/60/

1K 64 1
                                    

"Du denkst schon wieder zu viel."~Jakob Schneider

Phil P.O.V

Dass Jakob später Ärger bekommen hätte, weil er nicht beim Aufräumen mitgeholfen hatte war wohl offensichtlich. Wie ein getretener Hund kam er aus dem Büro des Rektors und sah zu Boden. Fünf Minuten war er gerade mal drin gewesen, aber für ihn muss es wohl eine Ewigkeit gewesen sein. "Was hat er gesagt?" fragte ich, während wir beide gemeinsam zum Lehrerzimmer gingen. "Er war natürlich der festen Überzeugung, ich wäre verschwunden um es mit einer der Kolleginnen zu treiben, als ich ihm dann erklärte, dass ich dich begleitet hab ist er ein bisschen zahmer geworden, aber ich soll jetzt die Fachräume im gesamten Erdgeschoss putzen, als Strafe."

Ich konnte mein eigenes Schmunzeln nicht zurück halten. "Bestraft wie ein kleiner Schuljunge." witzelte ich, was Jakob nur mit einem genervten Augenrollen kommentierte. "Keine Sorge, ich werde dir helfen. Ist ja schließlich auch meine Schuld, dass du gegangen bist." versicherte ich ihm. Jakob nickte nur. "Noch zwei Wochen." murmelte er. Fragend sah ich ihn an. "Dann fahren wir zu deinen Eltern." fügte er also hinzu. Stimmt, das hatte ich völlig ausgeblendet. Ich war sowieso kein Weihnachtsmensch, aber das verdarb mir wirklich noch komplett die Laune. Meine Eltern sprachen nicht wirklich mit mir, schon seit ich ausgezogen war nicht mehr. 

Sie wollten meinen 'Lebensstil' nicht unterstützen und luden mich deshalb nur zu den besonders wichtigen Anlässen ein. Mir war das Recht, der Kontakt war sowieso schon total abgeschwächt, da war es egal, ob ich nun an Weihnachten oder Ostern erschien, aber dieses Weihnachten wäre das erste nach einem Jahrzehnt, an dem wir alle wieder anwesend sein würden, auch Tyler. Meine Gedanken wurden von eine Hand, die sich auf meinen Rücken legte unterbrochen. "Du denkst schon wieder zu viel." meinte Jakob leise und führte mich ins Lehrerzimmer. "Mach dir keinen Kopf, alles wird gut werden."

Seine gut gemeinten Worte stießen bei mir völlig auf Abblock. Natürlich würde alles gut werden, meine Eltern würden uns beide schließlich nicht umbringen, aber die Zeit ist trotzdem nicht genießbar. Ich nickte nur. Jakob konnte nichts dafür, ihn dafür blöd anzumachen wäre unfair. "Wir bleiben nur für Silvester, danach können wir wieder nachhause und alles tun, was nur wir beide wollen." versicherte er mir sanft lächelnd. Ich war wirklich froh ihn zu haben. Ohne ihn hätte ich das alles sicher nicht mitgemacht. "Aber, warum will deine Familie nicht schon an Weihnachten irgendwas mit der Familie machen?" fragte er zögernd.

"Leas Freundin, Sopse und ich haben einen festen Deal. Ich schulde ihr einen Gefallen, dafür hält sie mir meinen Vater über Weihnachten vom Hals. Die gehen dann immer auf irgendeinen Trip zu viert, so habe ich meine Ruhe. Weihnachten feiern tu ich sowieso nie." erklärte ich also, woraufhin Jakob nur verstehend nickte. "Und du? Ich hab noch nie gesehen oder gehört, dass du mit deiner Familie in Kontakt getreten bist." gab ich zu. "Naja, mein Bruder ist Soldat und so gut wie immer weg, meine Mutter vor drei Jahren und mein Vater und ich leben mehr so unsere eigenen Leben. Ein paar Nachrichten versenden und dann ist es auch okay."

"Mein Beileid." murmelte ich. Er hatte tatsächlich nie davon erzählt. "Ach, ich rede mir seit ihrem Tod ein, dass es, sollte es einen Himmel geben, sie in Frieden und Freude da oben ruht. Ich bin drüber hinweg." meinte er. Das Klingeln unterbrach unser Gespräch. "Ich seh dich heute Abend." meinte ich und setzte zum gehen an, aber Jakob hielt mich zurück. Er wartete, bis jeder Lehrer den Raum verlassen hatte, bevor er meinen Arm wieder los ließ. "Ich liebe dich." meinte er schließlich und legte seine Lippen kurz auf meine, bevor er ebenfalls den Raum verließ.

Einem kurzen Moment sah ich ihm lächelnd hinterher. "Idiot." flüsterte ich leise in den inzwischen leeren Raum und ging endlich zu meinem Unterichtsraum. Natürlich wäre es deutlich intelligenter, berufliches und privates zu trennen, aber das scheint mir inzwischen unmöglich. Ein Arbeitsplatz direkt neben Jakob, ohne ihn lieben zu können wäre für mich wirklich eine Katastrophe. Von diesem Drogenvorfall geriet nach langer Beratung nichts an die Öffentlichkeit. Es war für beide Seiten das beste, wenn wir das ganze Intern lösten, aber jetzt musste ich mich wirklich erst einmal auf das Problem mit meinen Eltern konzentrieren.

Roommates | ManXManWo Geschichten leben. Entdecke jetzt