/36/

1.2K 68 0
                                    

"Neunzig Prozent der Beziehungen scheitern und die Hälfte der Ehen, die dann noch entstehen werden wieder geschieden. Es bricht grundsätzlich einem von beiden das Herz und er kommt nicht wieder hoch."~Paul Diver

Phil P.O.V

Am Montag wieder in die Schule zu gehen war eine kleine Überwindung, aber ich wollte nicht vor meiner eigenen Arbeit davonlaufen müssen. Heute sollte ich auch das Ende dieser Lektüre mit meinem Kurs besprechen. Eine tragische Romanze, die Frau verlässt am Ende ihren Mann, um in ein anderes Land gehen zu können und dort ein neues Leben anfangen zu können. Ich bezweifle, dass die meisten das Ende überhaupt gelesen haben oder gar den Anfang. "In Ordnung, beenden wir das Kapitel spanische Romane heute." Mit dem schwachen Versuch zu lächeln stellte ich mich vor die Klasse. Ich muss ihnen gegenüber ein Vorbild sein. 

"Ich möchte erst einmal sammeln, was ihr über das Ende denkt, bevor wir damit beginnen es zu analysieren." meinte ich und griff nach der Kreide. Ein paar wenige beteiligten sich heute sogar mal. "Ich finde es irgendwie schade, dass es kein Happy End ist, weil sie hätte ja nicht zwingend gehen müssen und ich denke, man hätte ja irgendwie so wenigstens noch das Gefühl rein bringen können, dass die beiden wieder zusammen sein können." Ich verkniff mir jegliche Mimik, jeglichen Kommentar. Stumm schrieb ich in Stichworten auf, was gesagt wurde. "Die beiden werden aber nicht wieder zusammenkommen." warf einer der etwas jüngeren Schüler ein. 

Interessiert drehte ich mich um. "Bitte, fahren sie fort." bat ich und legte die Kreide für den Moment beiseite. "Der Autor wendet sich mit seinen Büchern an das reale Leben und im realen Leben funktioniert es nun mal nicht so. Neunzig Prozent der Beziehungen scheitern und die Hälfte der Ehen, die dann noch entstehen werden wieder geschieden. Es bricht grundsätzlich einem von beiden das Herz und er kommt nicht wieder hoch. Und manchmal trinkt er, genau wie Pablo, aber nicht weil er Alkoholiker ist." erklärte er völlig ernst. Ich musste fast schon lächeln. 

"Welche Sätze aus dem Buch lassen sie darauf schließen?" fragte ich interessiert. "Am Ende sagte er seré un hombre mejor para ti en mi próxima vida. Wenn man das übersetzt heißt das so viel wie, ich werde in meinem nächsten Leben ein besserer Mann sein, als hätte er sein jetziges selbst schon aufgegeben." erklärte er. Sofort schossen drei Arme in die Höhe. "Heller, sie wollen ihn aufklären?" fragte ich und setzte mich hinters Pult. "Da war ein Übersetzungsfehler, es heißt nicht, dass er selbst ein besserer Mann sein will, sondern er will ihr ein besserer Mann sein, also hat er nicht sich selbst, sondern seine Position als ihr Gatte aufgegeben."

"Aber ist auch voll der Assi-Move. Erst einem die große Liebe vorgaukeln, um dann mit nem anderen abzuhauen." murmelte ein weiterer Schüler. "¿Cómo crees que se siente Pablo ahora? Wie denken sie fühlt sich Pablo nun?" fragte ich. "Verletzt natürlich." "En espanol." bat ich. "Herido?" Immerhin konnten sie noch ein paar Vokabeln des letzten Jahres. Es war eine dumme Idee gewesen, gerade dieses Buch zu wählen. Viel zu sehr steigerte ich mich wieder in Situationen rein, die hiermit nichts zu tun haben. "¿Y qué le aconsejarían que-" Das Klopfen an der Tür unterbrach mich. 

"Si?" Der Direktor kam rein und sah mich fast schon reuevoll an. Hinter ihm folgten zwei Polizisten. "Ist etwas passiert?" fragte ich sofort. "Einer der jüngeren Schüler war eben bei mir. Er sagte seiner Schwester wurden Drogen verkauft und das von ihrem Kurs." erklärte Johann. Völlig verdutzt stand ich auf ihn. "Das kann ich mir sehr schlecht vorstellen." meinte ich schließlich und sah meine Schüler an. Ja, sie waren sicherlich in gewisser Hinsicht verzogen, aber nicht einmal sie waren dumm genug, hier auf dem Schulgelände irgendetwas dergleichen zu verkaufen. "Wir müssten die Taschen jedes einzelnen kontrollieren, damit wäre auch ihre gemeint, zu Vorsichtsmaßnahmen."

"Natürlich. Pon tus maletas en el escritorio y ábrelas! Taschen auf den Tisch bitte!" Während die Polizisten anfingen, die Taschen zu durchsuchen, zog Johann mich beiseite. "Phil, sie wissen, ich hasse es, das auszusprechen, aber wenn einer von ihnen es wirklich war, dann müssen wir die Eltern informieren." meinte er. "Ich weiß, ich übernehme das schon, auch wenn ich nicht glaube, dass sie hier etwas finden." sagte ich, naiv wie ich war, um kurz darauf von einem "Ich hab was!" völlig aus allen Welten gerissen zu werden. "Das ist nicht meins! Ich schwöre es, ich hab keine Ahnung, wo das herkommt!"


Roommates | ManXManWo Geschichten leben. Entdecke jetzt