal unfähig war eine schlagfertige Antwort zu geben. Ich hasste es, was für eine Wirkung er auf mich hatte.

„Nein, etwas hat gegen meinen Oberschenkel gedrückt", sagte ich ihm direkt. „Wieso hast du mich nicht geweckt?"

Er setzte sich so schnell auf, dass ich nach hinten auf seinen Schoss plumpste. Ihm schien es überhaupt nichts auszumachen, dass ich seine Morgenlatte erneut spürte.

„Wieso hätte ich sollen? Es wurde gestern Abend spät." Der Gedanke an gestern Abend und was wir uns alles erzählt hatten, verdrängte ich schnell wieder. Es war zu früh, um mir darüber Gedanken zu machen. Seine hellbraunen Haare hingen ihm strähnig in das Gesicht. Seine Wangenknochen standen im schwachen Licht besonders hervor. Er hob seine linke Augenbraue.

„Was?", fragte ich nach.

„Könntest du vielleicht von meinem Schoss verschwinden?", erwiderte er und seine Mundwinkel zuckten.

„Oh. Oh ja klar, 'tschuldigung", stotterte ich und strich mir verlegen eine Strähne hinter mein Ohr. Ich rutschte nach hinten und er zog seine Beine unter mir hervor.

„Ich spring schnell unter die Dusche, zieh dich auch schon mal um, wir haben nicht mehr so viel Zeit", sagte er und verschwand nachher im Bad. Doch anstatt ebenfalls aufzustehen, legte ich mich nochmals hin. Ich hörte wie nebenan das Wasser anfing zu laufen. Ich seufzte verzweifelt. Ich hatte schon genug Probleme, musste die ganze Situation mit Josh auch noch kompliziert werden? Es war so viel einfacher gewesen, als wir uns einfach hassten. Aber nach gestern Nacht war das garantiert nicht mehr der Fall. Es war aber so ein schönes Gefühl, dass er mir alles anvertraute. Das war wirklich süss. Und ich hatte gar nicht gewusst, dass ich ihm auch so vertraute. Ich weiss zwar nicht wieso, aber es fühlte sich einfach richtig an. Und als er sich gestern Abend entschuldigt hatte, hatte es wirklich aufrichtig gewirkt. Wieso beschäftigte mich Josh mehr, als die Tatsache, dass ich von fucking Hades abstammte und viele mich wahrscheinlich umbringen wollten? Ich glaubte, das mit Hades hatte ich noch gar nicht richtig realisiert. Das mit Josh allerdings war sehr real.

„Schon so weit?", fragte Josh sarkastisch, der anscheinend schon fertig war. Ich setzte mich auf und sah zu ihm. Das weisse Handtuch – das seine einzige Bekleidung gerade darstellte – sass tief auf seiner Hüfte und er rubbelte sich mit einem anderen Handtuch durch die Haare. Bemüht seinem muskulösen Oberkörper keine Beobachtung zu schenken, stand ich auf. Nachdem ich meine Kleider von gestern in seinem Zimmer geholt hatte, verschwand ich im Badezimmer. Ich schlüpfte in meine Jeans und wollte mir gerade meinen Pulli überziehen, als ich wieder bemerkte, dass er ja immer noch ein riesiges Loch am Ärmel hatte. Ein Hoodie von Josh würde es auch tun. Als das eiskalte Wasser, das ich mir vom Wasserhahn des Waschbeckens in Gesicht spritze, meine Haut berührte, seufzte ich erleichtert aus. Sobald es mithilfe dem Handtuch neben dem Lavabo wieder trocken war, wagte ich einen Blick in den Spiegel, der darüber hing. Dunkle Schatten befanden sich unter meinen bernsteinbraunen Augen, die ihren Glanz aber nicht verloren hatten. Meine Wangen waren gerötet und meine Haare verstrubbelt. Ich band sie schnell zu einem Knoten hoch, bevor ich wieder zurück in sein Zimmer ging. Auf der Suche nach einem Pullover, öffnete ich seinen Schrank und der Fakt, dass ich keine einzige Farbe in seinem Kleiderschrank sehen konnte, entlockte mir ein Lächeln. Als mein Blick aber auf die innere Seite der Türe gelangte, verging mir das Lächeln sofort.

Unzählige Dolche waren daran aufgehängt. In allen möglichen Grössen – kleiner als ein benutzter Bleistift bis zu hin zu der Grösse eines Tennisschlägers. Sie hingen an Lederbändchen, die in mit Schrauben befestigt waren. Deswegen war die Türe so schwer gewesen zu öffnen. Zwei Dolche, die ihren Platz in der oberen Mitte hatten, fehlten. Ich konnte mir denken, wo die sich befanden. Der Dolch, der genau im Zentrum hing, fiel mir aber besonders auf. Er war ein bisschen kleiner als ein normales Messer, aber sonst hatte er gar nichts mit normal zu tun. Enge, silberne Efeuranken zogen sich um das Heft und die kurze Kreuzstange. Genau in der Mitte des Kreuzes war ein Smaragd eingearbeitet. Er glänzte trotz dem schwachen Licht extrem, als würde er gut gepflegt werden. Seine wunderschöne Schlichtheit faszinierte mich aus irgendeinem Grund. Ich riss meinen Blick los und versuchte dieses Waffenlager zu vergessen. Würde es mich etwas angehen, würde mir Josh selber davon erzählen. 

Ich nahm mir einen einfachen grauen Hoodie und zog ihn mir über. Ich atmete den angenehmen Duft des Waschmittels ein und seufzte erleichtert wegen dem grossen, weichen Stoff. Ich trat zurück in das Wohnzimmer und bemerkte zum Glück, dass Josh sich auch angezogen hatte. Er sass an einem der Barhocker vor einem Toaster. Ich roch schon den Geruch von warmen, knusprigen Toasts und mir lief das Wasser im Mund zusammen. Ich liebte Toast. Ich setzte mich neben ihn, aber er hob den Blick nicht vom Toaster. Wahrscheinlich war er gleich hungrig wie ich.

„Wieso ganz genau trägst du meinen Hoodie?", fragte er dann doch ahnungslos, musste aber grinsen, wahrscheinlich weil ich in seinem für mich riesigen Pullover versank. „Mein Pulli von gestern hat ein riesiges Loch im Ärmel", sagte ich schulterzuckend. Dann aber veränderte sich seine Miene augenblicklich, als er etwas realisierte.

„Du hast das in der Schranktüre in dem Fall schon gesehen, oder?"

Die Tochter des TodesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt